Iranisches Ehepaar beschreibt die Zustände in Flüchtlingsunterkunft sehr negativ – Bürgermeister und Diakonie widersprechen deutlich Gegensätzliche Aussagen

Von
In Obertrubach leben Flüchtlinge aus dem Iran. Sie haben keinen Kontakt zur Bevölkerung. Foto: Ralf Münch Foto: red

Es gehen nur zwei Herdplatten – sagt Negar – , überall liegt Dreck, im Kühlschrank liegen undefinierbare Essensreste, im Treppenhaus herrscht ein unangenehmer Geruch – es wirkt nicht einladend. Im dritten Stock des ehemaligen Hotels Grüner lebt zurzeit ein junges Ehepaar aus dem Iran mit seiner Tochter. Sie klagen. Aber die Verantwortlichen weisen der „schwierigen“ Familie die Verantwortung zu. Bald muss sie wohl ausreisen. 

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Vor anderthalb Jahren kamen Mohammad und seine Frau Negar (33) nach Deutschland. Mittlerweile haben sie eine elfmonatige Tochter – Elisa. Ihren vollständigen Namen wollen die beiden nicht nennen, auch auf dem Bild nur von hinten zu sehen sein. Sie befürchten sonst Schwierigkeiten mit der iranischen Polizei. Mohammad habe einen Bachelorabschluss für die IT-Branche, sagte er. Negar sei im Iran eine Kollegin von ihm gewesen, sagt sie. Im Iran seien sie vom Islam zum Christentum gewechselt, erzählt das Ehepaar. Das wurde dort nicht gern gesehen und sie entschlossen sich zur Flucht. Mit dem Flieger ging es über die Türkei nach Deutschland, erst nach Nürnberg und Zirndorf, seit neun Monaten leben sie in Obertrubach.

In Forchheim zum Deutschkurs

Von Montag bis Donnerstag besucht Mohammad in Forchheim einen Deutschkurs. Eine Stunde mit dem Bus hin, eine Stunde warten bis es losgeht, vier Stunden Unterricht, eine Stunde auf den Bus zurück warten, eine Stunde Heimfahrt. In Nürnberg hätte er bei einer PC-Firma eine Stelle bekommen, so Mohammad. Doch die darf er nicht annehmen, sagt er. Mohammad zeigt einen Ausweis mit dem Titel „Aufenthaltsgestattung“. „Das Landratsamt sagte zu mir, wenn hier ein Kreuz ist, dann darf ich in Deutschland nicht arbeiten“, deutet er auf das Kärtchen. „Die Angaben zur Person beruhen auf den eigenen Angaben des Inhabers. Ein Identifikationsnachweis durch Originaldokumente wurde nicht erbracht“– heißt es vor dem Kreuzchen.

Lernen übers Internet

Negar könne nicht zum Sprachunterricht, sagt sie, weil sie die kleine Tochter betreue. Erst mit einem Jahr könne Elisa in die Krippe gehen, hatte man ihr gesagt. „Als ich jetzt erneut nachfragte, hieß es, ich muss noch ein Jahr warten, weil kein Platz ist“, sagt die 33-Jährige. Negar lernt in der Unterkunft übers Internet selbst Deutsch. Kontakt zu den anderen Flüchtlingen – arabischer Herkunft – im Haus hat sie nicht. Die junge Familie hat ein etwa zwölf Quadratmeter großes Zimmer mit Tisch, Stühlen, einem Sessel und ein Schlafzimmer. Hier schlafen sie alle Drei in einem Bett. „Ich liege in der Mitte zwischen den Matratzen“, sagt Negar. Ihr tut schon der Rücken weh. Kochen tut sie in der großen Gemeinschaftsküche.

Auf Gerichtsurteil warten

Auch zu den Ortsbewohnern habe sie keinen Kontakt, keinerlei Anschluss an Vereine, es gibt keine Einkaufsmöglichkeiten im Ort, keinen Arzt, keine Apotheke, sagt sie. Dafür muss sie mit dem Bus nach Forchheim fahren. Neben der Küche hängt ein Zettel der Diakonie. Eine Mitarbeiterin bietet darauf ihre Unterstützung beim Asylverfahren an. „Sie war aber noch nie hier“, sagt Negar. Auch sonst niemand, weder vom Rathaus noch von der Kirche noch vom Helferkreis, den es mal gab (wir berichteten). Ihr Antrag, in Forchheim eine Unterkunft zu bekommen, wurde von der Behörde abgelehnt. Ebenso gab es einen Negativbescheid auf den Asylantrag. Nun wartet die Familie auf einen Entscheid des Gerichts.

