Europa fehlt ein Stern Das Ringen der großen Mächte ist zurück

Konferenzchef Wolfgang Ischinger eröffnete das Treffen in einem Kapuzenpulli im Design der EU-Flagge. Foto: Sven Hoppe Foto: dpa

Der Krisenherd Nahost, ein erstarkendes China und nun droht noch eine atomare Aufrüstung: Die Münchner Sicherheitskonferenz findet in Zeiten großer Unsicherheit statt. Dafür soll auch der Mann im Weißen Haus verantwortlich sein.

 
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München - Wolfgang Ischinger setzt den Ton schon bei der Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz: In einem Kapuzenpulli im Blau der EU-Flagge und mit ihrem Kreis gelber Sterne tritt der 72-jährige Konferenzleiter am Freitag in München vor Regierungschefs, Minister und Sicherheitsexperten.

Ein Statement, denn einer der zwölf Sterne ist auf der Rückseite angebracht - eine Anspielung auf den Brexit.

Aber auch dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihr britischer Amtskollegen Gavin Williamson kurz darauf die Auftaktreden halten, ist ein Signal. Denn die CDU-Politikerin macht sich für einen Ausbau der militärischen Zusammenarbeit in Europa stark, zur Vorsorge in einer unsicherer gewordenen Welt und als Beitrag zur Stärkung der Nato.

Die "Wiederkehr der Konkurrenz großer Mächte" - USA, China, Russland - sei eine Herausforderung, sagt sie. "Ob wir wollen oder nicht, Deutschland und Europa sind Teil dieses Konkurrenzkampfs. Wir sind nicht neutral." Dann geht sie auch mit dem eigenen Land ins Gericht.

Stichwort Rüstungsexporte: Deutschland ist hier - wenn auch oft aus gutem Grund - restriktiver als die europäischen Partner. Das steht allerdings gemeinsamen Projekten im Weg. Berlin müsse dringend Klarheit schaffen, fordert von der Leyen - wohl auch an die Adresse des Koalitionspartners SPD. "Wir Deutschen sollten nicht so tun, als seien wir moralischer als die Franzosen oder menschenrechtspolitisch weitsichtiger als Großbritannien", sagte sie. "Wir müssen die politische Kraft aufbringen für eine verlässliche, eine gemeinsame Linie, einen europäischen Standpunkt, der unsere Sicherheitsinteressen und unsere humanitären Prinzipien verbindet."

Von der Leyen sagt den Partner zu, dass Deutschland seine militärischen Fähigkeiten weiter ausbauen werde. Der Druck aus den USA ist groß, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Militär ausgeben. Wer aber in München fehlt, ist US-Präsident Donald Trump, der die Nato in den vergangenen Wochen mit einseitigen Ankündigungen verunsichert hat. Er lässt sich von seinem Vize Mike Pence vertreten.

Der amtierende US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan wirbt bei Beratungen mit zwölf Amtskollegen vor der Sicherheitskonferenz dafür, den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auszuweiten. Er nennt Afghanistan, die Philippinen und die Sahel-Zone, wo Partner ihre jeweiligen Fähigkeiten einbringen sollten.

Der einflussreiche US-Senator Lindsey Graham ruft die Verbündeten zur Unterstützung einer militärischen Sicherheitszone in Syrien auf. Dafür werden Soldaten benötigt. "Lasst uns in Syrien nicht die gleichen Fehler machen, die wir im Irak gemacht haben", warnt er. Er habe Trump erklärt, ein Abzug von US-Truppen dort dürfe nicht zur Rückkehr des IS führen. Es müsse auch verhindert werden, dass die Türkei im syrischen Grenzgebiet gegen kurdische Milizen vorgehe - im Interesse des Nato-Verbündeten Türkei und der Kurden, die Partner im Kampf gegen den IS seien.

Die Menschen in Deutschland sorgen derzeit allerdings ganz andere Krisenherde auf der Welt. Als größte Gefahr für den Weltfrieden sieht eine Mehrheit der Deutschen laut einer neuen Umfrage die USA. Das gaben 56 Prozent der Befragten in einer Umfrage des Centrums für Strategie und höhere Führung zum Thema Sicherheit an. An zweiter Stelle steht Nordkorea (45 Prozent), gefolgt von der Türkei (42 Prozent) und erst dann Russland (41 Prozent).

Auf den ersten Blick sprechen die Zahlen eine ähnliche Sprache. Im vergangenen Jahr haben die USA mehr als zehn Mal so viel Geld für Verteidigung ausgegeben wie Russland. Mit 643,3 Milliarden US-Dollar lagen sie auch weit vor aufstrebenden Militärmächten wie China und Saudi-Arabien, die auf der in München veröffentlichten Rangliste des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) derzeit noch vor Russland Platz zwei und drei liegen. IISS-Experte François Heisbourg warnte davor, die Zahlen als Argument zu nehmen, bei den Verteidigungsausgaben in Europa wieder auf die Bremse zu treten. "Die Russen bekommen viel Schlagkraft aus dem Geld, das sie investieren."

Führende deutsche Offiziere haben vor der Konferenz schon weiter in die Zukunft geschaut und auch für einen verstärkten Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) bei militärischen Anwendungen plädiert - auch mit Blick auf die Befindlichkeit der deutschen Bürger. Allerdings ist der militärische Einsatz dieser Techniken politisch umstritten. "Ich glaube, der Verlust einer Drohne wird akzeptiert werden, einen Mann zu verlieren wird nicht akzeptiert", sagte der deutsche Nato-Admiral Manfred Nielson bei einer Diskussionsrunde, bei der sich auch Heeresinspekteur Jörg Vollmer für die neuen Techniken stark machte.

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