Integration Der etwa andere Deutschunterricht

Von Marcel Staudt
Die Frauen hören aufmerksam zu, wenn die Integrationsbeauftragte Veronika Kobert vorne an der Tafel Begriffe erklärt. Manchmal bringen die Teilnehmerinnen auch ihre Kinder mit. Foto: Marcel Staudt Quelle: Unbekannt

In den Räumen der evangelisch-methodistischen Kirche Pegnitz wird jeden Mittwochvormittag fleißig Deutsch gelernt. Frauen aus acht Nationen treffen sich. Ein Besuch.

 
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PEGNITZ.

Föhnen ist das letzte gesuchte Wort. Die Blumenmannschaft tritt gegen die schönen Frauen an. Vorne an der Tafel werden mittels Pantomime deutsche Begriffe erklärt. Es gilt, das passende Wort in der noch fremden Sprache zu finden. „Haare waschen“, „trocknen“, „kämmen“, rufen die Frauen durcheinander. Bis letztlich die Syrerin Aisha auf „föhnen“ kommt. Sie sichert der Blumenmannschaft die Punkte und den Tagessieg, aber am Ende des heutigen Unterrichts können auch die Unterlegenen lachen: Wieder haben sie sich in der Gruppe getroffen und sind ihrem Ziel gemeinsam ein Stück näher gekommen: Deutsch lernen.

Jeden Mittwoch treffen sie sich

„Ich brauche die Sprache, damit ich hier leben kann“, sagt die 26-jährige Syrerin Hiba, die gerne wie in der alten Heimat wieder als Friseurin arbeiten möchte. Doch dafür muss sie erst einmal das erforderliche Sprachniveau erreichen. Die Treffen jeden Mittwoch helfen ihr dabei. „Man muss üben, sonst vergisst man die Wörter wieder.“

Als Veronika Kobert, Integrationsbeauftragte der Stadt, und Gymnasiallehrerin Viktoria Kunz Anfang 2017 den Mutter-Kind-Treff ins Leben riefen, dachten sie noch nicht daran, dass diese Stunden eines Tages dazu taugen könnten, eine Art Prüfungsvorbereitung zu sein. „Durch den Familiennachzug aus den Kriegsländern sind damals viele Frauen nach Pegnitz gekommen. Sie konnten kein Wort Deutsch“, erinnert sich Kobert. Auch fehlte den Frauen jeglicher Anschluss zu anderen Müttern. Der Treff war dazu da, „wenigstens einmal pro Woche rauszukommen“, sagt Kobert. Doch aus 20 interessierten Frauen wurden 40, plus Kinder, die Kapazitätsgrenze war überschritten. „Aber der Unterstützerkreis Pegnitz hat viele Spenden gesammelt, sodass die Kinder in die Mittagsbetreuung gehen können.“ Nun war Platz und Zeit für die Frauen. Nach zwei Ortswechseln findet der Deutschlernkurs seit Herbst in Räumen der evangelisch-methodistischen Kirche an der Schmiedpeunt statt. Gemeinsam mit Hilde Ackva-Nikol vom Unterstützerkreis leitet sie die Unterrichtsstunden, die viel mehr sind als Unterricht.

Kollektives Lächeln

Das merkt man am Tag des Besuchs, als die Blumenmannschaft gerade gegen die schönen Frauen gewonnen hat. Erst wird es heiter. Eine Frau aus dem Irak erzählt, dass ihr Mann kommende Woche ein Vorstellungsgespräch als Vorarbeiter bei einer Bayreuther Firma hat. Kollektives Lächeln in der Runde. Aisha sagt: „Ich drücke euch die Daumen.“

Es ist ihr Lieblingssatz auf Deutsch. „Meine Söhne haben das in der Schule gelernt und mir erzählt. Er gefällt mir sehr gut.“ Dann wird es ernst. Es geht um Komplikationen bei einer Geburt, privater geht es kaum. Gibt es auch Tabuthemen? „Es wird nie in der Gruppe beredet, wer vielleicht nicht in Deutschland bleiben darf“, sagt Kobert, „da suchen die Frauen das Gespräch unter vier Augen.“

Unterschiedliche Kulturen kennenlernen

Doch nicht alle Teilnehmerinnen sind Geflüchtete. Es gibt auch eine Lettin, deren Mann versucht, in Pegnitz zum Eishockeyprofi zu reifen. Oder die Russin Tatjana, mit 49 Jahren die Älteste. „Hier lernt man unterschiedliche Kulturen kennen und kann sich austauschen. Das ist super“, sagt Hiba und spricht damit stellvertretend für die ganze Gruppe.

Info: Der Deutschlernkurs für Frauen bei der evangelisch-methodistischen Kirche findet jeden Mittwochvormittag ab 9 Uhr statt und dauert etwa eine Stunde. Neue Gesichter sind jederzeit willkommen.

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