Franken-"Tatort": Es menschelt in Bamberg

Von Kerstin Fritzsche

Es ist der dritte Franken-"Tatort" des Bayerischen Rundfunks und der erste in Oberfranken. Zum Ärger aller Bayreuther spielt er nicht hier, sondern gedreht wurde ausgerechnet in Bamberg. Die Geschichte könnte aber genauso gut in Bayreuth wie an jedem anderen Ort spielen. Die Franken packen bei "Am Ende geht man nackt" ein besonders heikles Thema an: Flüchtlinge. Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) ermittelt undercover. Und der Fall und seine kleineren "Fälle" drumherum verlangen den anderen im Team um Paula Rungelhahn (Dagmar Manzel) einiges ab. Spannend erzählt ist das. Und greift den Zuschauer auch bei seinem eigenen Gewissen.

 
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Ein Brandsatz wird in die Küche einer Flüchtlingsunterkunft geworfen. Eine junge Kamerunerin, die sich im Vorratsraum nebenan befindet, stirbt bei dem Brand, weil die Tür blockiert ist. Absicht? Ein fremdenfeindliches Motiv? Oder interne Streitigkeiten? Und hat nicht letztendlich auch der Besitzer des Geländes mehr davon, wenn die Unterkunft nach dem Brand abgerissen werden muss und Bauland mitten in der Stadt entsteht, in der Mietwohnungen rar sind?

Während Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) mit Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid), Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) und Spurensicherer Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) in der Nacht die Ermittlungen aufnimmt, kommt Kollege Felix Voss (Fabian Hinrichs) erst vom Verwandten-Besuch aus dem Kaukasus zurück.

Fast zeitgleich schlägt sich ein junger Flüchtling aus Syrien im Umland durch die Büsche, will auf ein Firmengelände, Hunde schlagen an. Er versucht es über ein Feld, wird wieder von einem Zaun gestoppt. Schließlich klaut er einen Trecker und reißt damit den Zaun ein, kriecht darunter durch, um ans Ziel zu kommen. Später wird er noch ganz andere Sachen machen. Alles, was er will, ist, endlich seinen Bruder zu treffen, der bereits in Bamberg sein soll. Bald ein besseres Leben zusammen ohne Krieg führen.

Voss ermittelt undercover

Ein paar Tage später steht dieser Junge, Basem, zusammen mit Voss in der Gemeinschaftsunterkunft an, um registriert zu werden. Voss, den noch keiner der Bewohner gesehen hat, wird als tschetschenischer Flüchtling eingeschleust. Aus Angst um ihren Asylantrag sagen die Flüchtlinge nichts. Er verspricht sich mehr Infos, wenn er undercover erst einmal drin ist.

Sehr bald ergibt sich ein Geflecht von potenziellen Tätern, Schuldigen, Opfern und Motiven, in und außerhalb der Unterkunft. Da ist der geschäftstüchtige Said, der alles vermitteln kann von der Handy-Hülle über die Telefonkarte bis hin zum Job - der aber auch einiges dafür verlangt und so sein eigenes kriminelles Netzwerk baut.

Da ist der undurchsichtige Leiter der Unterkunft, bei dem lange nicht klar ist, ob er Gutmensch ist oder Geschäftsführer in eigener Angelegenheit. Da ist der oberfränkische Großindustrielle, der der Stadt das Gelände vermietet hat, auf dem die Unterkunft steht, mit guten Kontakten zum Stadtrat und macht-getriebenen Interessen, unter dem Deckmäntelchen der Hilfsbereitschaft noch mehr Geld zu verdienen.

Es menschelt in Franken

Da ist der besorgte Bürger von nebenan, der ja eigentlich nichts gegen Flüchtlinge hat, aber. Und der Neonazi, der Angst um "deutsche Arbeitsplätze" hat, die die Kanacken unterbieten: "Die scheißen aufs Grundgesetz!". Und dann ist da noch der Polizeipräsident Kaiser, der mal wieder alle kennt und sich im Rahmen von kommunalen Mauscheleien nicht gerade um die Verbesserung der Ermittlungsergebnisse verdient macht - wie auch im letzten Franken-Fall.

Wusste man beim ersten Franken-"Tatort" noch nicht genau, ob Paula Ringelhahn, die Frau aus dem Osten, ein psychisches Problem hat und eigentlich nicht geeignet ist für den Job, so ist sie der heimliche Star dieses "Tatorts" und eine knallharte Ermittlerin mit großem Herzen. Frech, forsch, erfrischend und vor allem resolut. Plus rasantem Fahrstil, der selbst den Chef aus dem Konzept bringt - die schauspielerische Leistung Manzels ist grandios in "Am Ende geht man nackt".

Wie immer in Franken menschelt es ganz schön, nicht zuletzt, weil der Fall in Bamberg ein Heimspiel für Kommissarin Wanda Goldwasser ist, gespielt von Eli Wasserscheid, die ja auch tatsächlich gebürtig aus Bamberg stammt. Sie hat die Dreharbeiten "dahaam" genossen. "Und mich freilich darum gekümmert, dass die Kollegen das gute fränkische Bier und eine gescheite Brotzeit kennen lernen!", wie sie dem Kurier verriet.

Kleiner Schwenk Richtung Bayreuth

Gedreht wurde letzten Sommer hauptsächlich auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne in Bamberg. Vier hallenartige Gebäude im vorderen Teil wurden dafür mit viel Liebe zum Detail eingerichtet, ein Verdienst der Szenenbildnerin Bettina Schmidt, die auch Bambergerin  ist - und übrigens 1999 den Deutschen Fernsehpreis für das beste Szenenbild in "Die Bubi-Scholz-Story" bekam.

"Am Ende geht man nackt" ist ein Statement. Die Idee dazu hatte Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt. Seine Frau ist Flüchtlingshelferin. Und obwohl dieser "Tatort" aus Franken auch eine Haltung haben und vermitteln will, ist der Film nicht mit political correctness überfrachtet, die dem Zuschauer ein schlechtes Gewissen oder mulmiges Gefühl macht. Er wird jedoch angestupst, mal über die eigene Haltung nachzudenken.

Und am Ende geht es doch noch mal kurz um Bayreuth. Da beschwert sich der Nürnberger Polizeipräsident Kaiser nämlich, dass der Bamberger Industrielle sich ans Polizeipräsidium Oberfranken gewandt hat und er dieses nun im Nacken hat. Und das sitzt bekanntlich in Bayreuth.

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