In München erfährt man in zwei Ausstellungen viel über Gegenwart und Vergangenheit der Festspiele Meese und die Chefsache Wagner

Von Michael Weiser

Der eine rechnet ab und verspricht die Rückkehr als reiner Tor, der andere blickt zurück auf ein reiches Bühnenschaffen. Und einen Buh-Orkan in Bayreuth. In den Ausstellungen von Jonathan Meese  und Bühnenbildner Jürgen Rose kann man in München viel über Gegenwart und Vergangenheit der Festspiele erfahren. 

 
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Zwei oder drei der Gemälde erinnern an Torten, die jemand an die Wand gehängt hat. Knallebunt sind sie, die Farbe so gespachtelt,  getröpfelt und aus der Tube gedrückt, dass man an die Dekorationsarbeit eines Konditors denkt.

Jonathan Meese ist nicht unbedingt der Mann des feinen Tuschefederstrichs, er trägt schon mal etwas kräftiger auf. Wenn er bei der Eröffnung seiner Ausstellung in München die Zerstörung Bayreuths prophezeit, dann ist mitnichten ein Gebäudeabtrag bis auf die Grundmauern gemeint, sondern vielmehr der Zusammenbruch einer Institution. Die Festspiele meint er, die er als Bewahranstalt sieht. „Das ist doch ein Kartenhaus“, sagt er und lacht grimmig. „Zieh eine Karte raus, und das Ganze fällt in sich zusammen.“

Man kennt die Geschichte, es ist die Geschichte eines Versprechens (der eine oder andere Wagnerianer zog es vor, von einer Drohung auszugehen), das nicht eingelöst wurde. Jonathan Meese sollte 2016 den „Parsifal“ auf die Bühne bringen und sprach demütig vom Dienst an der Kunst, als Kunstameise oder Kunstsoldat. Oder eben als Parsifal, der reine Tor, der stets zur Mutter strebt. Dann der Knatsch. Meese hätte das Budget gesprengt, wurde offiziell verlautbart. Was dem 45-Jährigen erneut grimmig lachen lässt. Sehr grimmig sogar. „Ich hab ja angeboten, das Geld draufzulegen, das hätten wir gestemmt.“

Der Künstler, die Bratwurst

In der neuen Ausstellung in München kann man sehen, wie Meese diese Zurückweisung aufarbeitet. Die Wände der Galerie Sabine Knust sind vollgekritzelt, mit Gedanken zum Parsifal, zum Erzwagner, zu den mutlosen Erzbewahrern, die sich, so Meese, „verpissen“ sollen. Eine Plastik bringt seine Bayreuth-Erfahrung auf den Punkt. Ein Bühnenportal ist zu sehen, ein Kasperle daneben, und durch das Bühnenportal ragt wie ein Phallus eine Bratwurst. Damit meint er vermutlich gar nicht so sehr die Bayreuther Nationalspeise als vielmehr seine eigene Rolle in dem Ganzen: „Ich“ steht auf der Bratwurst. Der Künstler, das arme Würstchen, der Hättesogern-Regisseur, der eine übergebraten bekommt.

Man erfährt ein bisschen etwas davon, wie er sich den Parsifal vorgestellt hätte. Ein stolzer Bannerträger und doch ein Kind. Das reine Kind. So sieht er sich selber. Seine Mutter ist dabei, so wie stets, wenn Meese eine Ausstellung eröffnet, man kann sich vorstellen, warum er sich so gut mit der Figur des Parsifal identifizieren kann. „Wir wissen nicht, was passiert, nachdem er den Gral entgralt hat. Ich geh davon aus, dass er ein Künstler ist, der sich nicht zum miesen König aufschwingt, sondern dass er Künstler bleibt und wieder zurückgeht zu Mama.“ So hat er’s mal dem Unternehmer und Sammler Harald Falckenberg gesagt. Dazu wird’s nicht kommen, man weiß nicht, wie Jonathan Meese Bayreuth „entgralt hätte“, man wird es vielleicht niemals wirklich erfahren, auch wenn der Künstler dann später fast noch trotzig verspricht: „Parsifal hört nicht auf, Parsifal kommt wieder.“

Fallende Götter

Meeses „Parsifal“ hätte die Zukunft sein können, sein Rauswurf ist Gegenwart. Währenddessen breitet ein Großmeister der Bühne in zwei Häusern die Vergangenheit aus. Jürgen Rose hat eine Doppelausstellung organisiert, zu Fuß nur wenige Meter von Meese entfernt: im Theatermuseum empfangen den Besucher fallende Götter aus dem „Ring“, bevor er Entwürfe von Bühnenbildern und Kostümen und – über Bildschirme – Fotos aus Produktionen bestaunen kann, die Rose mitgestaltet hat. In der Akademie kann man vor allem legendäre Kostüme des Meisters betrachten.

Rose hat viel Erfahrung mit Wagner. Und mit Bayreuth und seinem Empörungspotenzial. 1972 war er für Kostüme und Bühne von Götz Friedrichs „Tannhäuser“ verantwortlich, 1990 für den „Holländer“ von Dieter Dorn. Die Publikumsreaktion 1972 ist ihm besonders gut im Gedächtnis geblieben. „Ein wahnsinniger Buh-Orkan“, sagt Rose. „Und nachher war das eine Kult-Inszenierung. Verrückt. oder?“

INFO: Jonathan Meeses Ausstellung „Chefsache Richard Wagner“ in der Galerie Sabine Knust an der Ludwigstraße 7 in München ist bis 29. August geöffnet. Jürgen Roses Doppelschau „Nichts ist so lebensfüllend wie das Theater“ in der Akademie der Schönen Künste und im Deutschen Theatermuseum ist bis zum 15. Oktober geöffnet.