Diakonie ist regelmäßig vor Ort

„Man muss immer beide Seiten sehen“, sagt Bürgermeister Markus Grüner. Wenn von den Flüchtlingen jemand ins Rathaus kommt und Hilfe braucht, bekomme er die auch. Aber momentan hat er den Eindruck, dass die Bewohner alle selbstständig sind. Von den prekären Umständen im Haus hat er schon gehört. „Wir haben dem Eigentümer das weitergegeben und gebeten mal nach dem Rechten zu sehen“, sagt Grüner. Der Bürgermeister verweist auch auf die Dame von der Diakonie, die regelmäßig vor Ort sei.

Das Haus gehört Stefan Schick – Stadt- und Kreisrat der CSU in Forchheim. 2014, als zu wenig Flüchtlingsunterkünfte da waren, hat er auf Privatinitiative Häuser gekauft, stellt sie als Unterkünfte zur Verfügung. Sieben sind es mittlerweile. „Das ist eine sehr anspruchsvolle Familie, sie war vom ersten Tag an unzufrieden“, sagt Schick. Es gebe solche und solche. Er bestätigt, dass bei einem Herd, der noch aus dem Hotelbetrieb stammte, zwei Platten nicht gingen. Er haben dann drei Haushaltsherde aufstellen lassen. „Die Bewohner verfügen über zwölf Platten“, sagt er. Auch ein Hausmeister kommt zwei- bis dreimal die Woche, eine Grundreinigung wird gemacht. „Aber die Bewohner sind zur Mithilfe angehalten, sie sollen es als ’ihr’ Haus ansehen“, sagt er. Er verstehe die Hilferufe der Familie, betont aber, sie sei Obertrubach zugewiesen und wenn sie eigenmächtig das Haus verlasse, verliere alle Ansprüche.

Anspruchsvolle Familie

Thomas Laitsch, der den Helferkreis organisiert, sagt, dass nicht mehr so der Bedarf herrsche. „Die Flüchtlinge sind sehr selbstständig“, lobt er. Auch die Kleiderkammer im Ort gebe es nicht mehr, die Asylbewerber kaufen ihre Sachen jetzt selbst. Auch er bezeichnet die iranische Familie als anspruchsvoll.

Das Ehepaar sei nicht einer Unterkunft in Forchheim zugewiesen, weil dort nur alleinstehende Männer wohnen, sagt Kathrin Schürr, Pressesprecherin des Landratsamtes Forchheim. „Wir haben sie deshalb für Obertrubach eingeteilt, weil dort mehrere Familien leben“, sagt sie.

Kein Verständnis für geltende Rechtsformen

„Ich bin regelmäßig in der Unterkunft, stehe mit Negar fast täglich im Whatsapp-Kontakt“, sagt Diana Könitzer, Integrationsbeauftragte der Diakonie, kopfschüttelnd zu der Aussage der Iranerin, sie kenne sie nicht. Es sei mit die schwierigste Familie, die sie betreue, sagt sie. „Es fehlt das Verständnis für geltende Rechtsnormen, nichts ist gut genug“, sagt Könitzer diplomatisch. So sei der Familie beispielsweise ein kleiner Fernseher zur Verfügung gestellt worden, sie wollte aber einen großen. „So leid es mir tut, aber mir sind auch manchmal die Hände gebunden“, so Könitzer. Und zur Kindesbetreuung: „Es gibt eine Tagesmutter in Forchheim, da könnte Elisa sofort hin, aber die Familie kümmert sich nicht darum.“ Außerdem gebe es einen Ehrenamtlichen aus Erlangen, der Negar überall hinfahre. „Das ist soziale Integration, aber es ist nicht gut genug.“

Innerhalb von 30 Tagen ausreisen

Zu dem Kreuz bei der Aufenthaltsgestattung erklärt Könitzer: „Mohammad hat keine eigenen Dokumente, hat nicht bei einer Passbeschaffung mitgewirkt, darum bekommt er keine Arbeitserlaubnis.“ Die Gestattung gilt bis Ende Juli. Wenn sie nicht verlängert wird, muss die Familie innerhalb von 30 Tagen ausreisen.

„Da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt“, sagt Negar leise am Telefon, als sie damit konfrontiert wird, dass Kontakt zwischen ihr und Könitzer besteht. „Ja, wir whatsappen regelmäßig“, räumt sie ein.

Autor