"Man sollte immer Aktien kaufen"

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Die Deutschen nehmen lieber Nullzinsen in Kauf als ein kleines Risiko an der Börse. Dabei versprechen Aktien attraktive Dividenden, sagt Börsenexperte Daniel Bauer.

 
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Jamaika ist geplatzt, die Börse blieb völlig cool. War das zu erwarten?

Daniel Bauer: Die deutschen Unternehmen mit ihrer hohen Exportquote sind zu einem hohen Grad von der weltwirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Daher ist es viel wichtiger für die Unternehmen, dass in unseren Nachbarländern wie Frankreich aber auch in China und den USA die Wirtschaft rund läuft.  

 

Und die Politik?

Bauer: Die hiesige Politik ist nur dann ein Unsicherheitsfaktor, wenn zum Beispiel weitere bürokratische Hürden oder ein Anstieg der Abgabenlast zu erwarten wären. Dies ist aber von der aktuell geschäftsführend tätigen Regierung nicht zu erwarten. Und da sich ja schnell eine Lösung mit einer großen Koalition abzeichnet, wäre es auch nicht nachvollziehbar, wenn es zu größeren Turbulenzen an den Märkten gekommen wäre.

 

Eine Groko ist besser als Jamaika?

Bauer: Für die Wirtschaft könnte eine große Koalition gegenüber einer Jamaika-Koalition auch Vorteile bringen. Der rasante Kohleausstieg dürfte vom Tisch sein, somit dürften Unternehmen wie RWE oder Uniper profitieren. Auch eine Vergemeinschaftung der Schuldenpolitik der Euro-Staaten dürfte durch das Ausscheiden der FDP wahrscheinlicher werden, was zumindest kurzfristig den Dax-Unternehmen helfen sollte.  

 

Der Dax pendelt um 13.000 Punkte. Jetzt noch Aktien kaufen?

Bauer: Man sollte immer Aktien kaufen. Denn wer regelmäßig Aktien kauft, hat am Ende einen meist attraktiven Durchschnittskurs. Man muss jedoch auch die nötige Zeit mitbringen und kann nicht erwarten, dass man sofort innerhalb kurzer Zeit zwei- oder dreistellige Renditen erzielt.

 

Sind deutsche Aktien nicht schon viel zu teuer?

Bauer: Generell erscheinen Aktien aktuell im Vergleich zu anderen Anlageformen geradezu günstig. Viele Dax-Unternehmen haben Dividendenrenditen von zwei bis drei Prozent und gehen auch in Zukunft von steigenden Gewinnen aus. Daher sollten auch die Dividenden weiter steigen können. Dem gegenüber sind die Zinsen auf Tagesgeld oder festverzinsliche Unternehmens- oder Staatsanleihen weiter sehr niedrig, zum Teil sogar negativ.

 

Was sind die wichtigsten Kriterien bei der Auswahl einer Aktie?

Bauer: Generell sollten Anleger immer nur Aktien von Unternehmen kaufen, die sie kennen und mit deren Produkten sie vertraut sind. Unbekannten Empfehlungen von unseriösen Börsenbriefen (es sei angemerkt, dass es auch seriöse Börsenbriefe gibt) oder von Anrufern, die man nicht kennt und die einen unaufgefordert anrufen, sollte man nicht folgen.  

 

Was muss man wissen?

Bauer: Wichtig ist, dass man sich den Geschäftsbericht anschaut und wichtige Finanzkennzahlen wie Umsatz, Ergebnis, Cashflow oder das Eigenkapital und eventuell kritische Bilanzposten wie die immateriellen Vermögenswerte ansieht. Diese Kennzahlen sollten überzeugend sein. Auch sollte das Unternehmen über wachsende Umsätze und gute Zukunftsaussichten verfügen. Eine solide Bilanz und hohe Dividenden alleine reichen nicht aus. Das Unternehmen muss auch zukünftig steigende Gewinne erwirtschaften können, um weiterhin steigende Dividenden zahlen zu können.  

 

Warum mögen die Deutschen die Aktie nicht?

Bauer: Ich denke, bei den meisten fehlt einfach das nötige Wissen zu Aktien und Funktionsweise der Märkte. Und dann kommt hinzu, dass die breite Schicht der Bevölkerung meist zum schlechtesten Zeitpunkt investiert hatte und viele Bürger somit viel Geld verloren haben. Man erinnere sich nur an die Jahrtausendwende und die Telekom-Börsengänge. Aber: Wer die Telekom-Aktie vor fünf Jahren kaufte, hat heute seinen Einsatz mehr als verdoppelt.

 

Die Deutschen nehmen lieber Nullzinsen als Dividende?

Bauer: Ja, so ist es. Das schlimme ist, dass man aufgrund der steigenden Preise – hier darf man die Immobilienpreise und Mieten nicht vernachlässigen – immer weniger für sein hart erspartes Geld bekommt. Man wird somit schleichend enteignet, was vor allem die Mittelschicht betrifft. Denn das obere Prozent der Bevölkerung  in Deutschland ist meist voll investiert, sei es in das eigene Unternehmen oder in Immobilien oder Wertpapiere.  

 

Wo sehen Sie die größten Risiken für die Aktienmärkte?

Bauer: Ganz klar der aufkommende Nationalismus. Wenn der internationale Handel sich rückläufig entwickeln sollte, wäre das sehr schlecht für unsere Unternehmen.  

 

Ein Crash ist nicht in Sicht?

Bauer: Das ist nie vorherzusehen, denn viel hängt auch mit der politischen Entwicklung zusammen. Sollte Russland zum Beispiel in Kiew einmarschieren, oder ein Krieg zwischen  Nord- und Südkorea ausbrechen, könnte es sicherlich zum Crash kommen.  

 

Wann steigen die Zinsen wieder?

Bauer: Ich erwarte keine signifikanten Zinsanstiege in naher Zukunft. Vielmehr dürfte es ein Jahrzehnt dauern, bis wir wieder das Zinsniveau der Vergangenheit von vier bis sechs Prozent erreichen. Für schnell ansteigende Zinsen müsste der Süden Europas politisch stabiler sein und sich für einschneidende Reformen entscheiden.  

 

Steigende Zinsen würden die Aktienkurse drücken?

Bauer: Sofern die Zinsen langsam steigen, dürfte das keine große Gefahr für die Aktienkurse darstellen. Aber eine schnelle Zinswende würde sicherlich belastend wirken.  

 

Wagen Sie eine Prognose: Wo steht der Dax Ende 2018?

Bauer: Sofern an der politischen Front alles ruhig bleiben sollte, könnte der Dax seine Bergfahrt fortsetzen und nächstes Jahr die 15.000 Punkte überspringen.