Medi-Sieg im Spitzenspiel gegen Berlin

Von und Florian Kirchner
Eine außergewöhnlich dominierende Rolle spielte De’Mon Brooks (Nr. 24) in den ersten sechs Minuten. Im Duell mit 
seinem überforderten Gegenspieler Paul Carter (Nr. 27) sammelte er von den ersten 17 Medi-Punkten allein 15. Foto: Peter Kolb Foto: red

Nach dem sechsten Sieg in Folge kann endgültig kein Zweifel mehr daran bestehen, dass Medi Bayreuth zumindest für den Augenblick zurecht zur Spitzengruppe der Bundesliga gehört. Den Nachweis lieferte der Tabellenvierte gestern Abend in der mit 3300 Zuschauern ausverkauften Oberfrankenhalle, indem er den mitreißenden Schlagabtausch gegen den deutschen Pokalsieger Alba Berlin mit 98:96 (46:48) gewann.

 
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Die beiderseits hohe Punktausbeute war in diesem Fall keinesfalls ein Beleg für nachlässige Defensivarbeit, sondern vor allem für das enorm hohe Tempo. Vor allem in dieser Beziehung war es ein würdiges Spitzenspiel. Und die Bayreuther waren ein würdiger Sieger, weil sie dem prominenten Gegner in dieser Hinsicht ebenso wenig nachstanden, wie in jedem anderen.

Entscheidende Punkte durch Doreth

Die entscheidenden Punkte waren letztlich typisch dafür, wie das Medi-Team mit allen Schwierigkeiten umzugehen verstand: Weil Kyan Anderson mit vier Fouls belastet war, wurde er 49 Sekunden vor Schluss für die Defensive gegen Bastian Doreth ausgewechselt. Nachdem Nate Linhart seinen zweiten Freiwurf zur möglichen 97:96-Führung vergeben hatte und dann zwei Berliner Anläufe durch Peyton Siva gescheitert waren (erst Dreier, dann Zug zum Korb), gab es jedoch keine Gelegenheit, den etatmäßigen Spielmacher wieder aufs Feld zu bringen. So fühlten sich die Gäste vermutlich nicht schlecht mit der Lösung, den als Werfer gewohnt unauffälligen Doreth bei einer Restspielzeit von zehn Sekunden zu Freiwürfen zu zwingen. Der Kapitän behielt jedoch die Nerven und verwandelte beide – den ersten mit etwas Glück, den zweiten sicher. Im Gegenzug versuchte Engin Atsür, mit dem Siegtreffer von der Dreierlinie eine Verlängerung zu umgehen, doch sein Versuch war deutlich zu kurz. Das Schlusssignal ging dann schon in einem wahren Jubelorkan unter.

Diese extrem knappe Entscheidung war nur konsequent für ein vollkommen ausgeglichenes Spiel. Nach dem ersten Viertel wurde bei wechselnder Führung nur noch ein einziges Mal ein Abstand von mehr als fünf Punkten notiert. Das war bei der 72:66-Führung für Bayreuth (28.), und die hatte genau acht Sekunden lang Bestand.

Brooks sammelt 15 Punkte in ersten sechs Minuten

Vergleichsweise einseitig war nur die Anfangsphase verlaufen, in der die Gastgeber eine 9:2-Führung bis zum 17:11 konserviert hatten. Das lag allerdings fast ausschließlich an der Dominanz auf Position vier. Dort mussten die Berliner ohne Tony Gaffney auskommen, der sich am Mittwoch bei der klaren Heimniederlage im Eurocup gegen Khimki Moskau (72:102) einen Mittelhandbruch zugezogen hatte, und dessen Vertreter Paul Carter wurde von De’Mon Brooks regelrecht vorgeführt. Von den 17 Medi-Punkten nach sechs Minuten hatte der Powerforward sage und schreibe 15 gesammelt. Nach den ersten Wechseln stabilisierten sich die Gäste aber schnell. Dafür sorgte nicht nur der größere Bogdan Radosavljevic als Brooks-Gegenspieler, sondern auch Siva für Ismet Akpinar im Aufbau und und der kampfstarke Niels Giffey als Verstärkung für den Offensivrebound.

