Dort trug Allen Ginsberg 1955 sein berühmtes Gedicht "Howl" ("Das Geheul") über Sex, Rausch und ein neues Lebensgefühl vor. Der explizite Text löste einen Skandal aus, die Staatsanwaltschaft befand das Gedicht als obszön. Als Verleger wurde Ferlinghetti verklagt, doch er gewann den Prozess, der die Beatniks ins Rampenlicht rückte. "Ein mutiger Mensch und ein mutiger Poet", sagte der Sänger Bob Dylan einmal über Ferlinghetti. Doch der wehrt ab. "Für uns war es einfach Dichtkunst, die veröffentlicht werden musste."
Zu seinem 100. Geburtstag sind zig Events geplant: Lesungen und Feiern in City Lights, Filmvorführungen, eine Ausstellung seiner Bilder. "Bis mein Augenlicht schlechter wurde, habe ich viel gemalt", erklärt der graubärtige Ferlinghetti. Der zweifache Vater will selbst nicht an den vielen Feierlichkeiten in San Francisco teilnehmen. Dafür sei er körperlich zu schwach, sagt sein Assistent Mauro Aprile Zanetti. Er ist beim Schreiben und auch bei Interviews behilflich, die Ferlinghetti nur noch telefonisch führt.
Am Telefon lacht er oft. "Das kann ich nicht verraten. Das ist eine Überraschung", amüsiert er sich über die Frage, wie er denn seinen Geburtstag feiern werde. Die große Beachtung seines Schaffens zu seinem Jubiläum habe er nicht erwartet. "Ich war nur ein Hund, der aufmerksam durch die Straßen lief und alles um sich herum wahrnahm", sagt der Dichter und Verleger. Sein Gedichtband "A Coney Island of the Mind" (1958), in über zwölf Sprachen übersetzt, ist bis heute ein Bestseller.
Ob er denn als Hundertjähriger noch jeden Tag schreiben werde? "Nein, aber vielleicht jede Nacht", kontert Ferlinghetti. "Dies sind Zeiten, in denen man nachts schreiben sollte."