Erst im dritten Anlauf gelingt 39-Jähriger die Trennung von Partner – Kinder leiden noch heute unter dem Erlebten Seelische Gewalt gegen Ehefrau

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Eine junge Bayreutherin litt jahrelang unter der seelischen Misshandlung durch ihren Mann. Foto: dpa Foto: red

Zurzeit läuft vor dem Landgericht Bayreuth die Berufungsverhandlung gegen einen 34-Jährigen aus dem südlichen Landkreis. Er hat seine Frau getreten, geschlagen und psychisch misshandelt. Als Hanna (Name geändert) darüber im Kurier las, kamen ihr ihre eigenen Erlebnis mit einem Mal wieder hoch. Die 39-jährige Bayreutherin hat ähnliches erlebt.

 
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„Ich hatte damals niemanden, der mir geholfen hat, habe dem Ganzen alleine gegenüber gestanden“, sagt sie. Vier Stunden lang erzählt sie aus ihrem Leben. Inzwischen ist sie zwar von ihrem damaligen Mann getrennt, aber die Erinnerungen an die schlimme Zeit haben sich in sie eingegraben. Auch ihre beiden ältesten Kinder, die alles miterlebt haben, leiden noch heute darunter.

Prügelstrafen mit dem Ledergürtel

„Ich komme aus einer sozial schwachen Familie“, erzählt Hanna. Sie war die Älteste von fünf Geschwistern, das Geld war knapp, häufige Prügelstrafen mit dem Ledergürtel durch den Vater waren an der Tagesordnung. Mit 15 lernte sie dann ihren Ex-Mann kennen, hoffte, durch ihn dem bisherigen Leben zu entkommen. Er lud sie zum Essen ein, ging mit ihr aus, machte ihr Geschenke. 1996 haben die beiden geheiratet, Hanna war hochschwanger, machte noch ihren Schulabschluss an der Wirtschaftsschule. Zu einer Berufsausbildung kam es nicht mehr.

„Mein Mann verlangte, dass ich als Hausfrau und Mutter für die Wohnung und das Essen sorgte“, sagt sie. Körperliche Gewalt hat er ihr nicht angetan, aber psychische. Und er hat sie auch oft grob angefasst, am Arm gepackt, Sex unter Androhung von ihr verlangt. „Wenn du meine Bedürfnisse erfüllst, erfülle ich dir deine“, habe er immer gesagt. Und Hanna hat alles mitgemacht. „Ich hatte Angst vor ihm“, sagt sie. Vor allem, wenn er was getrunken hatte, konnte seine Stimmung von 0 auf 100 umschlagen. Und, weil sie nicht wusste, was passieren würde, hat sie sich seinen seelischen Quälereien gefügt. Da war zum Beispiel die Sache mit der Wäsche. Wenn sie die tagsüber nicht geschafft hatte, dann hat sie sie im Schrank versteckt, damit er sie nicht entdeckt. Natürlich hat er sie doch gefunden und aufs Übelste beschimpft.

Tagsüber ist sie geflüchtet

Ihr Ex-Mann hat damals bei einem Sicherheitsdienst gearbeitet, in der Nachtschicht. Tagsüber hat er dann geschlafen. Da ist Hanna immer geflüchtet, hat Einkäufe und andere Erledigungen gemacht, nur, um ihm aus dem Weg zu gehen. Der Ex-Mann hat ihr Zettel hingelegt mit schriftlichen Anweisungen, was er essen möchte, wann sie ihn wecken soll.

Und das Geld war immer ein heikles Thema. „Ich konnte zwar ans Konto, musste aber alles nachweisen“, sagt sie. Auch beim Auto setzte er sie massiv unter Druck. So sehr, dass sie manchmal den Tageskilometerzähler zurückstellte, um keinen Ärger zu bekommen. Und der Ex-Mann hat Schulden gemacht, knapp 30.000 Euro, und davon ein Auto, einen Computer oder Roller gekauft.

Über Abtreibung nachgedacht

Nach der ersten Tochter kam im Januar 2000 der Sohn. „Ich wollte ihn eigentlich gar nicht“, sagt Hanna, „ich habe über Abtreibung nachgedacht.“ Sie wollte endliche eine Ausbildung machen. Hanna hat mit dem Jungen inzwischen darüber gesprochen. Als die Kinder in die Schule kamen, lief alles über den Vater. Elternbriefe oder andere Informationen gingen nur an ihn, als zweite Person neben ihm, die auskunftsberechtigt ist, war die Oma eingetragen. „Ich weiß nicht, wie er das damals gemacht hat“, sagt Hanna, „ich war selber noch zu jung, habe das alles hingenommen.“ Auch den Ausbildungsvertrag der Tochter später hat nur der Vater unterschrieben.

