Nach Missbrauchsfällen Fast alle Ermittlungen gegen Kirchenvertreter eingestellt

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising. Foto: Arne Dedert/dpa/Archivbild Foto: dpa

MÜNCHEN. Knapp anderthalb Jahre nach der Veröffentlichung der großen Missbrauchsstudie der katholischen Kirche haben die bayerischen Behörden in keinem einzigen Fall Anklage erhoben.

 
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Fast alle Ermittlungen gegen verdächtige Kirchenleute wurden eingestellt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter den drei Generalstaatsanwaltschaften im Freistaat ergab.

Die Gründe für die Einstellungen der Ermittlungen waren in der Regel Verjährung oder die Tatsache, dass es nicht für einen hinreichenden Tatverdacht reichte. 124 von 312 namentlich bekannten Beschuldigten waren längst tot. Vier Ermittlungen laufen in Bayern derzeit noch, einige wenige Fälle wurden an Staatsanwaltschaften außerhalb Bayerns weitergeleitet. Alle anderen wurden zu den Akten gelegt.

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit dem Vorsitzenden, Kardinal Reinhard Marx, wollte das Ermittlungsergebnis nicht kommentieren. Und deutschlandweite Zahlen lägen ihr dazu nicht vor. Auch in den Bundesländern wird nicht einheitlich erhoben, wie viele Ermittlungsverfahren nach der Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie laufen oder abgeschlossen sind.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer, der die Untersuchung ursprünglich leiten sollte, sagte der dpa: «Für die Kirche war die der MHG-Studie folgende Ankündigung von Marx, wonach alles an die Staatsanwaltschaften gegeben wird, kein Risiko. Das war eine große Geste, die die Menschen erstmal beruhigen sollte. Das war alles nur Show - mehr nicht.»

Marx habe Forschern den uneingeschränkten Zugang zu Akten verweigert und damit eine unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung verhindert, kritisierte Pfeiffer. «Für die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der Kirche wäre es das Beste, Marx und Ackermann würden von ihren Funktionen als Sprecher der Bischofskonferenz beziehungsweise als Missbrauchsbeauftragter zurücktreten und so einen echten Neuanfang ermöglichen.»

DBK-Sprecher Matthias Kopp wies Pfeiffers Vorwürfe entschieden zurück: «Herr Pfeiffer wiederholt einen Vorwurf, zu dem wir bereits 2013 Stellung bezogen haben. Damals wie heute ist deutlich geworden, dass von der Verhinderung einer transparenten Aufarbeitung in keiner Weise die Rede sein kann.»

Für die MHG-Studie der DBK, die im Herbst 2018 veröffentlicht wurde, waren deutschlandweit mehr als 38 000 Akten aus den Jahren 1946 bis 2014 untersucht worden. Danach wurden mindestens 3677 Minderjährige von 1670 Klerikern missbraucht.

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