Eintrittskarte aus Stein

Von Andreas Gewinner

Wer Mitte Januar zum Deutschen Winterwandertag an den Ochsenkopf kommt, kann für weniger als zehn Euro eine Plakette erwerben, mit der er, theoretisch, an allen fast 100 Veranstaltungen in fünf Tagen teilnehmen kann. Eine Plakette, die eine eigene Geschichte wert ist. Weil sie aus der Tiefe des Berges und der Zeit kommt. Und weil dahinter die persönliche Leidenschaft eines Mannes steht.

 
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Wer Thomas Müller in seinem Heim an der Forststraße in Marktleuthen besucht, der betritt eigentlich ein Museum. In zahlreichen Vitrinen funkeln Kristalle, liegen Granitbrocken und andere Gesteine aus dem Fichtelgebirge in den unterschiedlichsten Farben und Strukturen. Eines seiner Paradestücke: ein Brocken, in dem die Bestandteile des Granit – Quarz, Glimmer und Feldspat – herauskristallisiert sind. Ein Blick in die Werkstatt der Entstehung des Fichtelgebirges, 300 Millionen Jahre alt. Das Fichtelgebirge, sagt Müller, ist einer der Orte auf der Erde, wo man auf relativ kleinem Raum relativ viele unterschiedliche Mineralien finden kann.

Der Stein lässt ihn nicht los

Seit seiner Jugend lässt ihn das, was im Fichtelgebirge unter der Erdoberfläche schlummert, nicht mehr los. Vor rund 20 Jahren machte der gelernte Werkzeugmachermeister seine Leidenschaft zum Beruf. Er verkauft unter anderem Schmuck aus Mineralien, den er selber fertigt. Aktuell ist er jeden Tag auf dem Weihnachtsmarkt in Marktredwitz anzutreffen. Im August 2016 war er mit seinem Stand auf dem Künstlermarkt in Tröstau. Dort kam Ronald Ledermüller vom Naturpark Fichtelgebirge mit einer kühnen Idee auf ihn zu: eine Eintrittskarte für den Deutschen Winterwandertag 2018 aus Stein. Müller sagte spontan ja.

Gefordert waren 1000 Plaketten. Eine Stückzahl, die weit jenseits dessen liegt, was Müller sonst produziert. Doch Müller arbeitet seit Langem mit Inge und Norbert Kaestner zusammen, die das Steinwerk Polster mit Sitz in Habnith bei Marktleuthen sowie Bayreuth betreiben. Sie teilen nicht nur Müllers Leidenschaft für Stein, sie hatten auch die meisten nötigen Maschinen und Werkzeuge bereits in ihrem Betrieb. Doch zuerst musste aus der Vielfalt der Fichtelgebirgsgesteine das richtige Rohmaterial ausgewählt werden. „Es kam eigentlich nur Proterobas infrage“, so Müller, „da der Ochsenkopf, wo der Winterwandertag stattfindet, Heimat dieses Steins ist.“ Proterobas, Grünstein, Diabas – mit der kleinen schwarzweißen Körnung sieht er aus wie Granit, ist in Wahrheit aber ein Basaltgestein, also vulkanischen Ursprungs. Am Ochsenkopf gibt es einen Gang mit Proterobas, wo sich das flüssige Gestein vor 250 bis 300 Millionen Jahren aus der Tiefe der Erde hochgeschoben hat. Proterobas wurde schon vor Jahrhunderten am Ochsenkopf abgebaut und verarbeitet, etwa zur Herstellung von Glasknöpfen geschmolzen. Proterobas wurde im Vestibül des Reichstagsgebäudes verbaut. Der Grabstein von Entertainer Harald Juhnke ist ebenfalls aus Proterobas.

Von 200 blieben nur fünf

Von den einst rund 200 Steinbrüchen im Fichtelgebirge sind fünf geblieben, Proterobas wird seit vielen Jahren nicht mehr abgebaut. Doch die Kaestners hatten einen Restbestand. Und bekommen ab und an aus einem Abriss oder einer Sanierung Reste des selten gewordenen Steins. Vor Jahren bekam Norbert Kaestner etwa von einem Bischofsgrüner Geschäftsmann Fassadenplatten aus „Ochsenkopfmarmor“ angeboten. Die polierten Platten waren in Wahrheit aus Proterobas, Kaestner schlug dankbar zu.

Im Steinwerk Polster wurde der Proterobas in fünf Millimeter dicke Scheiben geschnitten, aus den Scheiben wurden die runden Rohlinge ausgebohrt, die Kanten abgeschliffen, die Plaketten poliert und der Aufkleber mit Aufschrift und Logo eingebrannt. Was hier in Kurzform wie einfache Serienproduktion klingt, war in Wahrheit ein monatelanger Prozess aus Versuch und Irrtum. Müller entwarf den Bohrer für die Rundlinge selbst, sodass bei der Firma Polster nun ein Werkzeugunikat im Einsatz ist. Auch das Einbrennen der weißen Schrift erforderte trotz Expertise aus der Porzellanindustrie viele Versuche, bis die richtige Brenntemperatur gefunden war. Und zuvor Versuche mit dem Laser nicht erfolgreich waren.

100 sind bereits verkauft

Die ersten 100 Plaketten von insgesamt 1000 sind bereits verkauft, sagt auf Nachfrage Annika Stöcker, Projektmanagerin für den Winterwandertag. Die ersten wurden bereits im Sommer auf dem Deutschen Wandertag in Eisenach verkauft. Eine der größten Einzelbestellungen bisher kam aus Hamburg. Eine Dame orderte per E-Mail 13 Plaketten.

Auch sonst hat die Winterwandertagsplakette über den Ochsenkopf hinaus schon Aufmerksamkeit erzeugt. Thomas Müller hat bereits den nächsten Auftrag. Die Stadt Arzberg feiert nächstes Jahr 750-jähriges Jubiläum. Und möchte dazu auch Plaketten aus Stein.

Info: Die Plakette zum Preis von 9,50 Euro berechtigt zur Teilnahme an allen Veranstaltungen des Deutschen Winterwandertages vom 17. bis 21. Januar; sie ist aktuell erhältlich in den Tourist-Informationen der vier Ochsenkopfgemeinden, in der Geschäftsstelle des FGV in Wunsiedel oder über das Internet: www.winterwandertag-ochsenkopf.de. Hier findet man auch das komplette Programm.

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