Bis Sonntag sollen die Kirchenmänner - es sind lediglich 10 Frauen unter den etwa 190 Teilnehmern - einen Ausweg aus der Krise finden. Der erste Tag steht unter dem Motto Verantwortung, am zweiten Tag wird Rechenschaftspflicht diskutiert und am dritten Transparenz.
Zudem gibt der Papst nun mit seiner "Roadmap" eine klare Linie für die Diskussionen vor. Nicht alle Vorschläge sind brandneu, wie der Kirchenrechtler und Theologie-Professor Thomas Schüller klarmacht. Viele Punkte kenne man aus dem deutschen und angelsächsischen Raum, die nun allen bekannt gemacht werden sollen. Neu sei zum Beispiel, dass verstärkt Laien und Nicht-Kleriker in Verfahren mit einbezogen werden sollen. "Bisher galt, dass Kleriker über Kleriker richten", sagte Schüller. Der Theologe lobte den Vorschlag des Papstes, unabhängige Ansprechpartner für Opfer sexueller Gewalt verpflichtend einzusetzen. Das geschehe in Deutschland in weiten Teilen bereits, auf Ebene der Weltkirche fehle es daran aber weitgehend.
Franziskus schwebt außerdem vor, Experten bei der Auswahl von Kandidaten für das Priesteramt mit einzubeziehen. In einem anderen Punkt heißt es, die staatlichen Behörden und die übergeordneten kirchlichen Stellen bei Missbrauchsfällen nach "geltendem kanonischen und bürgerlichen Recht" zu informieren.
Bindende Beschlüsse können die Teilnehmer des Gipfels allerdings nicht fassen. Auch eine Abschlusserklärung steht bisher nicht auf der Agenda. Der Papst wird das Treffen am Sonntag mit einer Messe und einer Rede beenden. "Ich befürchte, dass wir große Reformschritte nicht von einer solchen Tagung erwarten können", sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Kardinal Reinhard Marx, der als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz in Rom dabei ist, erhofft sich "Impulse" für die gesamte Gesellschaft, damit Kinder und Jugendliche überall geschützt würden. "Wir sind schon einen Weg gegangen, in Deutschland sind wir spätestens seit 2010 intensiv in der Arbeit, aber wir wissen, die Arbeit ist nicht zu Ende", sagte er.
Der Katalog der Forderungen der Opfer ist lang. Das Kirchenrecht müsse geändert werden, damit pädophile Geistliche nicht mehr als Priester arbeiten dürfen. Es solle eine neutrale Kommission für die Aufklärung von Missbrauchsfällen geben. Auch Gewaltenteilung, unabhängige Berater an der Seite von Bischöfen und stärkere Zusammenarbeit mit staatlichen Ermittlern werden gefordert. Andere wollen Akteneinsicht über pädophile Täter beim Vatikan.
Vereinzelt wird sogar die Forderung nach einem Konzil laut, also eine Bischofsversammlung, die Entscheidungen zur kirchlichen Lehre trifft. Das letzte Konzil fand von 1962-1965 statt. Es gilt als wegweisend für die Erneuerung der Kirche. Doch im Vatikan ist zu hören, dass das nicht zur Debatte steht.
Die Auftaktworte des Papstes gaben zumindest einigen die Hoffnung, dass am Ende des Gipfels doch mehr als nur Worte herauskommen. "Gut zu hören, dass Papst Franziskus konkrete Ergebnisse von dem Gipfel verlangt", twitterte Anne Barrett Doyle von der Organisation Bishop Accountability. Und mit seinem Fahrplan ist der Papst am ersten Tag konkreter geworden, als viele erwartet hatten.
Doch es gab auch umgehend Kritik. Der US-Amerikaner Peter Isely bezeichnete den Punkte-Plan als "nicht sehr konkret". Miguel Hurtado, ein spanischer Vertreter der Organisation Ending Clerical Abuse, vermisst das Versprechen, dass Täter ausnahmslos aus dem Klerikerstand entlassen werden sollen. Der Papst werde seiner "Null-Toleranz"-Linie damit nicht gerecht. Auf die Sexualmoral, den Zölibat oder die Frauenweihe ging Franziskus auch nicht ein. Doch Forderungen nach tiefgreifenden Reformen in diesen Punkten werden immer lauter.
Die katholische Kirche will gegen den sexuellen Missbrauch durch Geistliche vorgehen. Opferverbände fordern, das Kirchenrecht so zu ändern, dass Pädophile nicht mehr als Priester arbeiten dürfen. Wenn sie sich des Missbrauchs oder der Vertuschung schuldig machen, sollten Geistliche aus dem Klerikerstand entlassen werden, so die Forderung. Das ist die Höchststrafe im Kirchenrecht. In Deutschland verwalten die Kirchen ihre inneren Angelegenheiten weitestgehend selbstständig - etwa bei der Vergabe (oder dem Entzug) von Ämtern. Das Kirchenrecht hat aber keine Auswirkung auf die strafrechtliche Verfolgung. Die staatlichen Gesetze und Verjährungsfristen gelten genauso für kirchliche Amtsträger. Anhand des deutschen Strafrechts hat die katholische Kirche 2010 Leitlinien ausgearbeitet, die den Umgang mit Missbrauchsvorwürfen regeln. Demnach ist der Vorgesetzte einer beschuldigten Person verpflichtet, die staatlichen Ermittler zu informieren, sobald «tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht» vorliegen. Nur in Ausnahmen entfällt diese Pflicht, etwa wenn das Opfer eine Weitergabe ausdrücklich nicht wünscht. Bei Missbrauchsverdacht sehen die katholischen Leitlinien zudem vor, dass die jeweilig betroffene Diözese intern eine kirchenrechtliche Voruntersuchung nach dem «Codex des Kanonischen Rechtes» durchführt - und dazu auch Ergebnisse der staatlichen Ermittler nutzt. Bestätigt sich sexueller Missbrauch, muss demnach der Vatikan informiert werden. Der jeweilige Bischof entscheidet, ob der Beschuldigte seinen Dienst weiter führt, versetzt oder freigestellt wird.