"Ein Mozart mit Abgründen"

Von Michael Weiser
Spät bekehrt und umso überzeugter: Michael Wessel hatte mit Mozart erstmal seine Problem. Foto: red Foto: red

Auch Bayreuth ist eine Mozart-Stadt. Ein bisschen wenigstens. Dass dem so ist, liegt auch an Michael Wessel. Der Pianist ist am Mittwoch bei Steingraeber zu erleben. Mit einem Programm, dass dem heiteren Musensohn aus Salzburg andere Farben gibt. "Mozart in Moll" spielt Wessel. Mit uns sprach er über trauriges Dur und helles Moll, über Entwicklungen bei bekannt geglaubten Stücken und über eine beachtliche Fehleinschätzung in jungen Jahren.

 
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Mozart in Moll“ – den Titel trägt bereits eine CD von Ihnen. Ihren Zuhörern werden Sie aber sicher noch etwas anderes präsentieren wollen.

Michael Wessel: Ich spiele im wesentlichen schon das Programm, wenn auch in einer leicht abgewandelten Reihenfolge, da in einem Konzert schon von der Dramaturgie her andere Gesetze herrschen als bei einer CD. Es hat sich aber auch in den eineinhalb Jahren seit der Aufnahme einiges verändert. Konzerte oder CD-Aufnahmen sind Momentaufnahmen. Die Stücke arbeiten danach ja in einem weiter. Gerade für jemanden, der die CD kennt, ist es vielleicht interessant zu hören, wie sich die Musik entwickelt.

"Als Student hatte ich große Probleme mit Mozart"

Mit Verlaub – die Stücke sind 250 Jahre alt, in Noten auf Papier fixiert. Was soll sich denn da groß entwickeln? 

Wessel: Das ist eine gute Frage. Was niedergeschrieben wurde, sind tatsächlich nur Noten. Aber es wurden und werden auch viele Texte geschrieben, wie die Noten zu interpretieren seien. Das ist wie bei der Bibel – da werden auch immer neue Schichten ausgelegt. Als Pianist misst man sich einerseits an der Tradition, andererseits schärft man sein eigenes Konzept. In meinem  Alter ist es eher das letztere. Man wirft sein Konzept nicht übern Haufen, sondern man arbeitet daran, in einer Art und Weise, dass man für die Hörer noch schärfer herausarbeitet, was man glaubt, was Mozart sagen wollte. Gut, die Musik ist 250 Jahre alt. Aber man selber ändert sich, man ändert seine Beziehung zu Werken, ändert auch seine Hörgewohnheiten. Als Student etwa hatte ich große Probleme mit Mozart.

"Wie von der Tarantel gestochen"

Nicht wirklich, oder? Sie sind Vorsitzender der Mozart-Gemeinde, spielen Mozart auf CD ein. Wo hatten Sie denn dann Ihr Damaskus-Erlebnis?

Wessel: In der ersten Stunde des gerade begonnenen Klavierstudiums fragte mich damals der Professor, was ich besonders gerne spiele. Ich antwortete, dass ich eigentlich so gut wie alles gerne spiele, Bach natürlich, aber auch Schönberg, Brahms, Liszt, Stockhausen, Schumann. Mozart aber eher nicht. Da sprang der Professor auf wie von der Tarantel gestochen und rief: „Ausgerechnet Mozart! Dann fangen wir gleich mit Mozart an.“ Und wir begannen mit dem a-moll-Rondo. Auf einmal erlebte ich einen anderen Mozart als den, den ich zu kennen geglaubt hatte. Einen Mozart mit Abgründen, seelischen Tiefen, Verzweiflung. Bis dahin war er für mich ein Spieldosenkomponist mit Klimperbegleitung gewesen.  Aber dann lernte ich Mozart schließlich auch als Komponist in Dur als spannend und kontrastreich kennen. Das lag vielleicht auch an den 60er, 70er Jahren, man verwendete kein Pedal, spielte bestenfalls Mezzoforte. Die Art zu spielen hat sich sehr geändert. Man weiß mittlerweile, dass Mozart schon so etwas wie unser heutiges Pedal zur Verfügung hatte. Man kann es so sagen: Man übersetzt Mozart heute am modernen Flügel auch anders als vor 40 Jahren.

"Einige Zuhörer sind schockiert"

Mozart, dieser heitere Liebling der Götter. Und ausgerechnet Sie präsentieren ihn in Nachtfarben. Wie sind die Reaktionen der Hörer?

Wessel: Die Zuhörer sind weit überwiegend sehr gebannt. Einige sind auch schockiert. Das kommt daher, dass sich das Liebliche, das Vorurteil von der Spieldosenmusik so hartnäckig in den Köpfen hält.

Der Fluch der Mozartkugel…

Wessel: Ja, das kann man wohl sagen. Auf jeden Fall erlebt man Mozart so mit anderen Facetten. Auf einmal wird daraus ein Mensch mit Tiefe, man erkennt andere Dimensionen an ihm. Es in diesem Moll-Mozart aber auch eine Menge Dur, es kommen auch lichte Momente. Es gibt übrigens auch sehr trauriges Dur. Gerade beim späten Mozart hört man etwas, was einen schon an Schuberts trauriges Dur erinnert. Überhaupt gibt es bei Mozart harmonische Verbindungen, die man dann erst bei Wagner wiederfindet. Wirklich verrückte Sachen, die tonal nicht mehr so ganz zu erklären sind.

"Das Rondo berührt mich am meisten"

Was fasziniert Sie in diesem Programm besonders?

Wessel: Das Rondo in a-moll. Je öfter ich es spiele, desto mehr entdecke ich daran. Es ist das Stück, das sich im Laufe der Jahre mit mir am meisten verändert hat. Oder die Fantasie in c-moll. Und dann die Sonate in a-moll – die spiele ich vielleicht sogar am liebsten. Aber das Rondo – das berührt mich am meisten. 

"Ranglisten sind albern"

Damals, bei Ihrem Prof, waren Sie schnell mit Ihrem Urteil. Wenn Sie nunmehr ein schnelles Urteil über Mozart fällen müssten – wie würde es lauten?

Wessel: Schnell geht das eigentlich gar nicht (lacht). Ich kann nicht sagen, er ist der Größte, weil ich eine solche Rangliste albern finde. Wenn ich an den Fingern einer Hand die Größten am Klavier abzählen müsste – da wäre er dabei, neben Meistern wie etwa Beethoven und Bach.

INFO: Das Konzert von Michael Wessel  am Mittwoch, 22. März, beginnt um 19.30 Uhr.

Steingraeber, Steingraeberpassage 1, 95444 Bayreuth