Neue Chance für Genießer

Von Hannes Huttinger
 Foto: red

Philipp Stein hat eine außergewöhnliche Idee. Sein Start-up steht für einen Lieferservice der anderen Art. Es geht dabei auch um die Umwelt.

 
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Im eigenen Treppenhaus hat es Philipp Stein oft schwer. Er muss ein paar Treppen hoch. Das ist noch nicht das Problem. Vielmehr geht es um den Duft, der in Steins Nase zieht. Es riecht nach Essen. Allerdings kommt dieser Duft nicht aus der Küche des 38-Jährigen, sondern aus der Küche des Nachbarn. Und genau an dieser Stelle setzt die Idee von „Open Kitchen“ ein.

Einer kocht, andere essen

„Selbst gemachtes Essen zum Freundschaftspreis“ – so stellt Stein „Open Kitchen“ offiziell vor. Er hat mit seinem Erlangener Start-up alle Hände voll zu tun. Grundgedanke: Jemand aus der Nachbarschaft bereitet Essen zu, ein anderer kann es abholen. Hierbei muss es sich nicht um Kochmuffel handeln. „Es gibt Leute, die sehr viel arbeiten und keine Zeit zum Kochen finden. Auch Alleinstehende kochen selten für sich selbst, weil es sich einfach nicht lohnt“, sagt Stein.

Die Idee klingt vielversprechend – und sie klingt einfach. Ein Netzwerk an Hobby-Köchen versorgt diejenigen, die keine Zeit oder Lust haben, sich an den Herd zu stellen. Aber kann so etwas durchschlagenden Erfolg haben? Tests verliefen bereits positiv. Stein und neun Kollegen machen jetzt Ernst – erst einmal mit Schwerpunkt in Erlangen. „Dort wollen wir austesten, ob unser Start-up funktioniert“, betont Stein. Mittelfristig soll es aber nicht nur bei Erlangen bleiben. Bereits jetzt können sich Nutzer weltweit auf der Internetseite oder per App anmelden. Weit mehr als 1000 Nutzer haben das allein in Erlangen bereits getan.

Kein Neuling

Mit ein paar Nutzern in der Nachbarschaft geht es los, dann soll es in einer ganzen Straße funktionieren, dann in einem Stadtteil, am Ende in der ganzen Stadt. So lautet Steins Plan. Ein bisschen Träumerei mag da schon drinstecken. Aber der gebürtige Kölner ist gut vorbereitet. Und er ist kein Neuling. Zwei Firmen hat er bereits gegründet – eine mit Schwerpunkt Unternehmensberatung und eine mit Schwerpunkt Vermögensverwaltung. Jetzt kümmert er sich aber ausschließlich um „Open Kitchen“, schließlich will er schon sehr bald seinen Lebensunterhalt damit verdienen. 

Tatkräftige Unterstützung erfährt der „Open Kitchen“-Gründer von seinen Kollegen. Von Angesicht zu Angesicht sieht er sie allerdings selten. „Unsere Leute sitzen in Ulm, Wiesbaden, Nürnberg, Erlangen, Bayreuth und sogar in Thailand. Wir treffen uns online“, sagt er.

Zwei Arten von Nutzern gibt es bei „Open Kitchen“. Einmal die Köche. Und einmal die Esser. Stein hat auf seinem Zettel die klassischen Zielgruppen notiert. Aber eigentlich will er sie gar nicht erwähnen. „Wir wollen alle ansprechen“, betont er.

Energie sparen

Aber dann gibt er doch ein paar Beispiele: „Köche sind zum Beispiel Hausfrauen, die ohnehin immer zu viel kochen, weil die Kinder schon aus dem Haus sind.“ Und die Esser? Hier spricht Stein von „Singles, Studenten, Vollzeit-Arbeitern und Leuten, die einfach nicht sonderlich gern selbst kochen“.

Der grüne Gedanke soll bei diesem fränkischen Start-up nicht zu kurz kommen. Stein veranschaulicht: „Zehn Personen können je eine Portion kochen. Es könnte aber auch eine Person zehn Portionen kochen.“ Stichwort Energie. Diese will Stein nämlich einsparen. Nur noch ein Herd soll eingeschaltet sein – keine zehn mehr.

Der nächste Punkt: Einkäufe. „Wie oft schmeißen Leute Obst weg?“, fragt Stein provokativ. Eigene Einkäufe würden sich bei der Nutzung von „Open Kitchen“ reduzieren. 

Vorgaben will Stein bei der Nutzung des Angebots nicht machen. „Der Koch entscheidet, wann, wo, wie viel und zu welchem Preis er kocht“, sagt der Gründer. Nur eines soll es nach Möglichkeit sein: günstig. Ziel ist schließlich, dass sich die Esser teure Restaurant-Besuche künftig sparen. 

IT-Probleme

Von der Idee bis hin zur Realisierung der App für iPhone und Android sind circa zwei Jahre vergangen. Einfach war diese Zeit nicht. Zwischenzeitliche IT-Schwierigkeiten bremsten das Start-up aus. Jetzt sind Stein und Co. aber bereit für wegweisende Wochen und Monate.

Stein darf hoffen. Projekte, die ähnlich wie „Open Kitchen“ funktionieren, fahren bereits satte Gewinne ein. Zum Beispiel die französische Mitfahrzentrale Blablacar“ mit deutschen Niederlassungen in München oder Hamburg – oder die amerikanische Unterkunft-Vermietung Airbnb. „An solchen Erfolgsgeschichten wollen wir uns orientieren“, betont Stein.

Vielleicht geht das Projekt „Open Kitchen“ aber auch in die Hose. „Dieses Risiko muss man in Kauf nehmen, wenn man ein Start-up gründet“, betont Stein. Der 38-Jährige versprüht nicht nur Gründergeist, er ist auch Realist.

Übrigens: Philipp Stein selbst kommt nur selten zum Kochen. Aber das passt ja gut ins Bild. Schließlich arbeitet er mit Feuereifer an seinem Start-up. Läuft alles rund, kann er bald schon jedem sagen: „Keine Panik, der Nachbar hilft!“