Plastikpackungen belasten Bioabfall

Eschenbacher
Kompostieranlage Pegnitz: Biomüll wird angeliefert. Foto: Klaus Trenz Foto: red

Staubsaugerbeutel, Windeln, Folienreste: Dort, wo nur Bioabfall sein sollte, finden sich häufig noch ganz andere Materialien. Trennen ist nicht mehr im Trend.

 
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"Wir Einsammler stehen hier tatsächlich vor einem komplexen Problem", sagt Detlef Zenk, Abfallberater am Landratsamt in Kulmbach. Im Landkreis sei im Jahr 1994 die Biotonne eingeführt worden. Bis 1998 sei die Qualität des gesammelten Biomaterials gut gewesen. "Aber ab dann ist es immer schlimmer geworden", schildert Zenk die Kulmbacher Erfahrungen.

Detektor sucht Fremdstoffe

Viel zu viel Restmüll sei in den Biotonnen gelandet. Die Trenndisziplin lässt mehr und mehr nach. "Die Leute gehen einfach den bequemsten Weg. Deshalb haben wir 1991 ein Detektionssystem eingeführt", sagt Zenk. Wenn der Detektor zum Beispiel auf Metall anschlägt, wird das Leeren der Tonne verweigert. "Seitdem wir das machen hat sich die Qualität des eingelieferten Materials wieder verbessert. Wer beim Biomüll schummelt, bekommt eine Rote Karte an die Tonne geklebt", erläutert Zenk. "Von 1000 Tonnen sind das vielleicht zehn."

Die Diskussion um Mikroplastik in biologischen Abfällen kennt man in Kulmbach. Dass kleinste Plastikteilchen bereits in der Nahrungskette angekommen sind, ist Zenk bekannt. Über Kompost können Kunststoffe in die Erde und ins Grundwasser gelangen. "Jeder hat es selbst in der Hand, diese Dinge nicht in den Biomüll einzubringen", sagt der Abfallfachmann.

Kunststoffe im Dünger

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Bayreuth hatte ergeben, dass sich im Kompost noch etliche Mikroplastikteile befinden. Die Wissenschaftler um Prof. Christian Laforsch (Tierökologie) haben aus Kompostier- und Biogasanlagen repräsentative Stichproben aus Fest- und Flüssigdünger entnommen. Die Bioabfälle stammten aus Industrie, Handel und Privathaushalten. Gefunden wurde Teilchen aus Polystyrol und Polyethylen: Materialien, die für Verpackungen von Lebensmitteln und Konsumartikeln verwendet werden. Kleinste Reste von Tüten, Beuteln und anderen Behältern, die fälschlicherweise in Biotonnen landen. In den organischen Abfällen aus Industrie und Handel in Biogasanlagen ließ sich ein hoher Polyesteranteil ausmachen. Was machen die Verbraucher falsch? "Der organische Abfall wird zusammen mit der Verpackung oder in einem Plastikbeutel verpackt weg geschmissen", vermutet Laforsch.

Eine Lösung könnten biologisch abbaubare Plastiktüten sein. "Sie sind aber umstritten", sagt Zenk. "Manche Kommunen lassen sie zu, andere nicht." Im Landkreis Kulmbach sind sie erlaubt, die Stadt Bayreuth und der Landkreis dulden sie nicht. Denn nicht alle Produkte aus biologisch abbaubarem Material (BAW) verrotten schnell genug. Sie können den technischen Ablauf stören, mit Kunststoffbeuteln verwechselt werden und den Nährstoffgehalt der Komposte beeinträchtigen. In Österreich würden derzeit biologisch abbaubare Klarsichtbeutel für Obst und Gemüse entwickelt, weiß Zenk. Sie dienten als Tragetaschen und später als Mülltüte. "Wir empfehlen allerdings Zeitungspapier und Papiertüten", sagt Zenk.

