Großes Kino für ein paar Tage: Wie in Weidenberg Komparsen rekrutiert werden Bloß keine Wampe oder Tattoos

Von Michael Weiser
So etwas wie ein Bewerbungsgespräch: Wer seinen Fragebogen ausgefüllt hat, wird - wie Johannes und Anita Fröhlich - fotografiert. Michael von Hohenberg steht Rede und Antwort. Foto: Weiser Foto: red

Nicht ganz Hollywood, aber doch großes Kino:  Weidenberg wird für sieben Tage zum Drehort für einen Kinofilm über den Hitler-Attentäter Georg Elser. Wir waren beim Casting für die Komparsen dabei.

 
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Die Wächter am Tor zum Filmruhm haben weiße Karten vor der Brust hängen, die den Namen einer Filmproduktionsfirma tragen. Der Name klingt schon mal nach Hollywood – White Lake City Productions –, die Firma kommt aber aus Weißenstadt in Oberfranken. Ein gutes Dutzend Menschen wartet darauf, fotografiert zu werden, immer neue drängen vom Hof des alten Schlosses herein.

Elisabeth Seyferth wirkt entspannt, klar, sie kennt das Spiel. Immerhin war sie schon mal dabei, beim ARD-Film  „Sieben Tage ohne“ war das, „ich saß am Wirtshaustisch, war aber nur von hinten zu sehen. Also, wirklich spektakulär war das nicht“. Aber Spaß habe es schon gemacht, und überhaupt: „Diese Atmosphäre!“ Die Dame schließt die Augen und schwelgt noch einmal ganz kurz in der Erinnerung an ihren allerersten Dreh.

So wie ihr geht’s vielen in diesen Tagen in Weidenberg. Nach Rosenmüllers „Perlmutterfarbe“ wird hier endlich wieder ein Film gedreht werden. Und nun werden Statisten gesucht. „Elser“ heißt das Projekt, erzählt wird vom einsamen Hitler-Attentäter Georg Elser, der im November 1939 mit einem Sprengstoffanschlag auf den „Führer“ scheiterte. Weidenberg wird im August für sieben Tage Elsers Heimatort darstellen. Oliver Hirschbiegel  („Der Untergang“) führt Regie, ihm wird von Hohenberg seine Kandidaten vorlegen: „150 Komparsen brauchen wir, 300 werde ich ihm vorlegen.“

Grundsätzlich kann jeder mitmachen. En dicker Bauch schränkt allerdings den Verwendungszweck stark ein. Und wer Piercings trägt oder tättowiert ist, bleibt  höchstwahrscheinlich draußen. „Das gab’s  vor siebzig Jahren nicht“, sagt Caster Michael von Hohenberg, „und so etwas in der Maske entfernen zu lassen, lohnt sich für Statisten nicht.“ Ann-Kathrin Keller trägt nichts von beidem, war schon bei „Sieben Tagen ohne“ dabei und darf sich insofern ganz gute Chancen ausrechnen. Eigentlich würde sie gerne etwas Abgründiges spielen, „einen Psychopathen vielleicht, oder jemanden, der ein Trauma hat“, sagt die Medienstudentin, „das wäre spannend“. Bis auf weiteres nimmt sie aber auch mit Elser vorlieb. Wobei der ja bei näherem Hinsehen durchaus eine interessante Persönlichkeit ist – ein Einzeltäter, der Hitler töten will, weil der einen Weltkrieg auslösen könnte. Wohlgemerkt: könnte. Denn als Elser seine Planungen aufnimmt, ist Krieg noch nicht in Sicht. Keine einfache Angelegenheit, findet von Hohenberg: „Vielleicht sagt da mancher, du kannst nicht einfach jemanden in die Luft sprengen, nur weil du mit seiner Politik nicht einverstanden bist.“

Gerade eineinhalb Stunden sind vergangen, da haben sich schon zweihundert Menschen für die Casting-Datei registrieren lassen. Der Einzelgänger Elser würde Beklemmung fühlen. Zehn Stunden dauert so ein Drehtag, dafür gibt es fünfzig, sechzig Euro, plus Zulagen, wenn eine Kostümprobe anfällt oder ein Satz gelernt werden muss. „Zwei Drittel der Kandidaten sind Frauen“, sagt von Hohenberg, „bei manchen Castings sind’s sogar drei Viertel.“ Warum das so ist, weiß er nicht. Vielleicht sind Frauen mutiger. Männer brauchen Begleitung. „Vorhin war ein ganzer Trupp Männer da, alle zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt“, sagt er, „und die passen auch gut in eine Uniform.“

Gut für von Hohenberg, denn er benötigt dringend Soldaten, Schergen, Wachpersonal. Auch Johannes Fröhlich hat wegen seines Alters und Aussehens Chancen. Er trägt ein Vintage-Trikot der deutschen Nationalmannschaft und will mitmachen, weil seine Frau Anita auch schon mitgemacht hat – bei „Sieben Tage ohne“ – und sagt, dass Film Spaß macht. Er will außerdem dabei sein, weil er Geschichtsleistungskurs hatte. Die Geschichte von Elser sei wichtig, findet er, weil der fast vergessen sei, und weil der Fall Fragen aufwerfe. Fröhlich ist Mitte zwanzig, hat blonde Haare, ist schlank. Zwar müssten die Koteletten runter, ebenso das Quadrat seines Unterlippenbärtchens. Aber sonst? „Könnten wir ihn gleich als SS-Mann einsetzen“, sagt von Hohenberg. Fröhlich wirkt kurz, als ob er sich unbehaglich fühlte. Andererseits: Ist ja nur Film.

INFO: Für Mittwoch, 16. Juli, 19 Uhr sind alle Anwohner des oberen Marktes zu einem Informationsabend im Bürgerhaus eingeladen.