Jazz-November: Pure Energie im Bechersaal

Von Michael Weiser

Das mit dem Verbindenden, das der Musik innewohnt, hört sich wunderbar an. In der Theorie zumindest. In der Praxis gehören meistens auch Instrumente dazu, was im Fall des Bayreuther Jazznovember um ein Haar zur Trennung geführt hätte. Genauer: dazu, dass ein Künstler gar nicht erst in Bayreuth antritt. Aly Keïta nicht in Bayreuth? Es wäre richtig schade gewesen.

 
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Die Geschichte muss sich, traut man den Erzählungen, ungefähr so zugetragen haben. Aly Keïta, ein schwarzer Musiker, geboren in der Elfenbeinküste, stand in Berlin am Busbahnhof, mit zwei Tickets: eines für sich, eines für sein Instrument. Ein Balafon, ein Xylophon mit Flaschenkürbissen als Resonanzkörpern. Und da hatte der Spaß für den Busfahrer ein Loch. In seinen Fahrtbestimmungen meinte er gelesen zu haben, dass solche voluminösen Instrumente nicht mitgeführt werden dürften. Es kann allerdings auch sein, dass der Busfahrer mit Schwarz auf Weiß noch etwas anderes missverstanden hatte, jedenfalls wusste Jazzforums-Chef Kaspar Schlösser zu berichten, dass auch ein anderer Afrikaner vergebens um Mitfahrgelegenheit ersuchte. Ein Kameruner. Ohne Instrument. Der Bus, so erzählte es Schlösser, sei leer in Bayreuth angekommen. Wenn nicht zwei wackere Bayreuther früh morgens nach Berlin gefahren und Aly Keïta nach Bayreuth gebracht hätten – dann hätte der Jazznovember ein Problem gehabt. Und die Bayreuther hätten einen echten Höhepunkt – nun, nicht verpasst, sondern einfach nicht erleben dürfen.

Pure Energie

Was die Schweizer Jan Galega Brönnimann und Lucas Niggli, beide geboren in Kamerun, zusammen mit Aly Keïta unter dem Namen Kalo Yela - Mondschein - auf die Bühne wuchteten, das war ein Erlebnis. Nicht einfach, weil's gut klang. Davon darf man ausgehen, Schlösser und seine Mitstreiter sind nun nicht eben bekannt dafür, Anfänger einzuladen. Nein, diesmal wegen der schieren Energie, die da von der Bühne runterwummerte. Wer sagt denn, dass man einen Bass braucht? Einen Synthesizer? Nein, das kann man auch anders regeln. Keïta zum Beispiel auf seinem Xylophon, das – von ihm extra gebaut, von ihm mit Power gespielt, einen Obertonreichtum offenbarte, den man beim Synthesizer eben nicht hört. Das fängt oftmals minimalistisch an, Brönnimann spielt mit seinem Basssaxophon so etwas wie Riffs – das klingt, übers Mikro verstärkt, übrigens wirklich wie ein echter Bass mit Saiten - Aly Keïta klöppelt drumherum, Niggli lässt den Schlagzeug-Sound drumherumtänzeln. Und auf einmal explodiert das Ganze förmlich. Wir reden nicht von einfacher Lautstärke, wir reden von Kraft. Und das wiederholt sich von Nummer zu Nummer, sogar bei einem angeblichen Wiegelied – und wird doch nicht fad. Virtuosität, Spielfreude, große Dramaturgie auch in einzelnen Sets – ja, so macht Jazz Spaß.

Musik kann doch verbinden, manchmal eben erst nach Hindernissen. In diesem Falle sah's so aus: Begeisterte Musiker, begeistertes Publikum, so überzeugt sieht man die Bayreuther ihre Zurückhaltung auch nicht oft aufgeben. Das Wegfahren in Berlin mag manchmal schwer fallen. Die Ankunft gelang. Die Musiker jedenfalls versprachen baldige Rückkehr. Wer diesmal den Bus verpasst hatte, bekommt dann eine neue Gelegenheit.

Später am Abend: Jazz im Glashaus

Lewis Nkosi, der große südafrikanische Schriftsteller, hat einmal geschrieben, dass Jazz die Form von Musik sei, die deutlich mache, dass das Leben sich nur im Moment abspiele. Dass es nichts Größeres gibt als eben diesen Augenblick. Leben, Lust, Mut, Drama, alles präsent. Ähnliches schwebte gestern Nacht durchs Glashaus: Auf der Bühne erzeugten Schlagzeuger Tumi Mogorosi aus Johannesburg/Südafrika, Residenzkünstler des Freundeskreis Iwalewahaus und der Bayreuth Academy, zusammen mit Niklas Werk und Johannes Gerber eine leidenschaftliche Bestätigung des Daseins. Gebanntes Zuhören  der Gäste, die auf dem Campus erschienen waren. Und war einer jener wunderbaren Momente des Jazz-Novembers, als die Band um Aly Keïta am Balafon —  Jan Galega Brönnimann und Lucas Niggli —  die kurz zuvor im Bechersaal begeistert hatten, auf die Bühne des Glashauses traten und den Jam eröffnen. Live-Musik am Spätabend: Heilsam, mitreißend, großartig.

Und zum Abschluss: Jazz, ganz klassisch

Ungewöhnliches hatte man gehört während vier Tagen „Jaffrica“. Am Sonntag endete der Jazznovember dann aber ganz traditionell: Mit Bänz Oester (Foto: Andreas Harbach) & the rainmakers, einem Quartett in der ganz klassischen Besetzung: Kontrabass, Drums, Piano und Saxophon. Jazz wie man ihn zu kennen meint – bis man dann eben mal wieder im Saal Platz genommen und die ersten Töne einer ziemlich explosiven Schweizer-indischen-südafrikanischen Mischung mitbekommen hat. Sehr zufrieden war Kaspar Schlösser vom Jazzforum, der mit seinen Mitstreitern des Minifestival erneut organisiert hatte. „Dieses Jahr hat der Jazz-November gezeigt, was in ihm steckt“, sagte er. „Musikalisch überragende, ausverkaufte Konzerte inklusive vollem Glashaus mit Festival-Jam. Und Über 800 Besucher.“ Gute Sache – und doch am Scheideweg: „Jetzt kann man es entweder fränkisch-klein zerkochen lassen – oder zu etwas Großem entwickeln“, sagt Schlösser. Alleine könne das Jazzforum das nicht mehr ziehen. 

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