Freispruch für den "Reichsbürger"

Von Manfred Scherer
Vorwurf des Brandanschlags auf den Funkturm am Oschenberg war beim Schöffengericht nicht haltbar. Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Für so manchen ist er wie eine lästige Laus im Pelz, der gerne rechthaberisch auftretende Bayreuther „Reichsbürger“ Oliver N. Auch Richter Torsten Meyer hatte schon mal mit ihm zu tun – in einem Prozess, in dem es hitzig hergegangen und N. unter anderem wegen einer üblen Beleidigung der Oberbürgermeisterin verurteilt worden war. Nun hat N. mal einen Freispruch erlebt.

 
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Das Schöffengericht unter Vorsitz Meyers hielt den Verdacht, N. habe einen Brandanschlag auf den Sender am Oschenberg begangen, nicht aufrecht.

Der Brandanschlag wurde am 7. Juli 2016 begangen. Der heute 49-jährige Oliver N. geriet in Verdacht, nachdem in den Innenseiten von in der Nähe des Tatortes gefundenen Rennradhandschuhen seine DNA festgestellt worden war.

Wunderkerzen als Brandsatz

Der Anschlag geschah mithilfe von Wunderkerzen: Bündelweise hatte der Täter sie in einem Kabelschacht zwischen die Kabelleitungen gesteckt und angezündet. Die große Hitze schmolz die Kabelisolierungen, so dass die blank liegenden Innen- und Außenleiter der Kabel aneinander gerieten und ein Kurzschluss die Mobilfunknetze der Dienstleister Telefonica, T-Mobile und Kabel Deutschland lahmlegte.

Seine DNA in der Nähe des Tatorts

Nach dem DNA-Treffer in den Rennradhandschuhen ermittelte die Kripo weitere Indizien gegen Oliver N. In seinem Smartphone fand sich ein Chat mit einer Bekannten, in dem unter anderem von „Funkmast“ , „Kurzschluss“ und „Schalter aus beim Fußball“ die Rede ist.

Ein denkwürdiges Fußballspiel

Fußball? Am 7. Juli um 21 Uhr fand bei der Europameisterschaft ein denkwürdiges Spiel statt: Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich. Die Deutschen verloren den Kick – es war das letzte Meisterschaftsspiel für Bastian Schweinsteiger, der die Niederlage mit einem unglücklichen Handspiel im eigenen Strafraum einleitete.

Anschlag auf die "Volksverblödung"?

Um dieses Spiel drehte sich ein großer Teil des Prozesses gegen Oliver N. Hatte N. den Anschlag auf den Sender begangen, weil er, wie eine Zeugin aussagte, Fußball als „Volksverblödung“ ansah? Wollte Oliver N. am Fernsehgerät live miterleben, wie er durch die Brandstiftung dem Volk die Fußballübertragung versaute und die Droge entzog?

Noch vor dem Kurzschluss am Sofa

Sein ehemals bester Freund und dessen Lebensgefährtin hatten N. ursprünglich ein Alibi gegeben. N. sei während der ersten Halbzeit in Radklamotten ausgetaucht und habe das Spiel mit angesehen. Später, als gegen N. wegen des Brandanschlags ermittelt wurde und der „Reichsbürger“ wegen anderer Delikte im Gefängnis saß, änderten beide ihre Aussage: N. sei erst Mitte der zweiten Halbzeit aufgetaucht. Gegen 21.30 Uhr

N. selbst bestritt die Anklage: Er habe mit dem Anschlag nichts zu tun. Wie seine Handschuhe an den Tatort gekommen seien, wisse er nicht: „Vielleicht habe ich sie verloren. Vielleicht habe ich sie mal bei einer Pinkelpause am Oschenberg liegen lassen.“ N. betonte, er habe stets zugegeben, wenn er Mist gebaut hatte, „aber damit habe ich nichts zu tun.“

Entlastende Indizien ergeben sich

Im Prozess ergaben sich entlastende Indizien: An dem Loch im Zaun um den Funkturm fand die Kripo Zigarettenkippen. Die DNA-Untersuchung ergab: Sie sind nicht von N., sondern von mindestens vier anderen Leuten. Ein Techniker der Funkturm-Firma erklärte, der Kurzschluss sei um 22.31 Uhr eingetreten. Das hieße: Die extrem heiß und sehr schnell abbrennenden Wunderkerzen-Bündel hätten die Kabel zum Glimmen gebracht, die Kabel hätten länger als eine Stunde vor sich hin kokeln müssen, ehe der Kurzschluss eintrat. Denn N. war gegen 21.30 Uhr auf einem Sofa, spätestens.

Für seinen Anwalt Johannes Driendl ein Freispruch im Zweifel. Staatsanwalt Florian Losert sah es anders und beantragte zweieinhalb Jahre Haft.

Dem Schöffengericht, so bestätigten es Driendl und ein Gerichtssprecher auf Anfrage, reichten die Indizien nicht aus. Das wahrscheinliche zeitliche Alibi und der Umstand, dass Oliver N. keinerlei Grund gehabt hätte, bei der Tat die Handschuhe auszuziehen, überwogen als entlastende Indizien.

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