Eleonore Bühler-Kestler mit Bachs Suiten

Von Frank Piontek
Eleonore Bühler-Kestler an ihrem Cembalo. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Die Goldbergvariationen, die Partiten und Toccaten – diese umfangreichen Zyklen hat Eleonore Bühler-Kestler bereits auf CD vorgelegt. Nun liegt nach etlichen Jahren eine neue Aufnahme vor: 61 Minuten und 37 Sekunden reinster Bach. „Diese Suiten“, sagt die Musikerin, „wollen erarbeitet werden. Jede für sich, jeder einzelne Satz darin. Von den Hörern genauso wie von den Spielern.“

 
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Mit 66 Jahren, hieß es einst bei Udo Jürgens, finge das Leben an. Das Leben Eleonore Bühler-Kestlers, begann bei Renteneintritt, soweit es ihre mediale Karriere betrifft, von Neuem. Bachs Goldbergvariationen waren vor 25 Jahren ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Nach einer schönen, aber vergleichsweise „normalen“ Laufbahn eroberte sie sich „ihren“ Bach. Ausgebildet in Nürnberg bei Walther Körner, dem Kantor der Nürnberger Lorenzkirche, lehrte sie viele Jahre an der Bayreuther Universität.

Nichts „Besonderes“ also, doch dass eine Musikerin noch in hohem Alter an Werken arbeitet, die sie seit vielen Jahren begleiten, um sie schließlich einzuspielen und dafür noch von der Fachkritik gelobt zu werden: dies ist nicht selbstverständlich.

Am Instrument beginnt sie den Tag

In ihrem Haus in Bindlach steht ihr Cembalo, mit dem sie, weit über 80 Jahre alt, im Mai 2016 in Steingraebers Kammermusiksaal einrückte. Am Instrument beginnt sie auch den Tag: sozusagen als Einschwingung.

Wer die Aufnahme der drei Englischen Suiten BWV 806-808 hört, bekommt etwas von diesem ruhigen Atem mit. Bühler-Kestlers Stil mag musikhistorisch mit dem Einfluss erklärt werden, den der bekannte Leipziger Organist Karl Straube auf die Musikerin ausübte: ein schlanker, unromantischer, doch nicht maschineller Barockstil, in dem sich die Genauigkeit der Linie mit der Abwehr allen Pomps gepaart hat.

Die Englischen Suiten sind, so betrachtet, der Teil eines großen Projekts, der Bach von modernen Geschwindigkeitsrekorden und den Farben eines gegenwärtigen Konzertflügels befreit. Was nicht heißt, dass sie leidenschaftslos daherkommen oder das Cembalo nur eine einzige Farbe besitzen würde.

Späte Liebe

Die Zuneigung der Interpretin ist offensichtlich eine späte Liebe: Während ihres Studiums habe sie keine einzige dieser Suiten gespielt. Heute aber möchte sie sie nicht mehr missen. „Je intensiver ich mich damit beschäftigt habe, desto schöner wurden sie.“ Und so klingen sie auch: im Tempo stets eher langsam, doch nicht behäbig, sehr genau in der Melodieführung und im komplexen Linienspiel, musikantisch und meditativ.

Man muss nur das konzertante Prélude der a-Moll-Suite und die Sarabande der A-Dur-Suite hören, um die Spannweite der Bachschen Charakter- und Tanzsätze zu begreifen und die unaufgeregte Ernsthaftigkeit der Interpretation zu genießen.

Mit dem hervorragend ausgesteuerten Zirp- und Zupfklang im Ohr – auch der Lautenzug wird gelegentlich bedient –, wird Bachs Musik von Anno 1715 lebendig, aber im tiefsten Grunde entspannt ins Heute gebracht. Die Allemande der g-Moll-Suite wirkt wie ein unprätentiöses Barocklied, und auch in der finalen Gigue, dem Springtanz, ist jede Note wesentlich. „Ich spüre“, so kommentiert die Musikerin ihren Stil, „mein richtiges Tempo. Die meisten Stücke klingen und schwingen schöner, wenn man sie etwas langsamer spielt.“

Man kann es nicht besser ausdrücken.

 

Info

Die Einspielung erschien beim Label „Charade“ (Nr. 3044).

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