Meister der Salonmusik

Von Frank Piontek
Tomoko Ogasawara und Matthias Ranft (Violoncello): Ein ideales Paar für die Musik von Chopin. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Wie klingt eigentlich der „richtige“ Chopin-Stil? Gedanken zu einem Konzert in Steingraebers Kammermusiksaal:

 
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Jeder Chopin-Interpret wird eine eigene Ansicht darüber haben, wie Chopin gespielt werden muss. Man oder frau kann ihn, wie bei Steingraeber selten gehört, mit kühlster Brillanz und Härte spielen. Man kann ihn überhetzen, verlangsamen, dramatisieren und zerklüften, indem man eher die Brüche als die Zusammenhänge betont. Man kann ihn allerdings auch Ernst nehmen, indem man einer Interpretation die gelegentlich auftretende Vortragsbezeichnung „con Legierezza“ zugrunde legt.

Wer beim Klavierfestival in Steingraebers Kammermusiksaal Tomoko Ogasawara am Werk sieht, hört erstaunlich konsistente Deutungen durchaus verschiedener Stücke, die – bei aller grundsätzlichen Einseitigkeit, die man „Stil“ nennen muss – in das Wärmebad eines legeren Tons getaucht werden. Chopin erscheint hier nicht als Jüngling eines kultivierten Weltschmerzes, sondern als Meister einer formal hochentwickelten Salonmusik. Wer „Salonmusik“ als Schimpfwort empfindet, mag sich vergegenwärtigen, dass der Pianist seine Werke meist für die intimen Räume der Salons in Warschau, Paris und Nohant schrieb; Tomoko Ogasawa wird ihnen sublim gerecht, indem sie auf dem Pianoforte nicht herumdonnert, sondern beglückend dezent und leger spielt. Dieser Chopin ist kein Berserker, sondern ein Mann, der seine tiefsten Gefühle an der Oberfläche von harmlos scheinenden Mazurken, doch auch von Trauermärschen und Chorälen hinterlegte. Mit der Polonaise-Fantasie op. 61, die wesentlich mehr Fantasie als Polonaise ist, mit dem heroischen c-Moll-Nocturne op. 48/1, den 3 Mazurken op. 59 und der f-Moll-Ballade op. 52 begibt sich die dezente, doch zugleich genaue Chopin-Interpretin in das Reich des „sfumato“, des „Nebels“, der doch Attacken und Marcato-Passagen nicht ausschließt, sondern erst sinnvoll macht. Nur muss sie nicht donnern, um einen möglichen Sinn der eher schwermütigen als exzentrischen Musik zu erfüllen, der in der stilisierten Improvisation und den extremen Gefühlen der Fantasie zu einem emotionalen Höhepunkt kommt.

Vollkommene Wiedergabe

Ihr Klang macht es, dass sie mit ihrem langjährigen Musik- und Lebenspartner Matthias Ranft eine vollkommene Wiedergabe der Violoncellosonate ins Haus bringt. Der meist zarte Ton des Streichinstruments und der weiche Klavierpart machen aus dem Werk, in dem ein Miteinander, kein Gegeneinander der beiden Solisten für ein glückliches Gleichgewicht sorgt, ein Hauptwerk des Komponisten.

Tomoko Ogasawara und Matthias Ranft, Ogasawara und Chopin: es sind zwei ideale Paare, die als Rausschmeißer eine romantisierende Bearbeitung der Etüde op. 7/25 (von Alexander Glasunow) spielen. Auch diese Bearbeitung aber offenbart eine Variante des „richtigen“ Chopin.

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