Flucht ins Frauenhaus

Das erste Mal ist Hanna zu einer Freundin geflohen, aber als ihr Mann sie dort besuchte, ging sie wieder mit ihm mit. „Wir kriegen das wieder hin“, hat er gesagt und sie hat ihm geglaubt. Beim zweiten Mal hat Hanna die Telefonseelsorge angerufen. Dort hat man ihr geraten, sie soll mit den Kindern ins Frauenhaus gehen. Das hat sie auch gemacht. Doch plötzlich stand ihr Ex-Mann dort vor der Tür. Und wieder hat sie sich von seinen Versprechungen „lass es uns noch mal probieren, wir schaffen das“, einlullen lassen, ist zurück gegangen. Mit Freunden hat sie über ihre Situation gesprochen, viele haben ihr geraten, sich zu trennen. „Aber wirkliche Hilfe hatte ich keine“, sagt sie.

Dann kam es zum Eklat

Über ihren Ex-Mann hat Hanna dann jemand anderen kennengelernt. „Deine Ehe ist im Arsch, es wird sich nie was ändern“, hat der zu ihr gesagt und versprochen, ihr bei der Trennung zu helfen. Dann kam es zu einem Eklat. Hanna hat gesagt, dass sie sich scheiden lassen will. „Du bekommst die Kinder nie“, habe ihr Ex-Mann geschrien. Es kam zu einer Rangelei mit ihrem Schwiegervater, der im Nachbarhaus wohnte. Später diagnostiziert das Krankenhaus Abschürfungen und ein Hämatom. Hanna geht zum Anwalt, aber eine Anzeige gegen den Schwiegervater wird fallengelassen. Was sie heute noch verbittert, dass der Anwalt das einfach so hingenommen hat. Auch von anderen Anwälten und dem Jugendamt fühlt sie sich im Stich gelassen. Ein weiterer Anwalt nimmt ihre Unterlagen zwar an, meldet sich dann aber nie mehr. Von Bekannten erhält sie eindeutige Informationen, dass ihr Ex-Mann mit Drogen zu tun hat. Aber auch hier glaubt ihr keiner. Schließlich werden die beiden geschieden, die Kinder leben nach Entscheidung des Gerichts beim Vater, Hanna ist Wochenendmama.

Jüngste Tochter sitzt im Rollstuhl

Sie ist inzwischen von ihrem neuen Partner schwanger, die Tochter kommt 2004 auf die Welt, ist körperbehindert, wird immer im Rollstuhl sitzen. Hanna versorgt sie selber, hat mit 31 Jahren eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegehelferin gemacht. Die große Tochter lebt auf dem Land, hat aber noch massiv mit dem Erlebten zu tun. Der Sohn scheint es einigermaßen gepackt zu haben, ihm geht es besser, er lebt jetzt bei der Mutter. Aber der Weg bis dahin war schwierig. Hanna hat einen neuen Partner, lebt aber nicht mit ihm zusammen. Finanziell ist es immer noch schwierig. Sie musste Privatinsolvenz anmelden, weil sie mit herangezogen wurde wegen der Schulden ihres Ex-Mannes. Sie lebt jetzt von Hartz IV, dem Pflegegeld für die Tochter und hat zwei Mini-Putz-Jobs. Rund 1000 Euro bleiben ihr im Monat zum Leben.

Zur Rechenschaft ziehen

„Ich will nie wieder von jemanden abhängig sein und hoffe, dass meine Kinder ihren Weg finden“, sagt Hanna. Für die Frau aus dem südlichen Landkreis hofft sie, dass deren Mann für seine Taten jetzt vor Gericht bestraft wird. Das wäre es auch, was sie sich für ihren Ex-Mann immer noch erhofft, dass er für das, was er getan hat, zur Rechenschaft gezogen wird. Die beiden haben keinen Kontakt mehr zueinander, die Kinder auch nicht. „Ihr seid Bastards, nicht mehr meine Kinder, seid undankbar“, hat er sie beschimpft.

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