Faust-Festspiele: Kurz und knackig

Von Michael Weiser

Die Pegnitzer Faust-Festspiele gehen in die Schule der Frauen und präsentiereneinen Klassiker von Moliere derb und witzig im Louis-de-Funes-Format. Allesganz schön - wenn nur der Regen nicht wäre.

 
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Als Intendant, als Spielleiter zumal eines kleineren Betriebes, muss man eine spezielle Form von Tapferkeit zeigen. Da muss man auch mal Fröhlichkeit versprühen, auch wenn der Himmel weint. „Die Sonne scheint aus allen Löchern“ ruft Daniel Leistner also forciert gutgelaunt in das Mikrophon, zur Vorrede der Premiere, da noch der Regen schwer von den Bäumen tropft und das Wasser die Hoffnungen auf eine besser verkaufte Vorstellung wegspült.

Freiluft ist nichts für Warmduscher

Ist halt so, eine kleine Freilichtbühne hat Nachteile, weil sie weder Schnürboden noch Seitenbühne hat. Eine Freilichtbühne hat aber auch Vorteile, eben weil sie weder Schnürboden noch Seitenbühne hat – und somit unverstellten Blick auf die Natur. Die jedoch ist ein ebenso so wichtiger wie launischer Mitspieler, wie man seit langem aus Wunsiedel und anderen Orten weiß; die Pegnitzer erfahren es in diesen verregneten Juli-Tagen: Freiluftspiel ist mitunter nichts für Warmduscher.

So frösteln allzu leicht gekleidete Zuschauer auf den überdachten Tribünen, die Akteure werden nass, frieren aber immerhin nicht: Es ist ja einiges an Action geboten, einfach rumstehen dürfen sie nur selten. „Schlau, schlau, die Frau“, nach einer Komödie von Moliere steht als zweites Stück auf dem Spielplan der in Pegnitz wiedergeborenen Faust-Festspiele: als eigentliche Spielzeitpremiere nach dem gewohnten „Faust“.

Arno macht sich zum Affen

Der Titel der Originalfassung aus dem Jahre 1662 ist doppeldeutig und eindeutig charmanter: „Die Schule der Frauen“ lautet er, es hat sich darin Moliere selbst karikiert. Gut 40 Jahre alt, als mit einer viel, viel jüngeren Schauspielerin aus seiner Truppe in den Stand der Ehe trat, sah er sich alsbald betrogen. Für den Scherz auf seine Kosten brauchte er dann gar nicht mehr zu sorgen.

Diesen Hohn möchte sich der Ehebeobachter und Spötter Arnolphe ersparen, weswegen er ein kleines Bauernmädchen adoptiert und jahrelang in einem Kloster aufwachsen lässt, ungebildet und fern der Welt, auf dass er sie recht formen kann. Ein französischer Pygmalion, der sich seine Frau nach seiner Vorstellung macht. Spätestens seit Parzival weiß man jedoch, dass derlei nur bis zu dem Punkt funktioniert, da die Welt an das tumbe Geschöpf herantritt und es zum Klingen bringt. Im Falle von Arnolphes Mündel Agnes ist die Welt Horace, ein junger Mann. Arnolphes Menschenexperiment ist von da an zum Scheitern verurteilt, und weil Arnolphe das nicht einsieht, macht er sich zum Affen.

Kurz und knackig

Arnolphe wird in Leistners Fassung zu Arno, überhaupt ist die Pegnitzer Fassung natürlich viel kürzer als das Original. Dadurch gehen Schattierungen verloren, Leistner setzt mit dem Louis-de-Funes-Effekt dagegen. Es gibt ordentlich auf die Rübe, man läuft hektisch durcheinander. Und der Berliner Sven Schenke hippelt, zappelt und hyperventiliert verlässlich in den Spuren des legendären französischen Komikers, nach ein paar Minuten des Warmspielens ein Hingucker. Wie auch sein Mündel: Melina Rost spielt auf den ersten Blick wirklich putzig; auf den zweiten Blick zeigt sie anmutig, dass wahre Bildung etwas mit Herz zu tun hat. Da lohnt die Action-Komödie des näheren Hinsehens.

Es treten auf: die üblichen Verdächtigen. Arno als der Oberschlaue, der zum Dummen wird, und Agnes als kluge Einfalt hatten wir schon. Des weiteren: ein gütiger Onkel (Daniel Leistner selbst), ein schon etwas reiferer jugendlicher Liebhaber (als Horace oder Horatio: Uwe Vogel), eine Bande ausgemachter Diener-Tölpel in Haushalt Arnos, als deren Anführer Georg Mädl (an den sich die Bayreuther als Wagner in „Richard! Mein Leben“ erinnern).

Derbe Kost, leicht serviert

Eine derbe, keine schwere Kost, leicht serviert, am Ende wird alles gut, weil die Pegnitzer Faustianer dankbar und pointenreich auf den Deus ex Machina zurückgreifen: Wenn alles zu kompliziert zu  werden droht, löst ein Gott, ein Unbekannter oder ein gottgesandter Brief alles in Wohlgefallen auf. Da hilft’s auch nichts, dass Oberlehrer Arno seine Gesetze der Ehe repetieren lässt: „Denn die Frau von nune an, ist des Mannes Untertan.“ Agnes ist ja doch längst durch eine andere Schule gegangen. Tja.

Fazit: Wer auf Unterhaltung gehofft hatte, sah sich nicht enttäuscht. Das Stück hat Charme. Viel Beifall von nicht allzuvielen Zuschauern, 200 mögen es gewesen sein. Zum Weinen ist das fast; aber irgendwann wird die Sonne sich doch hoffentlich nicht mehr durch einen Duschkopf quälen müssen.

Dann kann das was werden.

Für diesen Fall sei ein weiterer Pluspunkt der Pegnitzer Faust-Festspiele auch für auswärtige Besucher ausdrücklich erwähnt: Näher als an jeder anderen oberfränkischen Spielstätte befindet sich dort ein schöner, schattiger Biergarten.