Im zweiten Viertel war die Berliner Führung sogar beständig. Nur deutlich wurde sie nicht, weil die Bayreuther Distanzwerfer das verhinderten. Mehr als 16 Minuten mussten die Hausherren auf ihren ersten Dreier warten, aber dann hielten sie mit je zwei Treffern von Trey Lewis und Steve Wachalski den Anschluss. Nachdem dieses Problem überwunden war, zeichnete sich bald ein anderes ab in Form der Foulbelastung der Center. Als Assem Marei nach seinem vierten Foul sieben Minuten vor Schluss auf dem Feld blieb, wurde er beim nächsten Berliner Angriff prompt durch einen sehr clever geführten Zweikampf von Elmedin Kikanovic ausgefoult.

81 Sekunden vor dem Ende wäre es Andreas Seiferth fast ebenso ergangen, aber der lediglich mit einem Foul zu Buche stehende Trey Lewis nahm das Foul bereitwillig auf sich. So war Seiferth noch zur Stelle, um sich bei einer Restspielzeit von 17 Sekunden nach dem Fehlversuch von Siva den vielleicht entscheidenden Rebound zu greifen.

Einzelkritik

KYAN ANDERSON (10 Punkte / 25:25 Min. Einsatzzeit / Plus-Minus-Bilanz: -2): Konzentrierte sich gegen den giftigen Siva zunächst auf den Ballvortrag und trat vor dem Seitenwechsel offensiv nicht in Erscheinung; danach wesentlich präsenter; hätte das Spiel zu Beginn der Schlussminute entscheiden können, doch sein Dreier zum möglichen 98:93 rollte aus dem Ring.

NATE LINHART (14/34:16/5): Startete unauffällig und neutralisierte sich mit Dragan Milosavljevic weitgehend; übernahm nach der Pause in kritischen Situationen die Verantwortung, traf wichtige Würfe und gewann damit das Flügel-Duell gegen den Serben klar. 4/8 Würfe, acht Rebounds.

Bastian Doreth (4/18:19/1): Vergab unmittelbar vor der Pause den Ausgleich, als sich sein Korbleger aus dem Ring herausdrehte; wichtiger Ballgewinn gegen Siva mit anschließendem Korberfolg zum 68:64 (26.); nervenstark zehn Sekunden vor Spielende bei den entscheidenden Freiwürfen. „Mir war klar, dass er trifft“, sagte Raoul Korner nach dem Spiel. 1/3 Würfe, vier Rebounds, drei Assists.

ANDREAS SEIFERTH (14/20:29/-1): Stark an beiden Brettern; neun Punkte bereits vor der Pause, aber da auch schon mit drei Fouls belastet. Nach dem Ausfall von Marei einziger „Turm in der Schlacht“ gegen den starken Kikanovic. 6/8 Würfe, fünf Rebounds.

TREY LEWIS (10/30:50/7): Startete fahrig, leistete sich zwei vermeidbare Ballverluste und fand zunächst offensiv überhaupt nicht ins Spiel; erster Dreier in der 17. Minute zum 37:39, kurz darauf ein Zweiter zum 43:43 (19.); nach der Pause offensiv wie defensiv mit ganz wichtigen Momenten. 3/7 Würfe, drei Assists.

Steve Wachalski (8/13:06/-7): Zwei wichtige Dreier vor der Pause, wertvolle Punkte danach und kaum Fehler – „Mr. Zuverlässig“ machte seinem Namen einmal mehr alle Ehre; 3/4 Würfe.

Robin Amaize (4/11:10/-5): Gewohnt kampfstark, erzielte in der 12. Minute die ersten Bayreuther Punkte aus dem Backcourt, hatte sein Visier ansonsten aber schlecht eingestellt (1/5).

DE’MON BROOKS (20/28:18/7): Der Powerforward startete „heiß wie Frittenfett“ und markierte 15 der ersten 17 Punkte; nutzte das Fehlen das verletzten Gaffney weidlich aus, war von Carter nicht zu halten; 7/11 Würfe, 6/7 Freiwürfe. Korner: „Unser Plan ist aufgegangen, wir wollten viel über Brooks attackieren.“

Assem Marei (14/18:07/5): Handelte sich schnell zwei Fouls ein und hatte dadurch längere Pausen auf der Bank; am defensiven Brett mit einigen Probleme gegen Kikanovic, vor allem, wenn sich dieser in die Mitteldistanz zurückfallen ließ; starke offensive Aktionen in der zweiten Halbzeit; nach strittigem fünften Foul war die Partie für ihn vorzeitig in der 34. Minute beendet. 7/9 Würfe, acht Rebounds.

