Operation in Bayreuth Massai-Jungen das Überleben sichern

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BAYREUTH. Er hat sich nicht viel dabei gedacht. Safari hat ein Starkstromkabel aufgehoben. Ohne zu wissen, was da passieren kann. Das hat den zwölfjährigen Massai-Jungen aus Tansania fast das Leben gekostet

 
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Ihm mussten beide Unterschenkel und der rechte Arm amputiert werden. Dr. Jürgen Dolderer, Privatdozent und Chefarzt für Plastische Chirurgie am Klinikum Bayreuth, will dem Jungen jetzt auch das Überleben in der Zukunft sichern. Das bedeutet einen riesigen Aufwand, das kostet viel Geld.

Ärzte regelmäßig in Afrika

Der Mediziner versucht, neutral zu bleiben, cool zu wirken. Doch zwischen den gesprochenen Worten ist sie immer wieder hörbar. Diese persönliche Betroffenheit. „Das lässt dich nicht los“, sagt er irgendwann. Dolderer ist seit mehr als 20 Jahren für die Organisation Interplast aktiv, „seit 15 Jahren intensiv“, wie er sagt. Inzwischen vor allem im Bombo Hospital in der Hafenstadt Tanga. Ein ehrenamtliches Engagement, für das er zwei Wochen seines Urlaubs hergibt. Erst kürzlich war er wieder mit einem 13-köpfigen Team in Afrika. Da war zunächst das „normale“ Programm: die Behandlung von akuten Verbrennungen oder deren Folgen, von Tumoren, von großen Verletzungen, von Lippen-, Kiefer- und Gaumenspalten. Weit mehr als 100 Eingriffe gilt es da in der Regel zu bewältigen, die einheimischen Ärzte haben dabei im Vorfeld ausgewählt, welche Patienten einer besonderen Betreuung bedürfen. Einer Betreuung, die mit den Mitteln vor Ort nicht zu bewältigen ist.

Safari wurde ausgestoßen

Das gilt auch für Safari. So tragisch seine Verletzungen sind – noch viel tragischer ist sein familiäres Schicksal. Das habe mit dem kulturellen Erbe der Massai, eines Nomadenvolks, zu tun, sagt Dolderer: „Auch wenn uns das völlig unverständlich erscheinen mag – wer nicht mehr funktioniert, wer nicht eigenständig überlebensfähig ist, wird ausgestoßen.“ Immerhin: Der Zwölfjährige hat eine Bezugsperson. Seinen Bruder. Der ist 22, hat seinen Job aufgegeben und sich in Tanga einen neuen gesucht. Damit er in Safaris Nähe sein kann. Denn das Gesundheitswesen in Tansania verdient diese Bezeichnung nur bedingt. Armut und Geldmangel prägen das Land. Daher müssen die Angehörigen die Patienten selbst mit Essen und Trinken versorgen, müssen sie bei Bedarf auch füttern. Auch der Bruder wurde übrigens von der Familie ausgeschlossen. Weil er zu Safari gehalten hat, weil er ihn nicht aufgeben wollte.

Hilfsaktion kommt ins Rollen

Dolderer und sein Team haben Safari – er liegt seit vier Monaten in der Klinik von Tanga – fürs Erste versorgt, „doch er muss noch mindestens drei- bis fünfmal operiert werden“, sagt der Bayreuther Arzt. Um die Funktionsfähigkeit seiner Kniegelenke zu erhalten. Nur dann wird es ihm möglich sein, sich mit der Hilfe von Prothesen bewegen zu können. Dazu sind unter anderem auch Gewebetransplantationen nötig, „dafür fehlen in Tanga die Mittel“, sagt Dolderer. So kam eine Hilfsaktion ins Rollen. Eine Aktion, die Frank Schmälzle, Sprecher des Klinikums, auch ein wenig zu seiner eigenen gemacht hat. Auch hier spielt persönliche Betroffenheit eine wichtige Rolle. Umso glücklicher stimmt ihn, „wie schnell das angelaufen ist, wie wenig wir dafür werben müssen“. Die Geschichte des Massai-Jungen spreche sich rasch herum, „die Menschen kommen von sich aus auf uns zu“. Das begeistert auch Markus Ruckdeschel, BRK-Kreisgeschäftsführer. Spontan habe man sich entschlossen, da mitzuwirken, da zu helfen: „Wir werden uns zum Beispiel um den Transport des Jungen vom Zielflughafen nach Bayreuth kümmern.“

Viel Hilfsbereitschaft

Um den Flug will sich der Flugdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) kümmern. Ideal wäre ein Linienflug, damit nicht mehrere Tankstopps eingelegt werden müssen, „das wäre natürlich alles andere als gut für den Jungen“. Aber so leicht sei das nicht zu organisieren, „das DRK hat da viel Erfahrung, was die Rückführung von Kranken angeht“. Doch da ist noch mehr. Da geht es um richtig viel Geld. Das Unternehmen Reha-Team aus Bayreuth hat schon jetzt ohne Wenn und Aber zugesagt, sämtliche Hilfsmittel – Stichwort: Prothesen – kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Stadt Bayreuth und das Ausländeramt stehen nicht nur für die benötigte Aufenthaltsdauer zur Verfügung. Sondern wollen sich auch um eine Unterkunft für Safaris Bruder kümmern, der mit nach Deutschland reisen soll. „Eine Ergotherapeutin hat ihre Hilfe angeboten, das finde ich toll“, so Schmälzle. Ruckdeschel ergänzt: „Ein Sprachlehrer für diese Zeit für beide wäre auch nicht schlecht.“

Spenden werden gebraucht

Bleiben die Kosten für die Operationen. Jürgen Dolderer geht von 40 000 bis 50 000 Euro aus. Angesichts der bereits erfolgten Hilfsbereitschaft hoffen die Initiatoren jetzt auch auf eine hohe Spendenbereitschaft. Sollte das Geld am Ende nicht ausreichen, „dann stemmen wir das auch, die Zusage steht“, so Klinikumssprecher Schmälzle. Der Anfang ist also gemacht, auf breiter Basis. Ziel ist es, den Massai-Jungen spätestens in der letzten August-Woche nach Bayreuth ausfliegen zu können. Darauf hoffen auch Dolderer und Ruckdeschel. Und immer noch ist sie spürbar, diese ganz persönliche Berührtheit.


Info: Wer dafür spenden will, dass der kleine Safari wieder buchstäblich auf die Beine kommt, kann dies unter diesem Spendenkonto tun: Rotes Kreuz, Kreisverband Bayreuth, Konto DE 28 7735 0110 0009 0194 07 bei der Sparkasse Bayreuth. Wichtig ist der Verwendungszweck: „Hilfe für Tansania“.

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