Flüchtlinge Pegnitzer als Seenotretter

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Die Pegnitzer Brüder Martin und Hannes Neubauer leisten Einsätze bei der Seenotrettungshilfe für Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. Foto: Kenny Karpov Quelle: Unbekannt

Es sind zwei Welten sagt der Pegnitzer Hannes Neubauer. Sobald die Leinen los sind und das Rettungsschiff in See sticht, sind alle Landprobleme vergessen, dann ist nur noch der Einsatz im Kopf. Er und sein Bruder Martin sind als Seenotretter für Flüchtlinge auf der MV Lifeline der Dresdner Organisation „Mission Lifeline“ auf dem Mittelmeer, in internationalen Gewässern, unterwegs. Nächste Woche ist der dritte Einsatz, von Hannes Neubauer geplant. Zusammen waren die Brüder vergangenen Herbst unterwegs, koordiniert werden die Einsätze von der italienischen Seenotrettungsleitstelle MRCC.

 
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PEGNITZ/MALTA.

Die beiden leben mittlerweile in Leipzig, sind in Pegnitz aber noch als Aktive des Waldstockvereins bekannt. Martin Neubauer ist als Bauingenieur bei einem Unternehmen angestellt, hat während des Studiums in Afrika ein Kinderdorf mit aufgebaut. Hannes Neubauer ist Künstler und gelernter Metallbauer, hat unter anderem die Großskulptur „Indikator“ in Bayreuth geschaffen. „Ich wollte mein Handwerk sinnvoller einsetzen“, sagt Hannes Neubauer. Und so arbeitete er vor zwei Jahren in Sizilien auf einer Werft, um ein Rettungsschiff zu reparieren. „Da war mir schnell klar, dass ich als Seenotretter arbeiten will“, sagt er. Als freischaffender Künstler war ihm das auch einfacher möglich. „Wenn ich nicht in meinem Beruf arbeite, verdiene ich halt nichts“, so der 38-Jährige weiter. Aber zeitlich ist er flexibler. Schnell hatte er auch seinen Bruder überzeugt und so absolvierte der 35-Jährige mittlerweile zwei Einsätze in seinem Urlaub. Drei Wochen dauert eine Mission, zwei davon sind sie auf See.

Für die Auskranung zuständig

Die erste Mission von Hannes Neubauer war im Mai vergangenen Jahres. Er gehört zum Schnellbootteam, das heißt, er ist auch zuständig für die Auskranung des Beibootes. „Das ist bei dem Seegang auf dem Mittelmeer oft nicht einfach“, erzählt er. Aber alles Seemännische liegt ihm eigentlich. Er ist es von seinem Beruf her gewohnt, mit Kränen umzugehen. Gearbeitet wird auf dem Rettungsboot in Vier-Stunden-Schichten. „Man muss darauf achten, dass man genug Schlaf bekommt“, sagt er, um im Einsatz voll einsatzfähig zu sein. Zu tun gibt es auf so einem Boot immer genug. Sein Bruder ist Koch auf dem Schiff, kümmert sich um die Verpflegung der Mannschaft sowie der geretteten Flüchtlinge, um die gesamte Logistik der Nahrungsmittel für die Mission. 19 Mann sind in der Crew.

Flüchtlinge sind traumatisiert

Wird nun ein Seenotrettungsfall gemeldet, wird das Schnellboot mit drei Mann Besatzung zu Wasser gelassen: ein Fahrer, ein Funker und ein sogenannter Communicator. Das Schnellboot nähert sich dem Schlauch- oder Holzboot mit den Flüchtlingen. Zwischen 50 und 150 Leute sind da drauf, alle Boote sind überladen. Die Seenotretter umrunden das Boot vorsichtig, rufen den Flüchtlingen beruhigende Worte zu. Viel Gestik wird eingesetzt. Die Flüchtlinge sind traumatisiert, dehydriert, haben Angst vor der sogenannten libyschen Küstenwache, so Neubauer weiter. „Wir verteilen dann Rettungswesten und versuchen, Panik zu vermeiden“, sagt er. Die Flüchtlinge sind teilweise schon bis zu 30 Stunden auf dem Wasser. Sie haben Wasserflaschen dabei, um die Flüchtlinge schnell mit Getränken versorgen zu können. Oft passiert es, dass einer der Flüchtlinge kollabiert. Der wird dann auf das Schnellboot geholt und zum Rettungsboot gebracht, wo er ärztlich versorgt wird. Gleichzeitig ist man aber schon mit der italienischen Seenotrettungsleitstelle im Kontakt und wartet auf ein größeres Rettungsboot, dass die Flüchtlinge aufnimmt. Damit ist der Einsatz für Neubauer und seine Kollegen im Normalfall beendet.

Wie ein Nadelöhr

Die Flüchtlinge, die aus allen möglichen Kriegsgebieten kommen, waren in Libyen im Gefängnis, erzählt er weiter. „Das ist wie ein Nadelöhr“, so Neubauer. Teilweise sind sie bis zu einem Jahr im Knast. „Es ist die Hölle“, haben viele erzählt. Durch Schlepper und viel Geld, das sie zahlen, gelangen sie dann auf ein kleines Boot und versuchen die Flucht über das Mittelmeer. Manche schaffen es nicht und gehen über Bord oder aber das Boot sinkt. Leichen im Wasser hat Hannes Neubauer bei seinen Einsätzen noch nicht gesehen. „Die müssten wir auch im Meer treiben lassen, denn wir haben auf unserem Schiff gar nicht die Kühlmöglichkeiten, um Tote zu transportieren“, sagt er.

Aus privaten Spendengeldern

Die Rettungseinsätze, die Hannes Neubauer und seine Mitstreiter absolvieren laufen unterschiedlich ab. Manchmal gibt es kein Flüchtlingsboot zu retten, ein andermal sind es zehn. Die Helfer arbeiten alle ehrenamtlich, die Aktionen finanzieren sich ausschließlich aus privaten Spendengeldern. Die Flüge zum Einsatzort und wieder zurück zahlen alle selbst. „Man kann so einen Einsatz nur machen, wenn man alle Emotionen ausschaltet“, sagt Hannes Neubauer. Danach kommen oft die Bilder. Aber sie sprechen in der Mannschaft viel miteinander, die Organisation bietet bei Bedarf professionelle psychologische Hilfe an. „Das Crewleben ist sehr intensiv“, beschreibt es der 38-Jährige. Da kann es auch zu Spannungen kommen, die aber sofort wieder gelöst werden.

Keine Zusammenarbeit mit Schleppern

Die Brüder ärgert es, dass die Seenotretter oft kriminalisiert werden. „Sogar führende Politiker scheuen sich nicht davor, uns eine Zusammenarbeit mit libyschen Schleppern anzudichten“, sagt Hannes Neubauer. Oft werden sie auch für das Sterben im Mittelmeer verantwortlich gemacht. „Vor allem das es keine andere Möglichkeit für die Flüchtenden gibt, beispielsweise über legale Fluchtwege, zwingt die Menschen über das Bürgerkriegsland Libyen auf das offne Meer“, betont er.

Aktuell wird dem Rettungsschiff Liveline – auf dem Martin Neubauer zurzeit im Einsatz ist – von Malta das Anlegen verwehrt. Erst vergangene Woche war dem Rettungsschiff Aquarius von Italien die Einfahrt verboten worden. Mittlerweile durfte die Aquarius in Spanien anlegen.

Info: Weitere Informationen über die Seenotrettungsaktionen gibt es unter www.,mission-lifeline.de.

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