New Beer Generation: Die IPA-Pioniere

Von Kerstin Fritzsche
Luke Kennedy (links) liefert auch selbst aus. Mark Zunkel hat eigentlich einen anderen Hauptjob, aber braut, wenn es geht, am Wochenende für "New Beer Generation". Fotos: privat Foto: red

Als die beiden Amerikaner Luke Kennedy und Mark Zunkel entschieden, eigenes Bier in Franken zu brauen, amerikanisches Bier, und eine Bierbar aufzumachen, da wurden sie von ihren Freunden für verrückt erklärt. Reich werden sie mit ihrer Mikro-Brauerei New Beer Generation und der Bar "Mr. Kennedy" zwar nicht. Aber heute sind sie mit "NBG", wie ihr Unternehmen abgekürzt heißt, die Vorreiter der Craftbier-Bewegung in Mittelfranken.

 
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Die beiden Amerikaner Luke Kennedy und Mark Zunkel lernten sich in Deutschland kennen. Luke war nach München der Liebe wegen gekommen, und Mark wollte in Weihenstephan studieren. Nach ein paar Jahren verschlug es die Beiden nach Nürnberg, wo sie vor zwei Jahren mit Anfang 30 unter New Beer Generation (kurz NBG - was genauso auch für "Nürnberg" stehen kann) zu brauen begannen und eine Bierbar in der Altstadt etablierten, das "Mr. Kennedy". Es ist nicht gelogen, wenn man sagt, Mark und Luke haben das India Pale Ale in Nürnberg salonfähig gemacht und für hopfige Bier-Vielfalt neben der fränkischen in Mittelfranken gesorgt.

Der Traum von der eigenen Brauerei

Luke wollte zwar schon immer seine eigene Brauerei haben. Aber dass es dann wirklich so kommen würde, daran hatte er eigentlich doch nicht wirklich geglaubt. "Als ich anfing mit dem Brauen, dachte ich immer noch, irgendwann in die USA zurückzugehen und dort einfach German Style Beers zu machen. Aber dann kam das Erstarken der Craftbier-Szene. Und obwohl ich deutsches Bier liebe, - es ist das beste Bier der Welt - , muss ich sagen, dass es in manchen Bereichen schon etwas vermissen lässt. Ich stieg immer tiefer in die Craftbier-Szene ein. Noch vor fünf Jahren gab es davon ja kaum was in Deutschland, das war noch total unbekannt. Kreativbiere gab's höchstens in München und Berlin. Aber nicht in Nürnberg. Und dann war der Gedanke da: Warum nicht American Style Bier in Deutschland machen?"

Foto: NBG

 

Freunde zweifelten an den Vorhaben

Bevor Luke und Mark loslegten, erzählte Luke Freunden von der Idee. "Irgendwann war ich es aber leid, denn sie lachten einfach nur", erzählt er. Das war vor ungefähr zwei Jahren. " selbst unsere Freunde fanden die Idee mit der eigenen Brauerei komisch, sie fanden die Idee mit dem American Style Bier komisch, und am komischsten fanden sie die Idee mit der Bierbar. Einige sagten zwar Dinge wie 'Ja, Mann, verwirkliche deinen Traum!', aber du sahst genau, dass sie totale Zweifel an unseren Ideen hatten. Und jetzt vergessen das unsere eigenen Freunde, dass sie mal gezweifelt haben. Weil es völlig normal geworden ist, dass es hier Craftbier gibt."

Und wie ist das so, als Pionier auf dem Gebiet in Mittelfranken? "Es ist auf jeden Fall sehr aufregend für uns, zu den Ersten hier zu gehören. Ich finde das auch immer noch ein wunderbares Erlebnis, wenn Menschen beispielsweise in unsere Bar kommen und zum ersten Mal ein IPA trinken", so Luke. "Sie wissen nicht, was es ist, und auch wenn sie es zuerst nicht mögen, so wird das IPA dann doch meistens ihr Freund. Ich finde es immer noch faszinierend, ihre Gesichter dabei zu sehen. Ich ermutige sie, aber man kann keinen zwingen. Es ist dann schön zu sehen, dass sie zurückkommen und dasselbe wieder bestellen.

