Im Fokus der Streitigkeiten steht ein 78 Kilometer langer Fluss in der Fränkischen Schweiz: die Wiesent. Sie ist zum einen Lebensraum einheimischer Tier- und Pflanzenarten und zum anderen ein Erholungsgebiet für den Menschen. Schon seit einigen Jahren sind sich dort angesiedelte Eigentümer von Fischereirechten und Kanuvermieter uneins über eine gemeinsame und adäquate Wiesent-Nutzung. Außergerichtliche Treffen der betroffenen Parteien folgten, die im Mai 2005 in einer Regelung des Gemeingebrauchs an der Wiesent durch die Regierung von Oberfranken endeten. Diese Regelung wurde aufgrund der anhaltenden Konflikte im April 2008 verändert. Diese sogenannte „Kanuverordnung“ besagt, dass Privatpersonen die Wiesent mit Kanus ohne Genehmigung befahren dürfen, die gewerbliche Kanuvermietung ist jedoch genehmigungspflichtig.

So erteilte das Landratsamt Forchheim drei Bootsverleihern die Erlaubnis, auf der Wiesent ihre Kanus einsetzen zu dürfen. Jedoch konnte auch diese Aktualisierung der Kanuverordnung die Streitigkeiten nicht beenden.

Beeinträchtigung der Angler

Laut Leopold Mayer, ehemaliger Fischereifachberater, konnte der Grundkonflikt zwischen beiden Parteien nicht aus der Welt geräumt werden. Er weist darauf hin, „dass die Angler wegen der Verletzungsgefahr nicht weiterfischen können, wenn Boote ihren Standort passieren“. Mayer kommt zu dem Schluss, dass dadurch das Angeln „absolut unmöglich“ gemacht wird und dass das Landratsamt Forchheim die Kanuvermieter bevorteile, ohne dass Schadensersatz gezahlt werden muss. Mayer geht sogar so weit, dass die erteilten Genehmigungen einer Enteignung gleich kämen. Aus diesem Grund wurden von drei Eigentümern beim Bayreuther Verwaltungsgericht gegen die bestehenden Genehmigungen geklagt.

Am 24. September und 1. Oktober entschied das Gericht nun teilweise zugunsten der Kläger. Die Urteile besagen, dass die vom Landratsamt Forchheim erteilten Genehmigungen der Kanuvermieter Aktiv-Reisen, Kajak-Mietservice und Leinen-los in den Bereichen der Kläger aufgehoben werden. Dem Landratsamt Forchheim wird vorgeworfen, dass es bei der Erteilung der Genehmigungen zu Ermessensfehlern gekommen ist und zu viele Boote genehmigt wurden. „Die Genehmigungen für die Kanubetreiber, von denen diese jahrelang Gebrauch gemacht haben, waren also rechtswidrig und verletzten die Fischereiberechtigten in ihren Rechten“, so Dr. Oliver Freiburg, Rechtsanwalt der Kanzlei Legal und Kollegen, der die Kläger in allen drei Fällen vor Gericht vertreten hat.

Nun liegt es in der Hand des Landratsamtes Forchheim, einen Gutachter zu bestimmen, der die Sachlage neu überprüft. Dazu äußerte sich vom Landratsamt Forchheim Reinhold Göller, Verantwortlicher für die Bereiche Bauen und Umweltschutz: „Das Landratsamt Forchheim muss neu über die Anträge entscheiden. Das Ergebnis bleibt offen.“

Keine direkte Aussprache

Vertreter der Kanuvermieter halten den Gerichtsprozess für unnötig: „Ich habe kein Verständnis dafür, wenn das Problem nicht außergerichtlich geregelt wird. Es kam zu keiner direkten Aussprache und ein außergerichtlicher Konsens wurde vonseiten der Fischereiberechtigten abgeblockt“, so Martin Maier, Geschäftsführer des Kanuverleihs Aktiv-Reisen in Muggendorf.

Einen weiteren kritischen Aspekt liefert eine Studie von H. Mattes und E. I. Meyer aus dem Jahr 2001. Untersucht wurde der Einfluss des Kanusports auf Fließgewässer in Nordrhein-Westfalen. Aus der Studie geht hervor, dass Begegnungen mit Kanus bei einigen an das Wasser gebundenen Vögeln Fluchtreaktionen und Beeinträchtigungen in der Brutzeit auslöst. Sollte dieser Aspekt auch im Fall der Wiesent aufgegriffen werden, hätte das wahrscheinlich erhebliche Folgen für Bootsverleiher und private Paddler.