Sie schreibt den beiden Tanten von Tribschen aus von ihrer Liebe für Toscanini und bietet im nächsten Augenblick Hilfe aus der reichen Schweiz an. Den beiden Tanten – Daniela Thode war Anfang 80, Eva Chamberlain immerhin Anfang 70, kündigte sie Lebensmittel an, darunter Kakao: „Das wäre doch auch etwas zum Nähren von kleinen Säuglingen, so wie ihr sie seid!?“
Die beiden alten Damen schätzt sie sehr. Und so sind die beiden die einzigen, die Friedelind über jeden Aspekt ihres Lebens informiert. Auch über ihre Abnabelung von Deutschland und ihrer Familie. „Ich kann mir denken, wie scheußlich es jetzt in Bayreuth sein muss – dieser ewige Regen, dazu die Dunkelheit und auch noch die deprimierenden Gedanken. (…) Ich muss nach Amerika, da gibt es kein Hin und Her.“
Laute Stimme gegen die Nazibarbarei
Sie wird nach Amerika gehen, wird dort von dort aus eine laute und vernehmliche Stimme gegen die Nazibarbarei ertönen lassen, für Hitler doppelt ärgerlich, weil sich da eine Nachfahrin des „Meisters“ äußert. Winifred soll der widerborstigen Tochter die Ausrottung angedroht haben, ob es stimmt, kann wohl nicht mehr belegt werden. Sicher ist, dass Friedelind nach dem Krieg als Verräterin angesehen wird. Sie muss es gewusst haben, dass es nicht einfach werden würde. „Ich lasse mich nicht zermahlen“, schrieb sie an ihre Tanten. Anders als etwa Wieland würde sie in der Wahrnehmung der Außenwelt Bayreuth aber nichts zu vermitteln haben – außer der Scham über das Jahrhundertverbrechen der Deutschen.
Ihren eigenen Geburtstag hätte sie selber wohl kaum gefeiert, viele, die Wagner und seinem Werk nahestehen, hielten es am 29. März genau so. Einige Stadträte, keine Oberbürgermeisterin, niemand vom Grünen Hügel, keine Familie, nicht viele Mitglieder vom Richard-Wagner-Verband hatten sich in Wahnfried eingefunden. Einige fehlten wohl auch deswegen, weil so lange überhaupt nicht klar gewesen war, ob und wie gefeiert werden würde. Ein Zeitzeuge war da, er hatte als Fotograf für sie gearbeitet, damals, als sie an Wielands Seite in Bayreuth ihre Meisterklassen installierte. „Die sieben Jahre unter Friedelind“, sagte Tom Lipton (75) in Wahnfried, „waren die besten Jahre meines Lebens.“
Dass man auch als normaler Besucher von Wahnfried nicht ganz an Friedelind vorbeikommt, zumindest, wenn man sich Wagners dunkles Erbe im Nationalsozialismus nicht erspart und das Siegfried-Wagner-Haus aufsucht, dafür sorgt das Museum. Seit Donnerstag stehen dort große Bildtafeln in grobem Holzrahmen. Sie informieren über Friedelinds Leben. Und weil sie förmlich im Wege herumstehen – als „Intervention“, wie Dobrick erklärte – erinnern sie allen durch ihre Sperrigkeit ans schwarze Schaf der Familie.