Wahnsinn, wie schnell sich da Leute öffnen. Auch wenn es ihnen nicht schmeckt, geben sie der Sache noch eine zweite Chance und trinken halt ein anderes, zweites IPA. In dieser Bar habe ich in diesem Jahr vor allem IPA verkauft."

Archivfoto: dpa

 

Gebraut wird vor den Toren Bambergs

Mit der Bar ist das kleine "Mr. Kennedy" in der Nürnberger Altstadt gemeint. Hier arbeitet Luke meistens alleine, denn Mark hat noch einen Brotjob bei Joh. Barth & Sohn, dem großen Hopfen-Händler in Nürnberg. Natürlich kommt ihm sein Job bei New Beer Generation auch wieder zugute und umgekehrt.

Wie viele Mikro-Brauer haben die Beiden keine eigene Brauerei. Sie brauen auf einem Kaspar-Schulz-System vor den Toren von Bamberg. Ein eigenes System können sie sich freilich nicht leisten. "Am Anfang dachte der Braumeister, wir sind verrückt, dass wir so viel Hopfen da reingeben", sagt Mark lachend. "Am Anfang war das noch neu, auf einer fremden Anlage brauen, wenn sie gerade nicht vom Besitzer genutzt wird. Inzwischen machen das ja viele neue Craftbrauer, und die Brauereien, gerade hier in Franken, haben damit eine bestmögliche Auslastung. Quasi eine Win-win-Situation."

"Nach wie vor eine Riesen-Investition"

Mit "New Beer Generation" haben Luke und Mark sich schon überregional Aufmerksamkeit geschaffen. Aber der Anfang war sehr mühsam, und auch jetzt wünschen sich die Beiden sich immer noch mehr Bekanntheit, vor allem in ihrer Wahl-Heimat Nürnberg selbst.

"Wir kommen jetzt schon klar, aber es ist eine Rieseninvestition, vor allem eine Zeit-Investition. Als wir anfingen, gab es gar nichts, keinen Markt, du musstest selbst zu den Kneipen und Bars gehen und schauen, ob sie interessiert sind, unser verrücktes Bier zu verkaufen, ob sie überhaupt dürfen, weil viele Gaststätten ja Brauerei-gebunden sind mit Verträgen, ob sie sich darauf einlassen, weil Craftbier ja mehr kostet als das herkömmliche Bier", erklärt Luke. "Wir waren uns auch nicht sicher: Würde das funktionieren ausgerechnet in der Region mit der höchsten Brauerei-Dichte, wo die Menschen mehr als 'ausgelastet' sind mit Bier-Vielfalt. Und mit der Tradition im Nacken, weil viele ja eine Brauerei und eine Gaststätte seit 200 Jahren oder mehr haben."

"Wir wussten, dass eine Bierbar funktionieren würde"

Auch das Vorhaben Bierbar sei nicht einfach gewesen. Luke runzelt die Stirn, wenn er von den Anfängen erzählt: "Was man dafür alles haben muss, auch hier die Bier-Vielfalt - wenn du zehn Biere anbietest, musst du sie entsprechend vorrätig haben und all so was. Einfach eine große Investition, in jedem Sinne, ein großes unternehmerisches Risiko. Aber weil wir das Brauen zuerst gestartet haben, kannten wir den Markt und sahen, was da für Möglichkeiten lauern. Es war für uns keine Frage, dass eine Bierbar funktionieren würde. Und es hilft natürlich auch unserer eigenen Marke. Und umgekehrt."

