Harald Rupprecht
Im Durchschnitt müssen Nierenkranke in Deutschland sieben bis neun Jahre warten, bis sie ein Spenderorgan bekommen“, sagt Harald Rupprecht, Chefarzt der Klinik für Nephrologie und Stellvertreter des Ärztlichen Leiters am Klinikum Bayreuth.
Das Klinikum erhielt dieses Jahr den Bayerischen Organspendepreis für besonderes Engagement, fünf Organentnahmen gab es hier 2016.
Wartezeit wird länger
Tendenziell werde die Wartezeit auf Spenderorgane immer länger. Denn die Zahl der Organspender ist in den vergangenen sechs Jahren um 30 Prozent gesunken. 615 Spender zählte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) in den ersten drei Quartalen 2017, im Vergleichszeitraum 2011 waren es noch 900.
Weitaus am häufigsten transplantiert werden Nieren. 2014 waren nach Rupprechts Angaben bundesweit 1400 Nieren zu verteilen, aber 8000 Patienten standen auf der Warteliste und mehr als 80.000 Kranke hingen an der Dialyse. „Täglich sterben drei Patienten auf der Warteliste“, sagt Rupprecht.
Das Transplantationgesetz sollte vor 20 Jahren die Zahl der Organspender eigentlich erhöhen. Doch die beschlossene „erweiterte Zustimmungsregelung“ erwies sich als hohe Hürde. Demnach war eine Organentnahme nur möglich, wenn ein Verstorbener zu seinen Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hatte. Hatte er sich nicht geäußert, konnten die nächsten Angehörigen der Entnahme aufgrund seines mutmaßlichen Willens zustimmen.
Seit dem Jahr 2010 geht
es bergab
Die Zahlen nach Inkrafttreten des Gesetzes blieben im europäischen Vergleich bescheiden: 1998 wurden 1111 Organspender registriert, der Höchststand war 2007 mit 1313 Spendern. Nach dem Jahr 2010 ging es aber stetig abwärts – auf nur noch 857 im vergangenen Jahr.
In Deutschland kommen auf eine Million Einwohner zehn Spender, in Spanien, Kroation oder Portugal sind es drei- bis viermal so viele. Dort gilt die sogenannte Widerspruchslösung: Wer nicht ausdrücklich widerspricht, ist nach seinem Tod ein möglicher Organspender.
Diese Lösung ging den meisten Bundestagsabgeordneten zu weit. Sie besserten nach: Seit 2012 sind die Krankenkassen verpflichtet, jeden Versicherten ab 16 Jahren regelmäßig über Organspenden aufzuklären und ihm einen Organspendeausweis zuzuschicken.
Unterlagen im Papierkorb
Rupprecht ist das zu lasch. „Die Unterlagen werden oft übersehen und landen im Papierkorb“, kritisiert er. Die Entscheidungslösung sei von der Idee her gut, das Gesetz werde aber „schlecht umgesetzt“. Laut Umfragen seien 85 Prozent der Deutschen grundsätzlich zu Organspenden bereit, aber nur jeder Dritte hat einen Organspendeausweis. Rupprecht schlägt vor, dass sich jeder Erwachsene entscheiden muss: Zum Beispiel könnte beim Antrag auf den Personalausweis ein Kreuzchen verlangt werden, ob der Antragsteller zur Organspende bereit ist oder nicht.
Für den Rückgang der Organspenden ist nach Rupprechts Ansicht nicht nur der Skandal um Manipulationen auf Dringlichkeitslisten im Jahr 2012 verantwortlich. Dank des medizinischen Fortschritts etwa bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten gebe es auch weniger potenzielle Spender.
Schwachstellen
Der medizinische Vorstand der DSO, Axel Rahmel, verweist auf „wechselseitige strukturelle und organisatorische Schwachstellen“ in der Zusammenarbeit mit Kliniken. In den vergangenen Jahren seien weniger Organspender gemeldet worden. Er forderte eine verstärkte Aufklärung der Bevölkerung, insbesondere, wenn Patientenverfügungen formuliert würden.
Julia Rüdiger-Bär hält die Widerspruchslösung, wie sie in Österreich gilt, für besser als das deutsche Gesetz. „Viele Menschen scheuen davor zurück, sich mit dem Thema zu befassen, aber man sollte das unbedingt tun“, sagt die Bindlacherin, die sich für das Thema Organspende öffentlich engagiert. „Mit mehr Organspenden könnten viele Menschenleben gerettet werden.“