Der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth bekräftigte ebenfalls, Großbritannien müsse endlich klar sagen, wozu die neue Frist dienen solle. "Eine Verlängerung ohne entsprechende klare Bedingungen wird es aus unserer Sicht nicht geben können", sagte der SPD-Politiker. Frankreichs Europaministerin Nathalie Loiseau äußerte sich ganz ähnlich.
Kanzlerin Merkel sagte in Berlin, sie sehe sich "zur Stunde" außerstande zu sagen, wofür sie am Donnerstag beim EU-Gipfel sein werde. Dies hänge davon ab, was May vorbringe. "Wir werden versuchen, darauf zu reagieren", sagte Merkel. Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte stellte klar, dass er einen kurzen Aufschub bevorzuge. Ein längerer Zeitrahmen bedeute nur, Probleme aufzuschieben, sagte der Regierungschef in Rom.
Die britische Regierung präsentierte vorerst keine neuen Initiativen, sondern beharrte auf der bisherigen Linie, den Austrittsvertrag doch noch ratifizieren zu lassen. Daran halte man mit absoluter Entschlossenheit fest, sagte ein Regierungssprecher in London. Brexit-Minister Stephen Barclay hatte vorher schon dem Sender Sky gesagt: "Was wir tun müssen, ist den Deal zu sichern."
Parlamentspräsident Bercow hatte am Montag klargestellt, dass eine weitere Abstimmung über das Vertragspaket nur nach substanziellen Änderungen möglich sei. EU-Unterhändler Barnier deutete an, wo noch einmal angesetzt werden könnte: Der Austrittsvertrag selbst sei der bestmögliche, aber die begleitende politische Erklärung könne in den nächsten Tagen "ehrgeiziger" gestaltet werden.
Details nannte Barnier nicht. Aber die EU wirbt schon lange dafür, dass Großbritannien in der Zollunion oder sogar im EU-Binnenmarkt bleibt. Dann wäre vor allem die umstrittene irische Grenzfrage leichter zu lösen. May will dies aber nicht.
Bercow steht wegen der Anwendung einer 415 Jahre alten Parlamentsregel stark in der Kritik. Die konservative Zeitung "Daily Express" nannte ihn am Dienstag auf der Titelseite einen "Brexit-Zerstörer". Das konservative Blatt "Daily Mail" sprach von einem "Akt der Sabotage". Großbritannien hat keine geschriebene Verfassung und verlässt sich oft auf Gewohnheitsrecht, Gepflogenheiten und Präzedenzfälle.