Eurozone: Im Süden brennt die Hütte

Von
 Foto: red

Das Schicksal der Eurozone: Hans-Werner Sinn, ehemaliger Chef des Ifo-Instituts, sieht nicht gerade rosig, was die Zukunft der europäischen Währungsunion anbelangt. An der Uni Bayreuth sprach der Ökonom von vier Optionen, wie die Eurozone erhalten werden könne. Und alle vier nennt er trostlos.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Als Hans-Werner Sinn am Mittwochabend nach seinem Vortrag an der Universität Bayreuth gefragt wurde, wie er denn selber sein Geld anlege, da mogelte sich der Ex-Chef des Ifo-Instituts mit einem flotten Spruch um die Antwort herum. Doch die Zuhörer im proppenvollen Audimax hatten in den fast zwei Stunden zuvor den Eindruck bekommen, dass ein etwas höherer Anteil an Gold im Depot als feste Burg für sehr stürmische Zeiten nicht schaden dürfte.

Siechtum oder Crash

Denn letztlich gibt es für den 68-jährigen Top-Ökonomen vor allem wegen des „entgrenzten Kurses“ der EZB nur zwei realistische Szenarien für die Zukunft der Eurozone: Siechtum – wenn auch stabiles - in einer Transferunion, auf die es derzeit zulaufe, oder einen veritablen Crash. Dabei habe das alles Deutschland schon jetzt viele Milliarden gekostet.

Crash, Siechtum? Deutschland geht’s doch gut! Ja, sagt Sinn, aber Deutschland sei auch eine Insel der Seligen, sein produzierendes Gewerbe habe es als eines von ganz wenigen in der Eurozone wieder auf das Niveau von vor der Finanzkrise und sogar leicht darüber geschafft. „Doch in den Südländern, da brennt die Hütte“, sagte Sinn, der auf Einladung des Vereins Volkswirtschaft an der Universität Bayreuth sprach. Portugal und Frankreich, vor allem aber Italien, Spanien und Griechenland seien weit vom Vorkrisenniveau entfernt, einhergehend mit teils extrem hohen Arbeitslosenzahlen.

Die Menschen leiden

„In Griechenland herrschen annähernd ähnliche Zustände wie während der Weltwirtschaftskrise zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Da leiden viele Menschen wirklich“, beschrieb Sinn den Status quo. Allerdings liege die Wurzel dafür auch in einer Zeit, in der sich viele Länder dank der Möglichkeiten in der Eurozone weit über ihre Möglichkeiten verschuldet hätten.

Doch sei das kein Vergleich zum ungezügelten Aufblähen der Verschuldung der Staaten, die mit den seither initiierten Rettungsprogrammen stattgefunden habe und weiter stattfinde. „Das ist ein Strohfeuer. Aber soviel Stroh hat keiner, dass sich damit die Krise lösen ließe“, sagte Sinn. Vielmehr müssten die Krisenländer ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen, was aber nur mit teils schmerzhaften Einschnitten möglich sei. Spanien und Griechenland hätten diesen Weg zumindest eingeschlagen, auch wenn er noch weit sei: „In Portugal und Italien ist da aber noch gar nichts passiert.“

Nur dumme Sprüche

Und das habe seinen Grund. Und zwar in der enormen Geldschwemme durch Rettungsschirme und derzeit vor allem das Anleiheankaufprogramm der EZB. Für Sinn sind Aussagen, die Krisenländer bekämen Geld für Reformen „dumme Sprüche. Es ist genau umgekehrt. Wenn Geld fließt, gibt es gerade keine Reformen.“

Er sieht aktuell vier Optionen, wie die Eurozone erhalten werden könne – und nennt sie alle trostlos.

 

 

  • Eine Transferunion, in der die halbwegs gesunden 60 Prozent der Eurozone die 40 Prozent Krisenländer dauerhaft alimentieren. „Das wird teuer“, sagte Sinn, und: „Wichtige Reformen werden so nicht angegangen, die fehlende Wettbewerbsfähigkeit wird zementiert.“

  • Deflation in der Peripherie: Für Sinn nur noch eine theoretische Möglichkeit, weil sie unter anderem Massenarbeitslosigkeit auslöse. „Das wäre wie eine Chemotherapie bei einer Krebserkrankung: sehr schmerzhaft und einige sterben trotzdem.“

  • Nachinflation des Nordens: Nicht die Südländer fahren Löhne und Preise zurück, stattdessen satteln die anderen drauf. Dann müsse Deutschland aber zehn Jahre lang mit fünf Prozent inflationieren, während die Preissteigerung in den Krisenländern gleichzeitig bei Null verharren müsste. „Machen Sie das mal den Bürgern in Deutschland klar“, sagte Sinn.