Aber nicht nur die Bar ist eine Invenstition, auch das Brauen geht ins Geld: "Wir nutzen vielleicht 20 Mal mehr Hopfen als andere, deutsche Brauer, wir nutzen verschiedene aus aller Welt, und die kosten teilweise natürlich auch mehr. Und wenn du das neu machst, für einen neuen Markt, dann ist das auch schwierig zu kalkulieren", sagt Mark.

Vorteile als Amerikaner

Natürlich hätten sie aber auch einige Vorteile dadurch, dass sie Amerikaner sind: "Wir kennen die Szene, kennen die Hopfen-Sorten." Und Luke ergänzt: "Mark sowieso durch seinen Job. Wir wissen direkt, wenn etwas neu ist und können es nutzen. Es ist aufregend, wenn du der Erste bist, der beispielsweise mit einer neuen Hopfen-Sorte experimentiert."

Foto: dpa

 

Zum Schluss haben wir Mark und Luke noch gebeten, ein paar Fragen zu beantworten:

Was war euer erstes Bier und wann?

Mark Zunkel: Mein erstes Bier war ein Coors Banquet Original der Coors Brewing Company in Golden in Colorado, die damals größte Brauerei der Welt. Ich bin nur 30 Autominuten in Boulder zur Uni gegangen. Wahrscheinlich war ich 12 oder 13. Aber meine beste erste Erinnerung an Bier ist, wie ich in Regensburg im Spital-Biergarten gesessen und ein Helles getrunken habe. Total tolle Location, exzellentes Bier!

Luke Kennedy: Mein erstes Bier war vermutlich, wie soll es in den USA anders sein, ein Budweiser. Aber das erste Bier, das ich genossen habe, sofern ich mich erinnere... da war ich in einer Brauerei-Gaststätte in Maine und habe ein Sea Dog getrunken. Zu dem Zeitpunkt hab ich Bier noch nicht mal sehr gemocht. Ich bin da rein, hab in die Karte geguckt, wusste nicht, was ich nehmen sollte. Freunde haben mich beraten und gesagt, ich soll doch ein leichtes nehmen, wenn ich Bier eigentlich nicht so mag. Aber ich dachte, wenn schon, dann will ich mein Geld vernünftig ausgeben und bestellte das Stärkste von der Karte, das war ein Bock-Bier, also nach deutscher Bockbier-Art. Ich hab dann einen Schluck genommen und merkte, ich habe die falschen Freunde. So entdeckte ich, dass Bier nicht grundsätzlich das Problem war, sondern ich hatte immer nur Biere getrunken mit so wenig Geschmack. Viel zu wenig Geschmack!

Das mit dem Bier war so wie mit dem Kaffee früher: einfach kein Geschmack, zu wässrig. Aber Bier soll dich betrunken machen und Kaffee soll dich wach halten. Hey, ich wusste lange nicht, das die Getränke ihre Aufgabe nicht erfüllen und es anderes gibt! 

Lieblingsbier und -stil:

Mark: Ich bin ein Hophead. Ich mag IPA. Vielleicht noch ein paar saure Biere. Aber definitiv IPA! Du hast auch hier so viele Möglichkeiten: Session IPAs, Double IPAs, … Da interessiert mich auch sehr, wie andere Leute Hopfen einsetzen für diese Vielfalt. Ein Lieblingsbier hab ich nicht, bzw. das wechselt alle sechs Monate.

Luke: Jeder sagt heutzutage: IPA. Wenn es wirklich gut ist, sag ich auch: IPA. Aber wenn nicht, wenn es nicht perfekt ist, dann lieber ein Stout. Lieblingsbier ist schwierig, ich langweile mich schnell. Wenn ich nur eine Antwort darauf hätte! Das ist wie der Surfer auf der Suche nach der perfekten Welle. Wann hast du die perfekte Welle? Du gibst nicht auf und suchst immer weiter, weil du denkst, es geht immer noch besser. Du willst immer noch eine.

Warum Bier?

