Oberfrankens Polizeipräsident Reinhard Kunkel zu Terrorgefahr, Sicherheitskonzept und Personalnot "Wir wollen keine Polizei-Festspiele"

Bayreuths Polizeipräsident Reinhard Kunkel. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Reinhard Kunkel ist als Oberfrankens Polizeipräsident der Chef von rund 2200 Polizisten. Vor ihm und seinen Kollegen liegen 30 Festspieltage am Grünen Hügel und der Auftrag, die so sicher wie möglich zu machen. Es ist ein Auftrag im Zeitalter des Terrors. „Wir wollen Wagner- und keine Polizei-Festspiele“, sagt er im Interview mit dem Kurier.

 
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Kurier: Wie geht es einem Polizeipräsidenten in einer Zeit des Terrors?

Reinhard Kunkel: Nun ja. Es geht ja nicht immer um Terror, wir müssen mit unseren Kräften auskommen. Wir haben Fußballspiele und andere Feste, wir haben den Alltagsdienst zu meistern, dazu kommt nun auch noch die Soko Peggy – wir können uns nicht nur auf eine Sache konzentrieren, um Sicherheit zu gewährleisten.

Der Bürger scheint momentan nur die Terror-Gefahr zu sehen.

Kunkel: Wir sehen eben noch vieles andere und müssen auch da Präsenz zeigen: Das Spektrum reicht von der Gefahrenabwehr, etwa dem Schutz von Asylbewerberunterkünften, Ermittlungen unter anderem im Bereich Wohnungseinbruchskriminalität, Straßenverkehrsüberwachung, Unfallaufnahmen über Verkehrserziehung bis hin zur Bearbeitung von Notrufen. Im Schnitt haben wir 300 Notrufe pro Tag abzuarbeiten. Manchmal ist es mit einem Gespräch getan, oft aber ziehen die Sachbearbeitungen nach sich.

Sie müssen also Schwerpunkte setzen.

Kunkel: Ja.

 Das klingt schwierig.

Kunkel: Ist es auch. Paris hat 2015 gezeigt, dass nicht nur besondere Veranstaltungen im Fokus stehen, sondern dass das Ziel des islamistischen Terrors das normale Leben ist.

Was meinen Sie konkret?

Kunkel: Das kann bei uns ein Oktoberfest oder eine Sportveranstaltung sein. Erinnern Sie sich an das Fußballspiel in Hannover – es wurde abgesagt, weil es Hinweise auf einen möglichen Anschlag gegeben hat. Jetzt haben wir die Vorfälle in Nizza und Würzburg…

 …die aber vom Sachverhalt her unterschiedlich waren.

Kunkel: Ja, vollkommen richtig. In Nizza traf der Attentäter an einem Jahrestag die westliche Welt. Noch dazu konnte er sich der medialen Aufmerksamkeit  sicher sein: Innerhalb kürzester Zeit wurden in den sozialen Netzwerken die Bilder des Attentats in die ganze Welt versendet. Mit der Attacke im Zug nahe Würzburg haben wir erlebt, wie schnell sich ein junger Mensch radikalisieren kann. Keiner konnte sich bislang ausmalen, dass so etwas auf dem Land passiert.

Das klingt, als ob Sie aus den Erfahrungen lernen würden – heißt das, Sie sind immer hinten dran?

Kunkel: Es ist unsere Ziel, in die Vorlage zu kommen. Das ist schwierig, weil der Täter vielfältige Instrumente und Faktoren für sich nutzen  kann. Und dies sind die Zeit, der Raum und Kommunikationsmittel, die wir als Polizei nicht immer lückenlos überwachen können, weil wir uns an Recht und Gesetz halten müssen.

 Also ist die Demokratie schutzlos?

Kunkel: Nein. Aber die Demokratie braucht auch Instrumente, damit die Polizei den Schutzauftrag gewährleisten kann. Das beginnt mit Ausweis- oder Taschenkontrollen, geht über Wohnungsdurchsuchungen und der Kontrolle der Kommunikationsmöglichkeiten wie das Internet – alles natürlich auf rechtsstaatlicher Basis mit entsprechenden Beschlüssen. Gerade jetzt im Fall Würzburg wird viel diskutiert, ob wir den jungen Mann als Täter hätten erkennen können.

Und? Hätten Sie?

Kunkel: Wir können nicht Alles und Jeden überwachen – und das wollen wir auch nicht. Das ist schlicht nicht zu leisten. Und aus meiner Sicht sollte  ein gesellschaftlicher Konsens darüber bestehen. Der Bürger sollte jetzt genau hinschauen, ob sich jemand hinsichtlich einer Radikalisierung verändert – und uns dann informieren.

Wären Sie denn ausreichend aufgestellt, um so eine Attacke vielleicht zu verhindern?

Kunkel: Wir haben die Lage mit Arbeitsgruppen aufgearbeitet. Und uns natürlich gefragt: Sind wir ausreichend aufgestellt, um gegen solche Vorfälle gewappnet zu sein. Wir haben dargelegt, was wir brauchen – auch gegenüber unserem Dienstherren.  

 Lassen Sie mich raten: Es geht ums Personal.