  • Austrittsmöglichkeiten: Hätte Griechenland die Möglichkeit, auf Zeit aus der Eurozone auszutreten, könne es die eigene Drachme deutlich abwerten und so wieder wettbewerbsfähig werden. „Griechenland wäre längst raus aus der Krise, wenn es 2010 augetreten wäre statt vor der Staatspleite gerettet zu werden.“

 

 

Mittlerweile sei klar, dass der Weg der Eurozone Richtung Transferunion gehe. Faktisch habe diese  bereits begonnen. Zumal die EZB den nationalen Notenbanken schon lange ermögliche, die Druckerpresse anzuwerfen und sich das Geld zum Bezahlen von Forderungen selbst zu drucken. Hier wie bei dem Anleihekaufprogramm handle es sich um verbotene Staatsfinanzierung.

Da das ganze System mittlerweile auf Verschuldung aufgebaut sei, mit Deutschland und seinen Bürgern als größtem Gläubiger, ergibt sich laut Sinn folgendes Szenario: „Wenn Deutschland heute sagt, es reicht jetzt mit dieser Kreditfinanzierung, dann ist der Euro morgen am Ende.“ Aber: „Wenn der Euro morgen zerbricht, sitzt Deutschland auf Forderungen, für die es von den Schuldnern ausgelacht wird. Die bezahlt kein Mensch.“ Womit die Drohkulisse aufgebaut sei, wenn es darum gehe, die von den Deutschen eigentlich abgelehnte Transferunion endgültig zu beschließen.

Im Reich der Fabel

Dass das alles zumindest bislang noch kein reales Geld gekostet habe, verweist Sinn ins Reich der Fabel. Zwar freue sich Finanzminister Wolfgang Schäuble über die niedrigen Zinsen, aber eben auch die Krisenländer. Die hätten von 2007 bis Ende 2015 allein 382 Milliarden Euro an direkten Zinsen gespart – und zwar nur gegenüber deutschen Schuldnern. Und das seien auch die Inhaber von Lebensversicherungen für die Altersversorgung oder Stiftungen.

Dass sich angesichts der anziehenden Inflation eine Zinswende auch in Europa ankündigt, glaubt Sinn ebenfalls nicht. Vielmehr glaubt er, dass EZB-Chef Mario Draghi nach Möglichkeiten sucht, einen noch höheren Negativzins etablieren zu können. „Die Untergrenze für Negativzinsen sind in einer Marktwirtschaft die Tresorkosten. Schon heute horten große Banken und Versicherungen enorme Summen Bargeld“, sagte Sinn. Das ärgere Draghi, der nun darauf sinne, die Tresorkosten zu erhöhen. Wie das gehe? Man schaffe den 500-Euro-Schein ab. „Weil kleinere Scheine mehr Platz brauchen und so die Tresorkosten für die gleiche Menge Geld mehr kosten“, sagte Sinn. Begründet werde das unter anderem mit dem Kampf gegen Kleinkriminelle: „Aber mit Kleinkriminalität hat das, was da läuft, wirklich nichts zu tun ...“

Zur Person

Prof. Hans-Werner Sinn (68) ist Ökonom und war als Hochschullehrer an vielen renommierten Universitäten tätig. Seine „Stamm-Professur“ (Nationalökonomie und Finanzwissenschaft) hatte er von 1984 bis 2016 an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sehr bekannt machte ihn aber sein Amt als Präsident des Ifo-Instituts, das er von 1999 bis zum März dieses Jahres innehatte. Sinn ist bekannt für seine harsche Kritik an der Rettungspolitik der EU für Krisenländer der Eurozone und vor allem am Verhalten der EZB in diesem Zusammenhang. Der 68-Jährige ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und ist mehrfacher Opa. Erst vor wenigen Tagen wurde ein weiterer Enkel geboren, offenbarte er bei seinem Vortrag in Bayreuth.

Autor