Manfred Nüssel, der nimmermüde Agrarmann

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Zum Abschied kam die Kanzlerin. Das hat Manfred Nüssel (69), seit Anfang Juli nicht mehr Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), besonders gefreut. „Die Kanzlerin hat mich total überrascht. Sie ist ganz persönlich auf mich eingegangen.“ Und sie sprach von der globalen Bedeutung der Genossenschaften. „Lieber Herr Nüssel, das liegt nicht zuletzt daran, dass Sie sich in der Agrarwirtschaft dafür stark gemacht haben, über nationale Grenzen hinauszudenken.“ Wenige Wochen ist der Abschied aus Berlin nun her. Jetzt sitzen wir im schmucken Anwesen in Rimlas bei Bad Berneck. Wehmut, Leere, vielleicht sogar ein tiefes Loch? Nein, sagt Nüssel, der Pragmatiker. „Ich fühl‘ mich gut. Ich leb‘ damit sehr gut. Ich hab‘ mich darauf eingestellt.“

 
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Bisher ging es am Montag immer nach Berlin, am Freitag zurück in die Heimat. Jetzt hat Nüssel viel mehr freie Zeit. Na ja, eigentlich. Immer wieder klingelt das Telefon, der Terminkalender ist gut gefüllt. Nüssel hat noch  einige Aufsichtsratsposten, so ist er auch weiterhin Aufsichtsratschef der Baywa AG. Und auch noch Vorsitzender im Verwaltungsrat der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien. 

Veredelung immer wichtiger

Fast 18 Jahre war er ehrenamtlicher DRV-Präsident und hat in dieser Zeit den Umbruch in der Agrar- und Ernährungswirtschaft mit gestaltet. Früher gab es Interventionsmärkte mit staatlich garantierten Mindestpreisen, heute gelten Marktpreise. Milchseen und Butterberge sind verschwunden.

Die Vermarktung, die Veredelung der Ware (Fleisch, Milch, Getreide) wurde immer wichtiger. Der DRV hat mitgeholfen, den Wandel zu gestalten. Konzentration war nötig, sagt Nüssel. „Wir mussten uns dem Wettbewerb anpassen.“

Euro als Geschenk für die Landwirtschaft

Den Euro bewertet er als „größtes Geschenk“ für die deutsche Landwirtschaft. Denn nun konnten konkurrierende Länder wie Italien, Frankreich oder Spanien den Wettbewerb nicht mehr mit der Abwertung ihrer Währungen beeinflussen. Ja, sicher, die Bauern bekämen schon noch Subventionen. Aber die seien nötig, um globale Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen. Denn: „Die Preise orientieren sich nun am Markt.“

Wie komplex Agrarwirtschaft sein kann, erläutert Nüssel am Beispiel Schwein. Eigentlich würde in Deutschland genug Schweinefleisch für den Heimatmarkt erzeugt. Es reicht aber nicht. Denn: Die Deutschen essen vor allem die Edelteile des Schweines. Die müssen nun zusätzlich importiert werden, um den Bedarf zu decken. Exakt 14 Kilo pro Kopf und Jahr. Ähnlich ist es beim Hähnchen: „Schenkel und Brust sind gefragt, der Rest muss ins Ausland“, sagt Nüssel. „Was wollen wir sonst damit machen. Dann müssten wir‘s verbrennen.“

Geschätzte Unabhängigkeit

Seine persönliche Unabhängigkeit hat Nüssel immer besonders geschätzt. Immer war er im Ehrenamt und in Aufsichtsräten. „Ich hatte im Rückgrat immer den Hof. Mein Ziel war nie, hauptamtlich zu werden. Ich wollte unabhängig bleiben. Ich bin Unternehmer.“

Seinen Hof, rund 90 Hektar, davon etwa 40 Hektar Eigentum, hat er mittlerweile an seinen Sohn  übergeben. Der hat Landwirtschaft studiert, lebt aber in München und arbeitet als Steuerberater.

Auch mal durch den Stall

Bewirtschaftet wird der Hof von einem Cousin von Manfred Nüssel. Und er selbst? Steigt er jetzt mal wieder auf den Traktor? „Nur im Notfall.“ Bereitschaftsdienste könne er schon mal übernehmen. „Ich kann auch mal durch den Stall laufen.“

Aber er möchte jetzt eben alles frei entscheiden können. Wie zum Beispiel, dass er sich (gerne) auf seinen Hightech-Aufsitzmäher schwingt, um die 8000 Quadratmeter Rasenfläche rund ums Haus gut im Schnitt zu halten.

Mit seiner Frau Gerlinde will er Gemeinsames unternehmen, was bisher zu kurz gekommen ist. Zwei E-Bikes haben sie sich schon gekauft. Und im häuslichen Büro kann Nüssel jetzt Akten und Geschäftsberichte „noch intensiver lesen, als das bisher möglich war“.

Einfach mal weg

Die Gesundheit spielt bislang gut mit. Der letzte Arzt-Check war o.k. „Wenn ich nicht mit dem Auto an den Baum fahre, habe ich durchaus Chancen, alt zu werden.“

Die Zeit möchte er in den nächsten Jahren intensiv nutzen. Immer wieder „einfach mal weg“, keine langen Flüge, lieber nach Südtirol, Österreich oder an die Mecklenburger Seenplatte. Mit dem Auto, die Räder hinten drauf.

Reden halten kann er auch noch öfters. Bis Ende 2018 hat er Reden bei verschiedenen Jubiläen quer durch Deutschland zugesagt. „Das mach‘ ich auch.“

 

Zur Person

Manfred Nüssel wurde mit Mitte 20 Landesvorsitzender der Bayerischen Jungbauernschaft, war später Mitglied und Vizepräsident im Bayerischen Senat und wurde 1999 Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, der die Interessen der genossenschaftlich orientierten Unternehmen der Agrar- und Ernährungswirtschaft vertritt.

Der DRV hat 2186 Mitgliedsunternehmen mit rund 82.000 Beschäftigten, die gut 60 Milliarden Euro Umsatz erzielen. Nüssel hatte in der Spitze rund zehn Aufsichtsratsmandate, einige davon führt er weiter fort. Der 69-Jährige hat drei Kinder und lebt mit seiner Frau Gerlinde in Rimlas bei Bad Berneck. töp