Die Englischen Suiten sind, so betrachtet, der Teil eines großen Projekts, der Bach von modernen Geschwindigkeitsrekorden und den Farben eines gegenwärtigen Konzertflügels befreit. Was nicht heißt, dass sie leidenschaftslos daherkommen oder das Cembalo nur eine einzige Farbe besitzen würde.
Späte Liebe
Die Zuneigung der Interpretin ist offensichtlich eine späte Liebe: Während ihres Studiums habe sie keine einzige dieser Suiten gespielt. Heute aber möchte sie sie nicht mehr missen. „Je intensiver ich mich damit beschäftigt habe, desto schöner wurden sie.“ Und so klingen sie auch: im Tempo stets eher langsam, doch nicht behäbig, sehr genau in der Melodieführung und im komplexen Linienspiel, musikantisch und meditativ.
Man muss nur das konzertante Prélude der a-Moll-Suite und die Sarabande der A-Dur-Suite hören, um die Spannweite der Bachschen Charakter- und Tanzsätze zu begreifen und die unaufgeregte Ernsthaftigkeit der Interpretation zu genießen.
Mit dem hervorragend ausgesteuerten Zirp- und Zupfklang im Ohr – auch der Lautenzug wird gelegentlich bedient –, wird Bachs Musik von Anno 1715 lebendig, aber im tiefsten Grunde entspannt ins Heute gebracht. Die Allemande der g-Moll-Suite wirkt wie ein unprätentiöses Barocklied, und auch in der finalen Gigue, dem Springtanz, ist jede Note wesentlich. „Ich spüre“, so kommentiert die Musikerin ihren Stil, „mein richtiges Tempo. Die meisten Stücke klingen und schwingen schöner, wenn man sie etwas langsamer spielt.“
Man kann es nicht besser ausdrücken.
Info
Die Einspielung erschien beim Label „Charade“ (Nr. 3044).