Luke: Ich hab mich das erst letztens gefragt, warum meine Leidenschaft ausgerechnet für Bier ist. Ich denke, ein Großteil der Antwort liegt in meiner Erfahrung in Europa, in Deutschland, mit deutschem Bier. Ich bin für ein Mädchen hergekommen und habe mich in Bier verliebt. Und diese ganze Kultur drum herum. Bei uns war Biertrinken ja weitestgehend verboten. Ich habe mich dann auch für die Kulturgeschichte von Bier zu interessieren angefangen. Bier hat auch mit Wissenschaft zu tun, ich liebe Wissenschaft, ich liebe, dass Bier Gemeinschaft erzeugt, also ist Bier insgesamt für mich das perfekte Produkt, was alle möglichen Dinge vereint, die ich mag und mit denen ich mich auch beschäftige. (Anm. d. Red.: Die Liebe zu dem Münchner Madl hielt aber auch ein paar Jahre.)

Mark: Bier ist eins der ersten alkoholischen Getränke, die man trinkt. Es ist wissenschaftlich gesehen total interessant. Du fügst Hopfen zu und hast diese wahnsinnige Bandbreite an Geschmack, die du erzeugen kannst, das geht mit Wein, Gin und so nicht. Es geht farblich von fast durchsichtig bis zu tiefschwarz, von alkoholfrei bis zu Stärken von bis zu 12-13 % Alkohol. Jeder kann es sich leisten, fast überall. Es gibt es überall, man weiß, was man bekommt für sein Geld, etwa im Gegensatz zu einem Cocktail in einem Club. 

Mit wem würdet ihr gerne mal zusammen brauen?

Mark: Ganz viele. Aber ich habe jetzt keinen konkreten im Kopf. Es müsste jemand sein, mit dem wir NBG weiterbringen können, etwas ganz Neues mal machen.

Luke: Ich würde jemanden wählen, der vom Stil her was macht, mit dem ich null vertraut bin. Also ich denke da an Cantillon in Brüssel. Ja, es müsste einen interessanten Mix mit unserem Bier geben. Aber da würde das perfekte Bier viel zu lange brauchen, wenigstens zwei Jahre.

Das Reinheitsgebot ist für mich:

Mark: ... ist eine tolle Sache für Deutschland und präsentiert eine tolle Tradition. Aber ich würde mir wünschen, dass es so interpretiert wird, dass nur natürliche Zutaten genutzt werden, also im Sinne eines Natürlichkeitsgebotes und nicht so streng wie es jetzt immer noch ausgelegt wird. Also warum nicht, siehe Fränkische Schweiz, erlauben, dass etwa Kirschen aus der Region ins Bier dürfen?

Luke: ...toll mit seiner Tradition, aber leider oft manipuliert worden von größeren Brauereien, um sich dem Markt anzupassen, also ich meine die Nutzung von anderem als Wasser, Hopfen und Malz, dass man filtern kann, PVPP, … Ich gehe sogar so weit, dass ich sage, ein Hefeweizen hat für mich auch nichts mit dem Reinheitsgebot zu tun, denn das ist Weizen. Und den wollte man ja früher schützen. Auch Hefe gehörte ja ursprünglich nicht dazu, weil man sie noch nicht kannte. Das Reinheitsgebot kann ja ruhig bleiben, aber kleine und neue Brauereien sollten nicht diesen Restriktionen unterliegen. Das ist auch konsumentenfreundlicher, man kann ja aufklären darüber, was drin ist, und es ist toll, wenn ein Getränk rein ist in dem Sinne, dass es nur aus drei natürlichen Zutaten besteht, da kann man schon stolz drauf sein. Aber das würde für mich daneben eben auch heißen, dass Bier nicht gefiltert werden darf und man andere Mittel nicht einsetzt – oder sie ebenfalls deklariert. 500 Jahre ist lang, und das ist toll, aber eigentlich auch nichts, weil es Bier schon so lange gibt, wie es Zivilisation gibt. Vor Hopfen hat man mit Kräutern und so gebraut, warum soll das jetzt verboten sein?

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