Mistelbach: Der 1. Mai am Gartenzaun

Von Moritz Kircher

Es gibt Menschen, die trinken vor dem Gartenzaun Bier. Und es gibt Menschen, die trinken ihr Seidla lieber auf der anderen Seite des Zaunes. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Mit etwas Rücksichtnahme auf der einen und etwas Verständnis auf der anderen Seite funktioniert das Zusammenleben trotzdem. Auch am 1. Mai in Mistelbach. Wie Anwohner die alljährliche chaotische Maifeier auf der Festwiese erleben.

 
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Roland und Elvira wohnen am Radweg, unweit der Wiese, an der sich in Mistelbach Jahr für Jahr ein feierwütiges Völkchen versammelt. Sie erleben das Schauspiel mittlerweile zum achten Mal. Vormittags ziehen die jungen Leute vom Bayreuther Stadtrand über den Radweg Richtung Festwiese in Mistelbach. Da kommen sie schon angetrunken an. Und nachmittags geht es dann volltrunken auf den Rückweg.

Der Alkoholpegel steigt, die Musik wird lauter, die Müllhaufen größer.

Einmal haben Roland und Elvira anfangs den Fehler gemacht und haben das Haus am 1. Mai nicht bewacht. Da hat jemand seine Notdurft auf dem Rasen in ihrem Vorgarten verrichtet. Das große Geschäft. Seitdem sind sie vorsichtig geworden. Auch mit ihrem Nachnamen, den sie lieber nicht in der Zeitung lesen wollen. Irgendeiner merkt ihn sich vielleicht und meint dann, ihnen im nächsten Jahr einen Streich spielen zu müssen. Wer weiß? Sicher ist sicher.

Das Partyvolk hat sich um die Mittagszeit in Kompaniestärke auf der Festwiese unter den Augen der Polizei versammelt. Etwa 300 junge Leute feiern. Der Alkoholpegel steigt, die Musik wird lauter, die Müllhaufen größer. Nicht so bei einer Gruppe, die einen roten Rollwagen dabei hat, auf dem sie einen Grill, Getränke und eine Musikanlage dabei haben. Stolz zeigt eine junge Frau aus der Gruppe zwei prall gefüllte Müllsäcke. „Wir nehmen alles wieder mit“, sagt sie.

Heuer bleibt es auffällig ruhig

Über die Jahre scheint bei vielen etwas mehr Vernunft eingekehrt zu sein. Der rote ist nicht der einzige Partywagen, der mit Müllsäcken ausgestattet ist. Aber es gibt auch noch die anderen. Jene, die einfach alles stehen und liegen lassen, was leer gegessen oder ausgetrunken ist. In den vergangenen Jahren seien drei Bauhofmitarbeiter einen Tag lang beschäftigt gewesen, den ganzen Unrat zu beseitigen, sagte der Mistelbacher Bürgermeister Matthias Mann im Vorfeld der Feier im Gespräch mit dem Kurier.

Am Gartenzaun von Roland und Elvira ist es ruhig. Auffällig ruhig, wie Roland bemerkt. Seine Frau sitzt neben ihm und trinkt Kaffee. Ein Nachbar ist auf ein Bier vorbei gekommen. Die Stimmung ist entspannter als sonst am 1. Mai. „So ein müder 1. Mai“, flachst der Nachbar. „Da ist ja nix los.“ Roland sagt: „Sonst ist jeder hier angespannt und hofft, dass nichts passiert.“

„Einen fröhlichen 1. Mai“

Er glaubt, dass die dauerhafte Polizeipräsenz die Sache entschärft. Die Ordnungshüter seien in den ersten Jahren nicht ständig da gewesen. „Da haben wir sie jedes Mal anrufen müssen.“

Roland und Elvira haben nichts gegen die Feier und die Leute, solange die sich benehmen. Sogar seine Toilette hat Roland einem jungen Mann schon mal angeboten, der geklingelt und höflich gefragt hat. Einige der Maifeierer recken ihre Köpfe neugierig über den Zaun. „Einen fröhlichen 1. Mai“, ruft eine Frau mit Bierflasche in der Hand. „Gleichfalls“, antworten die drei aus dem Garten im Chor. „Morgen lade ich meine Frau zum Essen ein“, sagt Roland. „Dann feiern wir unseren 1. Mai“, sagt er und lacht. „Am 2. Mai.“

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