Immer mehr Menschen fallen durch die Führerscheinprüfung – Wie kann das sein? Fahrprüfung: Leider durchgefallen

Von Thorsten Gütling
Der Fahrlehrer Ingo Jeray (links) nimmt Redakteur Thorsten Gütling ein zweites Mal die Fahrprüfung ab. Foto: Moritz Kircher Foto: red

Das Gerücht hält sich hartnäckig. Dass, wer vor vielen Jahren die Führerscheinprüfung bestanden habe, das heute längst nicht wieder schaffen würde. Was dran ist? Ein Selbstversuch. Mit Video.

 
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Das Resultat des Fahrlehrers hätte besser ausfallen können. „Dass wir überleben, war klar“, sagt Ingo Jeray nur, nachdem er den Prüfling eine halbe Stunde durch die Stadt geschickt hat. Viel mehr als Überleben war aber nicht drin, beim Versuch, die praktische Fahrprüfung nach 18 Jahren noch einmal zu bestehen. Einige kleinere und ein großer Fehler lassen nur ein Urteil zu: Durchgefallen.

Das Auto sieht heute anders aus

Das Fahrschulauto ist voller Technik. Anders als das eigene, das bald zehn Jahre auf dem Buckel hat. Beim Versuch, die elektrischen Spiegel einzustellen, fahren erstmal alle ein und wieder aus. Beim ersten Anfahren stirbt der Motor. Eilig drückt der Prüfling einen Knopf, der den Autoschlüssel ersetzt – und macht das Auto damit aus statt an. Wer kann schon wissen, dass das Drücken der Kupplung heutzutage reicht. Jeray, der Regionsvorsitzende des Landesverbandes Bayerischer Fahrlehrer, sagt: Ruhig bleiben. Der Prüfling wird trotzdem nervös. Die Sache mit dem fremden Auto hatte er völlig unterschätzt.

Es sind die kleinen Fehler, die sich im Laufe der Jahre eingeschlichen haben. Die sich aber läppern. Und die im Falle eines Falles schwerwiegende Folgen haben können. Die Hand oben aufs Lenkrad zu legen, zum Beispiel. „Geht der Airbag auf, schlagen Sie sich selbst ins Gesicht“, sagt Jeray. Und einhändig fahren? Geht eben nur so lange gut, wie man nicht blitzschnell reagieren muss.

Autobahnfahrt muss sein

Beim Einfädeln auf der Autobahn hält der Prüfling zu wenig Abstand zu einem Lastwagen. Fünf, vielleicht sechs Meter sind es. Bei Tempo 80 müssten es 40 Meter sein -- halber Tacho eben. Zwar blinken im Armaturenbrett irgendwelche Lichter, die den Prüfling darauf aufmerksam machen, der Fahrlehrer hat es aber auch längst gemerkt.

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Wo die Wieland Wagner- zur Richard Wagner Straße wird, tappt der Prüfling dann ins nächste Fettnäpfchen. Gerade als er den Fahrzeugen aus der Romanstraße Vorfahrt gewährt und denkt, alles richtig gemacht zu haben, spricht der Fahrlehrer von einem Problem. Denn der Prüfling hätte abbiegen müssen. Auch ohne Ansage. Weil die Richard Wagner Straße ab der Romanstraße nämlich nur für Anlieger freigegeben ist. Und es kommt noch schlimmer. An der Stadtbücherei weist der Fahrlehrer auf ein Schild hin, das das Ende einer Spielstraße verkündet. Mit 15 Stundenkilometern ist der Prüfling da unterwegs, das sind rund zehn zuviel. Verraten hat ihn aber auch der zweite Gang. Der keine Absicht habe erkennen lassen, dass der Prüfling über die Spielstraße im Bilde sei, sagt der Fahrlehrer und spricht jetzt schon von „einigen Punkten“, die „zumindest keine positive Bewertung“ zulassen würden. Dabei ist der schwerste Fehler noch gar nicht gemacht.

Härtetest am TÜV

Es geht durch die Spinnereistraße, vorbei am TÜV. Hier muss fast jeder Prüfling lang, sagt Jeray. Beim Rechtssabbiegen auf den Nordring passiert es dann. Dass da ein Radweg kreuzt ist dem Prüfling noch bewusst. Entsprechend langsam fährt er ihn an, schaut, erst links dann rechts, und fährt. Aber er steht halt nicht, so wie es das angebrachte Stopp-Schild verlangt. Für jeden anderen Prüfling wäre an dieser Stelle Schluss. Wenn es die Polizei mitbekommt, sind 70 Euro fällig, sagt Jeray. Und zwar nicht zu Unrecht. Wenige Meter weiter sei bereits ein Radfahrer tödlich verunglückt.

Wäre die Prüfung eine echte, wäre in zwei Wochen die nächste Chance, sie zu bestehen. Dazwischen würde eine Fahrstunde helfen, sagt Jeray. Niemand falle schließlich grundlos durch.

Kommentar

Die Gewohnheit wird zum Problem. Man kennt sich aus, fliegt quasi im Blindflug durch die Stadt. Wo sich Straßen und Wege einsehen lassen, wen juckt es da, ob ein Stopp-Schild steht? Wer regelmäßig zum Bäcker fährt, wer kann da sicher sagen, ob die Straße dorthin auch für den Durchgangsverkehr freigegeben ist. Und wer jahrelang einhändig unfallfrei unterwegs ist, warum sollte der die Komfortzone verlassen? Dass diese Gewohnheiten teuer und gefährlich werden können, merkt, wer sich noch einmal in die Situation eines Fahrschülers zurück versetzt. Der nimmt danach wieder bewusster wahr, wo Schilder zum Anhalten oder nur zum Vorfahrt gewähren zwingen. Und dass diese Unterschiede einen Grund haben. Bleibt nur abzuwarten, wie lange der Effekt anhält.

thorsten.guetling@nordbayerischer-kurier.de

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