Lacrosse: Kleiner Bruder des Eishockeys

Von Martin Kreklau
Julian Heiks (links) ist an der Uni Bayreuth für das Lacrosse-Team verantwortlich. In dieser Szene setzt er sich gegen zwei Verteidiger durch. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Wenn Julian Heiks mit einem Kescher über der Schulter loszieht, dann geht er nicht etwa zum Fischen. Der ein Meter lange Stock mit dem Netz am oberen Ende ist sein Sportgerät. Heiks spielt Lacrosse, eine der beliebtesten Sportarten in Kanada, die in Deutschland allerdings kaum jemand kennt.

 
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An der Uni Bayreuth versuchen einige Studenten das zu ändern. Heiks studiert Sportökonomie im fünften Semester und ist für das Lacrosse-Team verantwortlich. Er erklärt, auf was es bei diesem außergewöhnlichen Sport ankommt. Es ist erst acht Jahre her, dass Heiks zum ersten Mal einen Lacrosse-Schläger in der Hand hielt. Er studierte damals an der University of Brighton in England. „Dort ist der Sport viel weiter verbreitet als bei uns“, sagt Heiks.

Einige seiner Freunde haben ihn zum Training mitgenommen. Dank seiner Erfahrung als Feldhockey-Spieler, war er gleich in seinem Element. „Die Bewegung des Schlägers, mit der man den Ball im Netz hält, ist mir leicht gefallen“, sagt Heiks. Und so beherrschte er von Anfang an etwas, das Neulinge normalerweise lange üben müssen. Aus ihm werde ein starker Angreifer, habe die Trainerin gleich gesagt – „Das war natürlich ein schöner Einstand.“

Im Winter wird Eishockey gespielt, im Sommer Lacrosse

Lacrosse ist ein Verwandter des Eishockeys. „In Kanada sind beides Nationalsportarten. Im Winter wird Eishockey gespielt, im Sommer Lacrosse“, sagt Heiks. Das Feld ist ähnlich aufgeteilt, die Spieler dürfen sich auch hinter dem Tor bewegen und viele Regeln in Bezug auf den Schläger gleichen sich. Beim Lacrosse geht es darum, den Ball mit dem Netz am Schläger aufzunehmen und ihn mit Schwung wieder heraus zu befördern – entweder als Pass oder als Schuss auf das gegnerische Tor. Es gewinnt, wer am Ende des Spiels die meisten Tore geschossen hat.

Auf dem Feld stehen dabei pro Team jeweils zehn Spieler: drei Verteidiger, drei Mittelfeldspieler, drei Angreifer und ein Torwart. Das Feld ist, vereinfacht gesagt, in drei Zonen aufgeteilt: der Torraum der eigenen Mannschaft, das Mittelfeld und der Torraum des Gegners. In der Zone um das Tor dürfen sich immer maximal dreizehn Spieler aufhalten – sechs Angreifer und sechs der verteidigenden Mannschaft, plus Torwart. Die Stürmer lassen den Ball vor dem Tor kreisen und warten auf eine Schussgelegenheit. Die Verteidiger versuchen, die Angreifer vom Ball zu trennen, indem sie beispielsweise mit ihrem Stock auf den des Gegners schlagen. Wenn der kleine Gummiball aus dem Netz fällt, dann ist er frei und darf auch vom Gegner aufgenommen werden. Wenn das passiert, geht es in die andere Richtung.

Wer den Ball erst einmal hat, darf damit so weit laufen, wie er möchte – oder bis er gestoppt wird. Das kann durchaus ruppig werden: „Lacrosse ist ein Vollkontaktsport“, sagt Heiks. Der Gegner darf beispielsweise mit der Schulter gestoßen und somit am Weiterkommen gehindert werden. Um Verletzungen zu vermeiden, sind solche Aktion streng reglementiert. Ein Angriff auf den Körper darf nur zwischen Gürtel und Schulter erfolgen. Außerdem darf der Stock nur gegen den anderen Stock und in Ausnahmefällen gegen die Hand des Gegners geschlagen werden, die durch Handschuhe geschützt ist. Alle anderen Körperteile sind tabu. Wer dagegen verstößt, erhält Zeitstrafen von bis zu drei Minuten oder muss den Ballbesitz abgeben. Bei Unsportlichkeiten droht sogar eine Spielsperre.

Neben dem sogenannten Stick, den es in einer Ein-Meter- und einer Zwei-Meter-Variante gibt, gehören ein Helm und Schutzhandschuhe zur Grundausstattung eines Lacrosse-Spielers. Darüber hinaus können die Spieler noch weitere Schutzausrüstung für die Ellbogen, den Brustbereich und die Schultern tragen, sogenannte Pads. Ganz billig ist das nicht: ein Starter-Set mit Schläger, Handschuhen, Ellbogenpads und Brustpad kostet in Deutschland ungefähr 200 Euro. Etwa 50 Euro billiger ist es, wenn man es beim Fachhandel in den USA bestellt. Der Helm schlägt zusätzlich mit 130 Euro zu Buche. Immerhin hat das Lacrosse-Team der Uni ein kleines Arsenal an Ausrüstung, die während des Trainings ausgeliehen werden kann.

Mit blauen Flecken oder Kratzern muss man rechnen

Lacrosse sei ein vielseitiger Sport, betont Heiks. Deshalb gebe es auch keinen idealen Körpertyp dafür. Kleine und wendige Spieler haben ebenso eine Berechtigung wie große und kräftige. „Es werden sehr viele Fähigkeiten geschult: Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Explosivität und Koordination“, erklärt Heiks. Und das Verletzungsrisiko sei trotz der Tackles relativ gering. „Das liegt vor allem daran, dass man nicht wie beim Fußball abgegrätscht werden kann oder dass einem wie beim Football jemand in die Beine springen darf“, sagt der 30-Jährige. Man müsse aber dennoch damit rechnen, dass man vom Spiel ein paar blaue Flecken und Kratzer mit nach Hause bringt.

Etwas anders verhält es sich beim Damen-Lacrosse. Hier wird ohne Körperkontakt gespielt, allerdings ist es technisch anspruchsvoller als die Variante für Männer. Denn bei den Damen ist Netztasche am Schläger wesentlich flacher, weshalb es schwieriger ist, den Ball darin zu kontrollieren. Auch an der Uni Bayreuth gibt es ein Lacrosse-Team für Frauen, das im vergangenen Jahr erfolgreicher war als die Männer. Nicht zuletzt deshalb sind sie bei der vom Nordbayerischen Kurier ausgerufenen Wahl zum Team des Jahres in der Kategorie Exoten ganz vorne mit dabei. „Lacrosse ist ein unheimlich schneller Sport“, sagt Heiks. Der Gummiball erreicht beim Passen und Schießen Geschwindigkeiten von bis zu 140 Kilometern pro Stunde. Mit der Ruhe und Entspannung beim Fischen hat es also wenig zu tun – trotz des vermeintlichen Keschers.