Auch machte der Landrat öffentlich, dass eine Jugendamtsmitarbeiterin kurz vor Beschlagnahmung der Akten durch die Staatsanwaltschaft einen Eintrag gelöscht hatte, den die Ermittler rekonstruieren konnten. Darin wurde dargestellt, dass der Mann immer wieder Kontakt zu jüngeren Mädchen suche und sie in ein Abhängigkeitsverhältnis bringe. Die Frau, die die Löschung zugab, wurde vom Dienst freigestellt.
Es ist nicht die erste personelle Konsequenz aus den Vorgängen um Lügde in der Behörde. Weil er einen Vermerk nachträglich einfügte, ist ein weiterer Jugendamtsmitarbeiter schon länger suspendiert.
"Für Süßigkeiten macht sie alles", soll der Mann aus Lügde bei einem Besuch des Jobcenters 2016 gemeinsam mit dem Kindergartenkind gesagt haben. Im gleichen Jahr wandte sich ein besorgter Vater an Polizei und Kinderschutzbund, weil der Dauercamper erzählt hatte, er setze sich Kinder gerne in den Nacken. Eine Psychologin im Kindergarten des Mädchens vermutete im September 2016 Pädophilie.
Aus Sicht des Jugendamtes konnte der Mann den Verdacht entkräften, wurde aber engmaschig betreut. Die Familienhilfe kam wöchentlich, jedoch schmiss der Träger im April 2018 hin und zeigte eine chronische Kindeswohlgefährdung an. Der Pflegevater müsse Erziehungsseminare besuchen, hieß es. Erst im August 2018 begannen regelmäßige Besuche eines neuen Familienhilfe-Trägers.
Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) sagte: "Was den betroffenen Kindern in Lügde angetan wurde, ist bestürzend. Mir ist unverständlich, wie das Jugendamt Hameln-Pyrmont drei Hinweise innerhalb eines halben Jahres falsch würdigen konnte - hier zeigt sich eine fatale Fehleinschätzung."
Der Landkreis Hameln bemühte sich bei der Pressekonferenz am Dienstag um größtmögliche Transparenz und verteilte eine 75-seitige Darstellung mit Aktenauszügen. 376 Seiten umfasst die Akte des Allgemeinen Sozialen Dienstes, der im Frühjahr 2014 erstmals Kontakt zur Mutter des späteren Pflegekindes aufnahm, weil das Mädchen eine verpflichtende Vorsorgeuntersuchung verpasst hatte. Mit der Familie waren der Behörde zufolge zehn bis zwölf Personen in unterschiedlicher Intensität befasst.
Das Zusammenspiel mit dem Jugendamt Lippe und der Polizei Lippe sei nicht optimal gewesen, sagte Bartels. In Nordrhein-Westfalen weitet sich das Verbrechen auf dem Campingplatz immer mehr zu einem Polizeiskandal aus. Unter anderem verschwanden 155 bei dem Dauercamper sichergestellte CDs und DVDs aus einem Asservatenraum. Mehrere Beamte von der Polizei Lippe wurden bereits versetzt oder suspendiert.
Derweil steht in Nordrhein-Westfalen erneut ein Polizist im Verdacht, kinderpornografisches Material besessen zu haben. Der Polizist der Kreispolizeibehörde Paderborn sei am vergangenen Freitag suspendiert worden, sagte eine Sprecherin des Düsseldorfer Innenministeriums am Dienstag. Zuvor hatte der Sender RTL über den Fall berichtet. Die Ministeriumssprecherin sagte, es gebe keine Querverbindungen zum Fall Lügde. Der Beamte sei auch nicht mit Ermittlungen zu Sexualdelikten befasst gewesen.
Damit steigt die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Polizisten in NRW wegen Kindesmissbrauchs oder Kinderpornografie weiter an: In den vergangenen zehn Jahren seien nun insgesamt 18 Fälle aktenkundig, sagte die Sprecherin.