Kaputte Kanäle: Notruf aus den Gemeinden

Von Moritz Kircher
Bei Kanalbefahrungen mit der Kamera stoßen Fachfirmen auf erstaunlich kreative Lösungen zum flicken von Löchern. Dieses Foto der Bayreuther Firma Willi Preis stammt nicht aus der Region. Aber auch hier sind die Kanäle vielerorts in schlechtem Zustand. Foto: Peter Preiss Foto: red

Die Eckersdorfer Rathausspitze schlägt Alarm. Bürgermeisterin Sybille Pichl und Verwaltungsleiter Bernhard Brosig sehen in den kommenden Jahren Millionenkosten für Kanalsanierungen auf die Gemeinden der Region und damit direkt auf die Bürger zukommen. Pichl und Brosig fordern mehr Unterstützung vom Freistaat.

 
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"Der Freistaat muss den Kommunen helfen", fordert die Bürgermeisterin. Das tut der zwar. In den sogenannten Richtlinien für Zuwendungen in wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas) stehen laut Angaben des bayerischen Umweltministeriums jedes Jahr 70 Millionen Euro zur Verfügung. Allerdings nur für Härtefälle. Und Sybille Pichl fordert weiter: "Weg mit der Härtefallregelung."

Fördergeld nur für Härtefälle

Ein Indiz dafür, dass kaum Gemeinden unter die Härtefallregelung fallen: Bisher wurden kaum Gelder über die RZWas für die Kanalsanierung abgerufen. Die Förderrichtlinie ist seit Anfang 2016 in Kraft. Bisher seien zehn Millionen Euro beantragt und in Aussicht gestellt worden, teilt das Umweltministerium auf Kurier-Anfrage mit - für die Sanierung von Trink- und Abwasseranlagen zusammen.

Härtefall ist, wer in den vergangenen 20 Jahren und bis ins Jahr 2019 schon viel Geld ins Kanalnetz gesteckt hat beziehungsweise stecken wird. Sind das mehr als 3350 Euro pro Einwohner, dann gibt's Geld vom Freistaat für weitere Kanalsanierungen. Eckersdorf hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten nach Angaben von Verwaltungsleiter Brosig knapp sechs Millionen Euro investiert - also 1155 Euro pro Einwohner. Um in den Genuss der Förderung zu kommen, musste die Gemeinde also in den nächsten drei Jahren noch einmal 12 Millionen Euro in die Hand nehmen. Völlig undenkbar, sagt die Bürgermeisterin.

Pichl: Südbayern wird systematisch bevorzugt

Kaum eine Gemeinde in Oberfranken dürfte unter die Härtefallregelung fallen, schätzt Verwaltungsleiter Brosig. Denn in Nordbayern lägen die maßgeblichen Investitionen in Ausbau und Sanierung des Kanalnetzes schon länger als 20 Jahre zurück. Südbayern werde durch das Förderprogramm systematisch bevorzugt, "weil die später mit den Investitionen angefangen haben", sagt Pichl.

Die Crux: Was der Freistaat nicht über Fördermittelt zuschießt, müssen am Ende die Bürger bezahlen. Denn das Abwassersystem ist eine sogenannte kostenrechnende Einrichtung. Die Bau- und Betriebskosten für Kanal und Kläranlagen müssen also die Nutzer bezahlen. Derzeit liegt der Preis pro Kubikmeter Abwasser in Eckersdorf bei 2,70 Euro. Wenn die Gemeinde in den kommenden Jahren mit der Kanalsanierung beginnt, dann steigen entweder die Gebühren. Oder aber, die Bürger müssen hohe Einmalbeiträge zahlen - ähnlich der umstrittenen Straßenausbaubeitragssatzung. Der Gemeinderat muss entscheiden, auf welche Art die Haus- und Grundstücksbesitzer zur Kasse gebeten werden sollen.

"Der Bund und der Freistaat schauen nur auf ihren ausgeglichenen Haushalt"

Eine Studie der Technischen Universität München beziffert den sofortigen bis mittelfristigen Sanierungsbedarf bayernweit auf 5,8 Milliarden Euro. Was bedeutet sofort bis mittelfristig? Das Umweltministerium teilt dazu mit: "Sanierung innerhalb von durchschnittlich sechs Jahren." Die Kommunen in Bayern müssten also rund eine Milliarde Euro pro Jahr für die Kanalreparatur ausgeben. Demgegenüber stehen maximal 70 Millionen Euro Förderung pro Jahr durch den Freistaat bis Ende 2019. Wobei das Ministerium ankündigt: "Eine Weiterführung dieser Härtefallförderung ist aus Sicht des Umweltministeriums beabsichtigt."

Wie lange die Förderung auch läuft, für Pichl und Brosig ist es ein Unding, dass vielerorts die Bürger alles zahlen sollen. "Der Bund und der Freistaat schauen nur auf ihren ausgeglichenen Haushalt", sagt Pichl. "Und das geht zu Lasten der Gemeinden, die die Kosten auf die Bürger abwälzen müssen." Damit werde das genaue Gegenteil von gleichwertigen Lebensverhältnissen erreicht - ein Staatsziel, das seit mehr als drei Jahren in der bayerischen Verfassung steht. Sie befürchten, dass das Leben auf dem Land für die Menschen immer unattraktiver wird, wenn die Staatsregierung nicht einschreitet.

"Ich gehe davon aus, dass wir regelmäßig in den Kanal investieren müssen."

Wie kaputt die Kanäle in den Gemeinden der Region wirklich sind, kann vielerorts nur erahnt werden. In einigen Gemeinden kommt in den Kläranlagen mehr Wasser an, das in defekte Kanäle einsickert, als echtes Abwasser. In Eckersdorf ist dies zwar nicht der Fall. Aber wie in den meisten anderen Landkreisgemeinden auch wird heuer der Kanalzustand durch eine Kamerabefahrung erfasst, dokumentiert und ein Sanierungskonzept erstellt. Alleine das koste schon einen hohen sechsstelligen Betrag, sagt der Verwaltungsleiter. "Ich gehe davon aus, dass wir regelmäßig in den Kanal investieren müssen."

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