Pferdemilch für Menschenkinder

Von Andrea Pauly

Pferde spielten schon immer eine Rolle im Leben von Katrin Grassler. Die 37-Jährige ist mit den Tieren aufgewachsen. Seit sieben Jahren sind die Haflinger auf ihrem Hof aber mehr als Partner für den Reit- und Kutschensport: Die Pferdezüchterin melkt ihre Stuten und verkauft die Milch.

 
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Der ungewöhnliche Nebenerwerb ist aus einem persönlichen Erlebnis entstanden: Sohn Toni kam vor acht Jahren mit der Hautkrankheit Neurodermitis zur Welt. Katrin Grassler und ihr Mann Matthias informierten sich und stießen im Internet auf Erfahrungsberichte, nach denen Stutenmilch die Krankheit lindern könne. „Wir haben dann tiefgefrorene Stutenmilch bestellt und es ausprobiert.“ Toni bekam täglich Stutenmilch. Nach einem Vierteljahr war Katrin Grasslers Sohn beschwerdefrei, „und das ist bis heute so geblieben.“

Von der Pferdepension zum Stutenmilchbetrieb

Was ihrem Sohn geholfen hatte, sollte auch anderen helfen. Und so stellte Katrin Grassler den Hof von einer Pferdepension auf einen kleinen Stutenmilchbetrieb um, in dem auch ihre Eltern Ilse und Wolfgang Schuhmann mitarbeiten.

Pro Tag und Stute zwei bis drei Liter

Morgens trennt sie die Fohlen von ihren Müttern – der „Kindergarten“ für die Fohlen ist durch ein Gatter vom großen Laufstall der Mamas abgeteilt. Gegen 11 und 13 Uhr werden die Stuten gemolken, pro Tag und Pferd etwa zwei bis drei Liter. Die restliche Milch, etwa 17 Liter pro Stute, gehört dem vierbeinigen Nachwuchs.

Die Fohlen dürfen zugucken

Zum Melken nutzt Katrin Grassler eine kleine Melkmaschine, die auf einem Rollwagen steht. Das Brummen stört die Pferde überhaupt nicht: Sie fressen während des Melkens ihren Hafer und müssen nicht einmal angebunden werden. Beim zweiten Durchgang dürfen die Fohlen zu ihren Müttern in den Melkstand. Danach bleiben Stuten und Fohlen bis zum nächsten Morgen zusammen.

Sofort in die Tiefkühltruhe

Nach dem Melken filtert Katrin Grassler die Milch, füllt sie in Viertelliter-Flaschen ab und lässt sie bei minus 18 bis minus 23 Grad gefrieren. „So ist die Milch ungefähr ein Jahr haltbar.“ Aus einem Teil der Milch lassen die Grasslers Creme und Seife produzieren.

Nach einem halben Jahr ist Schluss

Wenn die Fohlen etwa ein halbes Jahr alt sind, werden sie verkauft. Dann hören die Grasslers auch auf zu melken und bei den Pferdemamas versiegt die Milch. Bis die nächsten Fohlen auf der Welt sind, ist der tiefgekühlte Vorrat meistens schon vergriffen.

Der Muttermilch am ähnlichsten

„Die Stutenmilch hat weniger Fett und andere Bestandteile als die Milch von anderen Tieren. „Stutenmilch ist der menschlichen Muttermilch am ähnlichsten“, sagt Katrin Grassler.  „Sie hat mit Kuh-, Schaf- oder Ziegenmilch fast nichts gemeinsam.“ Deshalb könnten sie auch Säuglinge trinken. Gekauft wird sie vor allem von Menschen mit Hautkrankheiten wie Neurodermitis und Schuppenflechte, mit Magen-Darm-Problemen, aber auch von Patienten nach der Chemotherapie.

Das sagt die Wissenschaft

Dass Stutenmilch gegen Neurodermitis hilft, wird immer wieder postuliert“, sagt Dr. Ina Haendle, Fachärztin für Dermatologie und Allergologie am Klinikum Bayreuth. Aber: „Es gibt keine wissenschaftlichen Studien, die eine Wirksamkeit hundertprozentig belegen.“ Bei der  Anwendung auf der Haut habe Stutenmilch einen rückfettenden Charakter. „Das empfinden viele Patienten als angenehm.“ Stutenmilch zu trinken, hat ihrer Meinung nach keinen durchschlagenden Effekt auf den Zustand der Haut. Und: Dass Stutenmilch Neurodermitis heilen könne, sei nicht belegbar.

Zu anderen Ergebnissen kommt eine Befragung der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Danach könne regelmäßiges Trinken von Stutenmilch die Symptome von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen sowie Hautkrankheiten deutlich lindern. Positive Effekte sahen in der Befragung drei Viertel der Konsumenten mit Darm-, Atemwegs-, Leber-, Krebs-, Herz-Kreislauf- und anderen Erkrankungen.

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