Nicht eingesetzt: Moritz Trieb, Nils Dejworek, Marius Adler.

Statistik

MEDI BAYREUTH: Feldwurfquote: 35/63 (56 Prozent), davon 7/19 Dreier (37 Prozent): Lewis (2/3), Wachalski (2/3), Linhart (2/5), Anderson (1/5); Freiwürfe: 21/26 (81 Prozent); Rebounds: 21 defensiv, 12 offensiv (Marei 5/3, Linhart 6/2); Ballgewinne: 7; Ballverluste: 8; Assists: 17 (Anderson 5); Effektivität: 114 (Linhart 19, Brooks 19, Marei 19, Seiferth 18, Anderson 11).

ALBA BERLIN: Giffey (14 Punkte / 26:01 Min. Einsatzzeit / Plus-Minus-Bilanz: 6), Malu, Siva (14/23:06/5), AKPINAR (5/16:42/-8), KIKANOVIC (19/ 29:45/-6), Schneider, Vargas, Atsür (13/23:56/-2), Radosavljevic (8/ 12:12/8), MILOSAVLJEVIC (3/ 21:53/-2), JOHNSON (14/34:23/ 1), CARTER (6/12:02/-12); Feldwurfquote: 34/59 (58 Prozent), davon 7/19 Dreier (37 Prozent): Atsür (3/4), Johnson (2/5), Siva (2/5); Freiwürfe: 21/27 (78 Prozent); Rebounds: 20 defensiv, 9 offensiv (Giffey 4/5, Kikanovic 7/1); Ballgewinne: 6; Ballverluste: 11 (Kikanovic 3; Assists: 17 (Siva 6); Effektivität: 108 (Kikanovic 23, Giffey 20, Johnson 15, Atsür 15, Siva 14, Radosavljevic 10).

SR: Madinger, Krause, Kindervater; Zuschauer: 3300 (ausverkauft).

Stationen: 9:2 (3.), 17:11 (6.), 21:22 (1. Viertel), 30:35 (15.), 37:41 (17.), 43:43 (19.), 46:48 (Halbzeit), 55:52 (23.), 57:59 (24.), 72:66 (28.), 77:73 (3. Viertel), 80:82 (35.), 87:82 (36.), 93:89 (38.), 95:96 (40.), 98:96 (Ende).

Info: Die Effektivität errechnet sich aus der Summe von Punkten, Rebounds, Assists, Ballgewinnen und Blocks, abzüglich der Fehlwürfe aus dem Feld und an der Freiwurflinie. Die Plus-Minus-Bilanz zeigt die Entwicklung des Ergebnisses, während der Spieler auf dem Feld stand.

Trainerstimmen

Ahmet Caki (Berlin): „Ich möchte beiden Teams zu ihrer Leistung gratulieren. Sie haben bis zur letzten Sekunde am Limit gespielt. Bis zum Ende war das Spiel vollkommen offen, beide hätten gewinnen können. Wir hatten nur wenig Zeit, um uns auf das Spiel vorzubereiten und wussten, dass Bayreuth ein gutes Trainerteam und einen guten Kader hat. Wir wollten eine etwas bessere Defensive spielen, nicht 98 Punkte zulassen. Meine Spieler haben ihr Bestes gegeben, vor allem Dragan Milosavljevic, dem übel war, der aber das Team als Kapitän geführt hat. Wir haben guten Charakter gezeigt, auch wenn wir nicht gewonnen haben.“

Raoul Korner (Bayreuth): „Auch von meiner Seite Gratulation an beide Teams! Es war ein harter Fight, es waren zwei Teams, die sich nichts geschenkt haben. Die Statistiken sind fast identisch. Hohe Intensität, hohe Trefferquoten auf beiden Seiten. Beide Teams haben gezielt die Schwachstellen des Gegners attackiert. Es war ein sehr attraktives Spiel, vor allem für Offensivliebhaber. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Zuschauern bedanken, es war eine ganz fantastische Atmosphäre. Vielleicht hat das am Ende den Unterschied ausgemacht, dass der eine Wurf fällt und der andere nicht. Es war ein unvergesslicher Abend für alle, die hier waren. Meinem Team muss ich ein riesiges Kompliment machen, wie es die Nerven bewahrt hat. Das Glück war auf unserer Seite. Aber das Glück kommt immer zu dem, der es verdient hat.“

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