Historische Darstellergruppe Eine Reise in das 18. Jahrhundert

Von Vanessa Lutz
Die Historische Darstellergruppe schlüpft in ihre Gewänder: Gründungsmitglied Michaela Hoppe (links) hilft Neuling Hannelore Funsch ins Kleid. Foto: Andreas Harbach Foto: Peter Gisder

BAYREUTH. 18. Jahrhundert für Kinder – das war der Auftrag der Historischen Darstellergruppe Oberfranken beim Dreh mit dem Kinderkanal (Kika). Für die Sendung „Checker Tobi“ stiegen die Mimen nach dem Sommernachtsfest erneut in ihre historischen Gewänder. Der Kurier war beim Umziehen im Opernhaus dabei.

 
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Es ist ein starker Kontrast: Inmitten eines etwas chaotischen Raumes im Opernhaus, der als provisorisches Umkleidezimmer dient, hängen aufwendige Kleider, wohin man blickt. 

Aus der Zeit gefallen, mit all den leuchtenden Farben und feinen Stoffen und eine völlig neue Welt, wenn man gerade von der Bayreuther Innenstadt kommt. Der Kika filmt an diesem Tag einen Beitrag für die Sendung „Checker Tobi“.

Michaela Hoppe betritt den Raum, gänzlich eingekleidet in ihrer grünen Robe und hochgesteckten Haaren. Das wallende Kleid ist reich bestickt, die Hüften mit sogenannten Poschen breit geschummelt.

Ob sie wohl schwitzt in dieser Kostümpracht? „Man schwitzt sogar weniger als man denkt“, antwortet Hoppe lachend, in ihren Händen weitere Kostüme für die anderen Gruppenmitglieder. Aber gutes Schuhwerk brauche man, denn die Kleider seien vier bis acht Kilogramm schwer.

Die Schuhe werden speziell von kundigen Schuhmachern hergestellt, damit sie möglichst authentisch aussehen. „Für mich bedeutet diese Zeit schlichtweg Galanterie, und das wollen wir auch darstellen.“ Selbstverständlich dürfe man aber nicht über die Kriege und Konflikte hinwegsehen.

Kostbare Kleider und 
Hochsteckfrisuren


Michaela Hoppe ist eines der Gründungsmitglieder der Darstellergruppe und hilft jedem mit den Haaren oder den Kleidern, wo sie nur kann.

Auch Hannelore Funsch wagt sich in eines der kostbaren Kleider – zum ersten Mal. Neue Leute sind hier jederzeit willkommen.

Für Funsch hat Hoppe eigens eine Robe mitgebracht. „Normalerweise“, sagt sie, „bekommt jeder, der neu in unserer Gruppe ist oder mal hineinschnuppert, ein Kleid geliehen. Sobald man aber festes Mitglied ist, ist es schon erwünscht, dass jeder seine eigene Kleidung mitbringt.“

Dies habe auch etwas zu tun mit dem Charakter, den man darstelle und entsprechend individuell sollen auch die Kleider sein.

Michaela Hoppes Alias in der Gruppe ist „Gräfin Caroline von Bülow“ – der Name ihrer Urgroßmutter. „Manche benennen sich nach realen historischen Figuren, andere denken sich einen eigenen Namen aus.“

Nachforschungen zu den dargestellten Personen

Wichtig sei aber, dass, wenn man eine historische Persönlichkeit wähle, man die Geschichte und Verwandtschaft dieses Menschen genau kennen müsse, da die Leute bei Auftritten gerne mal fragen. Auch aufgrund des großen historischen Interesses wolle der Verein Nachforschungen betreiben, welche Geschlechter im 18. Jahrhundert in Bayreuth wirkten.

Doch wie kommt man eigentlich dazu, solch eine Gruppe, die eigentlich eher weniger in unseren Alltag passt, zu gründen? „Es war 2009“, erinnert sich Hoppe. „Zum Jubiläum der Wilhelmine wurden unterschiedliche VHS-Kurse angeboten, die einen Einblick in diese Zeit gewährt haben, beispielsweise Nähen. In dem Kurs haben wir uns auch mit den Kleidern aus der damaligen Zeit beschäftigt. Für mich war es wie ein Kleinmädchentraum, auch einmal solch ein Gewand zu tragen.“

Spannend ist, dass die Kleider, die die Vereinsmitglieder tragen, tatsächlich möglichst nah an der Realität gehalten sind. Sogar bis zur barocken Unterwäsche wird versucht, die Authentizität zu wahren. Da die historisch präzisen Schnitte innerhalb der Gruppe gerne als Leihe vergeben werden, könne man sein eigenes Gewand entweder beim Schneider anfertigen lassen oder es sogar selbst nähen.

