Handelsstreit „Die EU braucht eine Doppelstrategie“

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Prof. Hartmut Egger. Foto: red Quelle: Unbekannt

Die Sorge in der Welt wächst, dass der Konflikt zwischen den USA und China und zwischen den USA und Europa eskaliert. Dabei gibt es Möglichkeiten, sich zu einigen. Sagt Hartmut Egger, Professor für internationale Makroökonomie und Handel an der Universität Bayreuth.

 
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BAYREUTH.

Herr Professor Egger, wächst sich der Handelskonflikt zwischen den USA und der EU beziehungsweise China allmählich zu einem globalen Handelskrieg aus?

Hartmut Egger: Diese Gefahr besteht. Wenn jede Seite in puncto Zöllen immer noch einen draufsetzt, dann könnte es zu einer Eskalationsspirale mit negativen Folgen für die Weltwirtschaft kommen. Denn Zölle entfalten aufgrund der engen Vernetzung von Wertschöpfungsketten eine große Wirkung und schlagen auf viele Akteure durch. Und sie haben einen negativen psychologischen Effekt. Umfragen zeigen bereits, dass Unternehmen verunsichert sind. Das wirkt sich wiederum negativ auf die Investitionsbereitschaft aus.

Was muss die EU tun, um Schlimmeres zu verhindern?

Egger: Es ist wichtig, dass die EU auf die verhängten US-Zölle nicht nur mit Gegenzöllen reagiert, sondern eine Doppelstrategie verfolgt. Einerseits sollte sie deutlich machen, dass sie nicht klein beigibt und sich damit Trumps Protektionismus beugt. Andererseits sollte sie den Amerikanern auch etwas anbieten. Zum Beispiel könnte das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wiederbelebt werden, das einen umfangreichen Abbau von Handelsbarrieren auf beiden Seiten vorsieht.

Aber in einigen EU-Ländern, auch in Deutschland, gab es massive Proteste gegen TTIP.

Egger: Das ist richtig. Aber diese haben sich maßgeblich gegen die Investor-Staat-Schiedsgerichte gerichtet, die viele Menschen als Gefahr für die Demokratie einstufen. Ich denke, wenn man diesen umstrittenen Punkt ausklammern und sich vor allem auf den Abbau von Handelsschranken konzentrieren würde, dann gäbe es durchaus eine Chance auf eine Einigung zwischen den USA und der EU.

Ihnen schwebt also so etwas wie ein „TTIP light“ vor?

Egger: Ja, wenn Sie so wollen. Sowohl die Unternehmen als auch die Verbraucher beider Handelspartner würden von sinkenden Kosten beziehungsweise billigeren Waren profitieren. Und Trump könnte bei seinen Wählern punkten, weil es ihm gelungen wäre, umfangreiche Handelsbarrieren zwischen wichtigen Wirtschaftsblöcken zu beseitigen.

Welche Rolle spielt noch die Welthandelsorganisation?

Egger: Jede Organisation ist nur so stark, wie sie ihre Mitglieder machen. Wenn die mächtigen USA signalisieren, dass ihnen die Entscheidungen der WTO egal sind, dann ist das natürlich eine massive Schwächung. Aber das ist generell ein Problem multilateraler Organisationen. Die Einzelinteressen sind meist sehr ausgeprägt und schwer unter einen Hut zu bekommen.

Trump beklagt mit Blick auf das enorme Außenhandelsdefizit seines Landes einen „unfairen Welthandel“. Hat er recht?

Egger: Das kann man so nicht stehen lassen. Zwar verzeichneten die USA im Warenhandel im vergangenen Jahr ein Defizit von fast 570 Milliarden Dollar. Aber die Amerikaner entscheiden doch selbst, ob sie einheimische oder ausländische Produkte kaufen. Man muss außerdem mehrere Faktoren sehen. Ein Blick auf die Finanzströme zeigt, dass die USA nach wie vor sehr attraktiv für Investoren sind. Denn diese sind weiterhin bereit, die massiven Importe der Vereinigten Staaten zu finanzieren. Einen wunden Punkt trifft Trump allerdings schon. Die Europäische Union ist längst nicht so liberal in Handelsfragen, wie sie vorgibt. Sie erhebt auf viele Produkte höhere Zölle als die USA. Und in manchen Feldern – etwa im Agrarsektor – betreibt sie eine regelrechte Abschottungspolitik, um ihre Betriebe vor Wettbewerbern zu schützen.

Der Ifo-Ökonom Gabriel Felbermayr weist im Handelsstreit zwischen EU und USA noch auf einen anderen Punkt hin: Wenn man Dienstleistungen und sogenannte Primäreinkommen, also Gewinnüberschüsse amerikanischer Firmen in Europa, mit heranzieht, dann ergibt sich für die USA sogar ein Plus in der Statistik. Was meinen Sie dazu?

Egger: Felbermayr stellt auf die Leistungsbilanz ab. Er macht damit deutlich, dass man in der Gesamtbetrachtung nicht von ungleichen oder gar unfairen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und der EU sprechen kann. Es zeigt sich vielmehr, dass beide Partner unterschiedliche Stärken haben.

Deutschland exportiert deutlich mehr Waren als es importiert. Ist es gerechtfertigt, dass unser Land deshalb auch von EU-Partnerstaaten gerügt wird?

Egger: Ein vorübergehend hoher Exportüberschuss ist nicht das Problem. Wenn allerdings ein Land dauerhaft derart hohe Exportüberschüsse wie Deutschland aufweist, dann führt das zu Ungleichgewichten. Diese sind nicht nur für die Handelspartner, sondern auch für Deutschland ein Problem. Denn die Kehrseite von hohen Exportüberschüssen sind hohe Kapitalexporte. Die Deutschen investieren ihr Geld also lieber im Ausland statt im eigenen Land. Darüber hinaus bestehtdie Gefahr, dass andere Länder die Kredite, mit denen sie ihre Importe bezahlen, nicht mehr zurückzahlen. Dann hat man zwar Waren geliefert, bleibt aber auf wertlosen Forderungen sitzen.

Dabei sind wir Deutschen auf unsere Exportrekorde doch fast so stolz wie auf den Weltmeistertitel im Fußball.

Egger: Es geht auch nicht um Kritik an der deutschen Exportstärke, sondern vielmehr um die Handelsbilanzüberschüsse, also die große Differenz zwischen Ausfuhren und Einfuhren. Vereinfacht ausgedrückt: Nicht die Exporte sind zu hoch, sondern die Importe zu niedrig. Ich habe den Eindruck, dass das mitunter in der Diskussion missverstanden wird.

Was empfehlen Sie?

Egger: Die Deutschen sollten weniger sparen und stattdessen mehr im eigenen Land investieren. Am besten in wichtigen Zukunftsfeldern wie etwa Bildung oder Digitalisierung. Hier könnte der Staat viel tun.


Zur Person: Professor Hartmut Egger, geboren 1974 im österreichischen Steyr, lehrt internationale Makroökonomie und Handel an der Universität Bayreuth. Er studierte Wirtschaft an der Universität Linz und erwarb seinen Doktortitel an der Universität Zürich. Egger wurde 2001 mit dem „Young Economist Award“ der Nationalökonomischen Gesellschaft, einer österreichischen Vereinigung von Ökonomen, ausgezeichnet. Außerdem erhielt er 2010 den „Excellence Award in Global Economic Affairs“ des Kieler Instituts für Weltwirtschaft.

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