Kurier-Serie "Unter 3" Teil 1 - Nach welchen Regeln arbeiten Journalisten?

Von Torsten Geiling
"Lügenpresse", "Systempresse" - mit diesen Begriffen wird oft versucht, Journalisten in Misskredit zu bringen. Doch die Branche arbeitet nach klaren Regeln. Foto: Bernd Wüstneck/dpa Foto: Moritz Kircher

IN EIGENER SACHE. Unsere neue Serie "Unter 3" gibt Einblicke in den Redaktionsalltag. In Teil eins geht es unter anderem um die Frage, warum Redakteure nicht alles schreiben, was sie wissen.

 
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Es ist ein paar Wochen her, da war ein Spitzenpolitiker zum Redaktionsgespräch zu Gast. Wir redeten mit ihm über Sachfragen, aber auch über die Regierungen in Bayern und in Berlin. Der Politiker ätzte über Kollegen, vom Koalitionspartner und auch aus der eigenen Partei. Ganz nach dem Motto: Freund, Feind, Parteifreund. Mein Kollege schrieb eifrig mit. Doch veröffentlichen konnten wir es nicht. Denn der Politiker erklärte: „Was ich Ihnen eben gesagt habe, war unter drei.“

Innerlich schreit man als Journalist bei diesem Satz auf. Die Aussagen gedruckt im Kurier hätten sicherlich Wellen geschlagen. Aber es gibt eine eiserne Regel im Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern, Polizei, Beamten, Angestellten von Behörden und auch Unternehmern. In der Satzung der Bundespressekonferenz – einem Verein der Hauptstadtmedien – ist sie sogar in Paragraf 16 kodifiziert. So heißt es dort, die Mitteilungen auf den Pressekonferenzen erfolgen:

  • Unter eins: zu beliebiger Verwendung
  • Unter zwei: zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftsgebenden
  • Unter drei: vertraulich

Der eine oder andere Leser wird sicher darin die „Systempresse“ wiedererkennen wollen. Das hat damit aber rein gar nichts zu tun. Die Regel schafft einen geschützten Raum, in dem ein Informant Dinge und Einschätzungen völlig frei mitteilen kann, ohne dass er gleich Konsequenzen fürchten muss. Der Journalist darf es zwar nicht schreiben, trotzdem fließt es in seine Berichterstattung ein. Denn er versteht nun Sachzusammenhänge besser, erkennt Stimmungen und Strömungen, findet neue Ansätze zur Recherche oder verwendet das Wissen in einem Kommentar.

Warum macht ihr das und jenes nicht?

Warum ich Ihnen das erkläre? Weil ich es wichtig finde, dass die Leser verstehen, wie Redakteure arbeiten und professioneller Journalismus funktioniert. Da gibt es nämlich gravierende Unterschiede zu Mitteilungen, die sonst so veröffentlicht werden, gerade im Netz. Dort gibt es keine Regeln, bei uns jede Menge, dazu Statuten, Gesetze und den Pressekodex, auf deren Grundlage wir informieren, erklären, Hintergründe liefern, Position beziehen, andere Meinungen fördern und auch unser Publikum unterhalten.

In der Redaktion klingelt oft das Telefon oder es erreichen uns Mails und Briefe: Warum macht ihr das und jenes nicht? Wie konnte dieser Fehler passieren? Warum wird über dieses Thema nicht berichtet? Es wird der Sprachstil eines Artikels thematisiert, Parteilichkeit unterstellt oder Kürzungen in den Leserbriefen bemängelt.

Was Sie schon immer über eine Redaktion wissen wollten...

Die Leser bekommen natürlich alle eine Antwort, bisher aber persönlich. Das werden wir ändern und ihnen in loser Folge in der Rubrik „Unter Drei – aus der Redaktion“ erklären, nach welchen Richtlinien der „Nordbayerische Kurier“ entsteht, wie der Alltag in einer Redaktion aussieht und wie Redakteure arbeiten. Beteiligen Sie sich gerne mit Fragen und Anregungen an dieser Rubrik. Was interessiert Sie? Was ist unklar oder haben Sie noch nie verstanden?

Ach übrigens, diese Zeilen wurden unter eins verfasst.

torsten.geiling@nordbayerischer-kurier.de

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