Männermangel

„Wir haben uns in diesem Nähkurs kennengelernt und zuerst waren wir nur zu dritt. Irgendwann hat die Stadt uns auf das Sommernachtsfest eingeladen und urplötzlich stand August der Starke vor mir.“ Während sie diese Geschichte erzählt, zupft sie fachmännisch Hannelore Funschs Kleid zurecht. „Es war ein Darsteller aus Dresden namens Uwe Müller und wir haben erfahren, dass es auch eine solche historische Gruppe in Kronach gibt.“ 

Die beiden Gruppen, Bayreuth und Kronach, taten sich zusammen und sind seit 2012 die „Historische Darstellergruppe 18. Jahrhundert“. Seitdem beschäftigen sie sich unter der Leitung von Silke Leikeim auch mit barockem Tanz. Im Winter wird circa einmal im Monat trainiert und zweimal im Jahr gibt es einen Tanzworkshop. Im Frühjahr und Sommer reihen sich viele Auftritte aneinander, die auch als Training gelten.

Es wird voll im Raum, die weiten Kleider verringern den Platz im Umkleidezimmer. Dennoch sitzt bei allen jeder Handgriff wie selbstverständlich. Die Alltagskleidung wird allmählich durch barocke Roben eingetauscht. Nicht nur das Erscheinungsbild ändert sich, sondern unwillkürlich auch die Haltung und Gangart der Darsteller. 18 Leute zählt die Gruppe mittlerweile, Tendenz steigend. Nur über mehr Männer würde man sich freuen.

„Wir bekommen unglaublich positive Resonanz und das schönste Erlebnis hatten wir aus meiner Sicht am Bürgerfest“, so Hoppe weiter. „Wir hatten etwas vergessen und mussten durch die Kanzleistraße. Es waren offensichtlich Rocker da und auf einmal kamen sie begeistert auf uns zu und wollten Bilder machen.“

Edel und vornehm wie 
Markgräfin Wilhelmine


„Man fühlt sich sofort edel und vornehm“, beschreibt Hannelore Funsch das Gefühl. Ihr Kleid und die Perücke sitzen, nun winkt Michaela Hoppe Nina Buchmeier zu sich, die Hilfe bei der Steckfrisur benötigt. Auf dem Tisch sind Perücken, Haarteile und diverse Frisurstecker verteilt.

Natürlich könne man aber nicht alles exakt nachstellen. „Früher hat man für die Haare Pomade benutzt. Heute greifen wir aber lieber auf Haarspray zurück.“ 

Während Hoppe mit den Haarklammern hantiert, gewährt sie Einblicke in ihre große Expertise zu dieser Epoche. Sie und auch die anderen Mitglieder können sämtliche Fragen zu Kleidern, Schuhen, Frisuren und sogar historischem Kontext und Schmuck genau beantworten.

„In der Barockzeit“, erklärt Hoppe, während sie Buchmeiers lange Haare weit nach oben kämmt, sie eindreht und sie zu der epochentypischen Frisur verwandelt, „gab es beispielsweise nur Kerzenlicht. Über den Schmuck hat man versucht, mehr Licht auf sich zu ziehen durch die Reflexion. Alles hatte seinen Sinn.“

Kleidung als Protest

Auch politische Ereignisse haben laut Hoppe oft Eingang in die Mode gefunden, als Zeichen, dass sich die Gesellschaft verändere. So könne der dreigeteilte Rock, getragen von höfischen Damen, auch ein Protest gegen die Dreiteilung Polens gewesen sein.

Obwohl es langsam stickig wird in dem kleinen Raum, ist die Laune durchweg gut. Auch der bevorstehende Fernsehbeitrag scheint niemanden aus der Fassung zu bringen, die Abläufe wirken routiniert und es wird durchgehend gelacht und sich unterhalten.

„Wir haben schon in einigen Fernsehberichten mitgewirkt“, erklärt Hoppe gelassen. Hier werden Tanzschritte geübt, dort sich gegenseitig der obligatorische Schönheitsfleck, genannt Mouche, aufgemalt.

An diesem Abend endeten die Dreharbeiten erst um 23 Uhr. Weitere Auftritte des Vereins folgen, beispielsweise Ende des Monats beim Barockfest in Gotha.

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