Rund 97 Prozent organisch

Eine im Winter 2017 und Frühjahr 2016 vorgenommene Biogutanalyse der Abfallberatung am Landratsamt Bayreuth ergab einen Anteil von 3,1 Fremdstoffen im Schnitt. Gefunden wurden verpackte Lebensmittel, Kunststoffbeutel, Glas, Steine, Porzellan, Metalle sowie Binden, Windeln, Gestecke, Textilien, Holz und Staubsaugerbeutel. Am Buchstein und in Pegnitz werden aus den Bio-und Grünabfällen Komposte erzeugt. Seit mehr als 20 Jahren würden sie das Gütesiegel der Bundesgütegemeinschaft Kompost erhalten, erklärt Abteilungsleiter Peter-Michael Habermann.

Das Sammelgut unterscheidet sich, je nachdem, wo es herkommt: "Während bei Ein- und Zweifamilienhäusern in ländlich-dörflicher oder kleinstädtischer Struktur sehr gute Sammelergebnisse erzielt werden, weisen in der Regel verdichtete innerstädtische Bereiche mit Mehrfamilienhäusern und Geschossbauten deutlich schlechtere Qualitäten auf." Die Gründe könnten schlicht Unkennntnis oder Desinteresse sein. Oder mit der größeren Anonymität in Städten und deren Sozialstruktur zu tun haben.

Buchstein: Anlage wird erneuert

Die Kompostierungsanlage Buchstein soll technisch erneuert werden, wie das Landratsamt Bayreuth mitteilt. Zusätzliche, aktuelle Verfahren sollen dann den Fremdstoffanteil weiter verringern. Wichtig sei, dass die Fremdstoffe nicht mit zerkleinert werden. "Probleme mit Kunststoffpartikeln im Endprodukt haben vor allem solche Anlagen, welche die Biotonneninhalte mit Fremdstoffen häckseln." Mehrfach im Kreislauf fahrende Siebüberläufe könnten ebenfalls zu Fremdstoffen in Komposten beitragen. Sollten Plastikanteile nicht aussortiert werden, seien die Komposte nicht verkaufsfähig.

3000 Tonnen Biomaterial sammelt der Landkreis Kulmbach Zenk zufolge jährlich ein. Der Biomüll wird nach Katschenreuth zur Kompost und Humus GmbH Eichner geliefert. Die Betreiber kennen die Plastik-Problematik, sagen aber: "Der Anteil ist verschwindend gering." Müllsäcke tauchten häufiger auf. Oder Hochglanzprospekte.

Teilchen, kleiner als ein Reiskorn

Der Bioabfall wird auf Belüftungsfeldern gelagert und gesiebt. Durch ein 25 Millimeter, dann durch ein 15 Millimeter Gitter, sagt Geschäftsführerin Heike Gunsenheimer. Teilchen, kleiner als ein Reiskorn, fallen durch. "Wir haben in fünf Jahren ein Mal etwas in der Größe eines Fingernagels gefunden."

Welche Folgen die Kunststoffe für den ökologischen Kreislauf haben, was sie mit Tieren und Pflanzen machen, ist wissenschaftlich noch nicht beantwortet. Die entsprechenden Analysemethoden und Nachweisverfahren fehlten. "Möglicherweise haben wir erst die Spitze des Eisberges entdeckt", sagt Laforsch. "Allerdings wurde bis dato von der Tiefsee bis zu Bächen und von den Tropen bis zu den Polen Kunststoffmüll nachgewiesen, so dass die Problematik eine globale ist."

Hintergrund

Die Bundesgütegemeinschaft Kompost mit Sitz in Köln vergibt das RAL-Gütezeichen für Qualitätskomposte. Dafür sind strenge Grenzwerte bei Hygiene, Pflanzenverträglichkeit und Schadstoffgehalt einzuhalten. Sie sollen als Dünger geeignet sein und die Bodenqualität verbessern. Ein Labor untersucht alle Vierteljahre die Komposte auf 30 Merkmale. Darunter sind der Fremdstoffgehalt oder der Anteil von Folien, woraus der Grad der Verunreinigung ermittelt wird. Wenn die Grenzwerte überschritten werden, darf das Produkt nicht im Garten oder in der Landwirtschaft verwendet werden. Dann endet es in einer Müllverbrennungsanlage.

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