Kunkel: Ja, das ist die entscheidende Frage, wenn zusätzlich zu unserer Arbeit diese Phänomene dazukommen. Und auch: Wo setze ich das Personal ein? Brauchen wir vordringlich Spezialkräfte oder sofort mehr Beamte auf der Straße? Das ist sehr komplex. Der Innenminister sieht die Anforderungen, die die Polizeiverbände in ganz Bayern brauchen, der Landtag hat in der letzten Zeit auch neue Stellen bewilligt. Wir wünschen uns noch mehr Personal um das Aufgabenspektrum professionell bewältigen zu können.

Haben wir dann die absolute Sicherheit?

Kunkel: Die gibt es nicht. Die Polizei kann nicht überall sein. Vor allem dann nicht, wenn wir uns jetzt noch um Aufgaben kümmern, die auch andere erledigen könnten.

Das wäre?

Kunkel: Die Begleitung von Schwertransporten zum Beispiel. Das muss kein Beamter machen, das kann ausgebildetes Personal auch übernehmen. Aber das würde uns entlasten. Wie es uns auch entlastet, wenn Veranstalter zum Teil für Sicherheit sorgen, beispielsweise mit Ordnungs-Diensten.

Das ist ein Punkt im Sicherheitskonzept auf dem Grünen Hügel. Es wurde ein privater Ordnungsdienst eingeschaltet, der das Gelände überwacht.

Kunkel: Die Festspiele sind eine besondere Veranstaltung. Vom Publikum selbst geht keine Gefahr aus, das sind Gäste, die die Kultur genießen wollen. Dementsprechend abgestuft und sensibel müssen unsere Schutzmaßnahmen sein. Es geht darum, die Gefahr von außen abzuwehren. Das ist ein Einsatz, in dem wir vom Auftreten der Polizei in Anzahl und Art in besonderer Form im Fokus stehen. Aber: Wir wollen keine Polizeifestspiele – wir wollen Wagner.

Dennoch müssen Sie präsent sein, vor allem bei der Premiere und dem anschließenden Staatsempfang im Neuen Schloss. Wie wollen Sie denn den Hofgarten sicher machen?

Kunkel: Es wird keine Zäune geben. Die natürlichen Sperren wie Gärten oder Mauern integrieren wir in unser Konzept. Trotzdem werden sich Polizisten auch außerhalb des Bereiches bewegen und gegebenenfalls kontrollieren. Aber das ist nicht neu.

Was ist denn neu?

Kunkel: Unser Konzept war schon immer gut. Heuer werden wir mehr Beamte haben, die grundsätzlich die gleichen Aufgaben wie in den letzten Jahren machen.

 Neu ist aber beispielsweise, dass größere Taschen oder Sitzkissen nicht mitgenommen werden dürfen.

Kunkel: Da haben wir jetzt eine gute Absprache mit dem Veranstalter getroffen: Rucksäcke oder größere Taschen können am Taxistand abgegeben werden. Wenn wir nun eine Tasche durchsuchen müssten, geschieht das außerhalb des Festspielhauses und der Betrieb wird nicht gestört.

Es hat viel Kritik am Sicherheitskonzept gegeben, es sei zu rigide.

Kunkel: Das ist subjektiv. Ein anderer mag sagen: Ich bin froh, dass die Polizei es ernst nimmt. Rechtmachen können wir es niemandem. Als Maßstab haben wir unsere Lagebeurteilungen, die sich dadurch speist, dass wir alle Erkenntnisse, die es rund um eine solche Veranstaltung geben kann, sammeln.

Also Daten des Landes- und Bundeskriminalamtes und des Verfassungsschutzes?

Kunkel: Ja.

Und was sagt die Lage?

Kunkel: Derzeit kann ich mit gutem Gewissen sagen: Es gibt keinerlei Hinweise, dass Bayreuth oder diese Veranstaltung gefährdet ist.

Es ist nicht davon auszugehen, dass der Terrorismus in Kürze abebbt. Wie soll es künftig laufen mit der Sicherheit in Bayreuth?

Kunkel: Nach den Festspielen wird es eine Einsatznachbereitung geben, an der die Stadt Bayreuth und der Veranstalter teilnehmen werden. Die Manöverkritik wird ergeben, was gut war, was nicht, was angepasst werden muss.

Trotz Ihrer Aussage, dass es derzeit keine Hinweise auf eine Gefährdung gibt, ängstigen sich viele, weil der Terrorismus unsichtbar bleibt, bis er sein blutiges Wesen offenbart.

Kunkel: Ja, es ist außerordentlich schwierig, weil sie oft einem Menschen nicht ansehen, dass er sich radikalisiert hat. Deshalb ist es notwendig, dass unsere Kräfte dahingehend  sensibilisiert und ausgebildet werden: Was passt jetzt nicht ins Schema? Was ist an einer Situation ungewöhnlich? Warum trägt jemand z.B. im Hochsommer einen langen, dicken Mantel? Warum sitzt dieser Mann seit langem im Auto und beobachtet etwas? Da sind wir auch auf die Bevölkerung angewiesen. Schauen Sie hin. Und dann rufen Sie die 110 an. Das ist immer noch die schnellste Möglichkeit, um uns auf den Plan zu rufen, um eine solche Situation abzuklären.


Die Fragen stellte Susanne Will

 

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