Poetry-Slam-Gala: Von Kindern und Tofu

Von Kerstin Fritzsche
Von links: Die Slammer Michael Jakob, Volker Strübing, Kirsten Fuchs und Sarah Bosetti begeisterten am Freitag das Publikum im ausverkauften Zentrum. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ist ein Poetry Slam ohne Wettbewerb eigentlich auch eine Dichterschlacht? Auf jeden Fall mussten Volker Strübing, Kirsten Fuchs, Sarah Bosetti und Michael Jakob als Teilnehmer der Poetry-Slam-Gala im Rahmen der "Leselust" nicht um Worte und nicht um Gunst ringen. Sie wickelten ihr Publikum im ausverkauften Europasaal des Zentrums mit Geschichten über Kinder und Sex, Arbeit und Frauenfußball, Tofu und Internet-Hass schnell um den Finger.

 
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Woran merkt man, dass Wortakrobaten auch älter werden? Die Geschichten und Anekdoten über das Leben mit Kindern nehmen zu. Sind plötzlich ganz deutlich dominierend. Von den vier eingeladenen Poeten zur Poetry-Slam-Gala bei der diesjährigen "Leselust" haben drei Kinder. Kleine Kinder.

"Kollateralschwangerschaft" löst Schäden aus

Das verändert zum einen die Eltern selbst, noch während der Schwangerschaft. Plötzlich werden aus Freunden verpeilte, erdfremde Wesen, die nur noch in Baby-Sprache auf Verniedlichungskurs programmiert anderen Menschen im Weg rumstehen, wie der Bayreuther Stadtschreiber a.D. Volker Strübing launisch berichtet. Um damit zu enden, dass es ihn selbst dann auch ergriffen hat, mit einer "Kollateralschwangerschaft", die bräsig macht und die Gehirnfunktionen einschränkt. Und die macht, dass man angesichts anderer Kleinkinder um einen immer nur denkt: Was, wenn mein Kind ein Arschloch wird?

Wie macht man's als Eltern, wenn man's mal machen will?

Zum anderen verändert dieses Kinder-Kriegen auch den Alltag der Eltern. Klar, weiß man ja, x-mal aufstehen Tag und Nacht, sich etwa 18 Jahre lang von eigenen Interessen erst einmal verabschieden. Aber so gewisse Bedürfnisse, die lassen sich halt nicht abstellen, auch wenn man nun ein Elter ist, darüber hat sich die Berliner Lesebühnen- und Kinderbuch-Autorin Kirsten Fuchs Gedanken gemacht. Ihr Text "Fickende Eltern" - "Der heißt im Buch anders, das wurde abgeschwächt. Wenn Sie nachher eins kaufen, korrigier' ich Ihnen das aber gern!" - widmet sich augenzwinkernd, aber durchaus mit ernstem Anliegen, dem Problem, was beziehungsweise wie man es als Eltern macht, wenn man es mal machen möchte.

Anderen zwischenmenschlichen Problemen widmet sich Sarah Bosetti. Neben Auftritten im Fernsehen ist die in Aachen geborene bekennende Feministin Kolumnistin bei Radio Eins in Berlin und Mitbegründerin der Berliner Lesebühne "Couchpoetos". Mit bissigem Humor arbeitet sie sich an einem Vergleich zwischen Arbeit und Frauenfußball ab und schimpft auf den Feminismus, ohne den es aber irgendwie auch nicht geht, vor allem nicht zwischen Mann und Frau.

"Aftertiefe für Deutschland, die AfD 2.0"

Und einmal angekommen an den gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit und an Stellen, wo "die Intelligenz einfach falsch eingelagert wurde", kriegt die AfD es auch noch kräftig ab: Wo Darm und Gehirnmasse sich so ähnlich sehen, habe Gott sicherlich ein paar Teile falsch verbaut. Und so gäbe es "Menschen, die Scheiße im Kopf haben, aber klugscheißen". Die "Aftertiefe für Deutschland, eine AfD Zwei Punkt Null", quasi.

Richtig wütend ist auch Michl Jakob. "Dreh auf, dreh lauter, dreh durch!" geißelt der Bayreuther Slam-Master die "i-Men", die nur noch mit Ohrstöpseln herumlaufen, gefangen in einer Welt aus billigem Konsum, kollektiven Design-Geräten und mittelmäßiger Musik. Ständig verkabelt, ständig auf der Flucht vor der Welt. Und dann diese Tofu-Fresser erst! Als Vegetarier schafft Jakob es kunstvoll in tollen Reimen, die Seiten des Fleisch-Ersatz-Produkts und seines Konsums amüsant zu betonen, die für Weltwirtschaft und Umwelt eher problematisch sind und nichts mit einem Weltverbesserer-Image zu tun haben. Gar nicht so einfach, die Welt zu retten und jemand zu sein.

Pro-Tipp: Nach Bayreuth ziehen

Alles negativ also am Ende des Abends? So viel Gefühllosigkeit und Schlechtigkeit in der Welt? Kann man da übehaupt noch Kinder haben? Sollte man? Volker Strübing weiß eine Lösung und gibt seiner zwei Monaten alten Tochter schon jetzt per Lied in Rollenprosa einen guten Tipp: "...jetzt wisst ihr, warum ich schrei' heut' - wenn ich einmal groß bin, zieh' ich nach Bayreuth!". Wäre das mit dem Bevölkerungswachstum auch geklärt. Dann überholen wir Bamberg doch wieder.

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