Einmalige Aufgabe für die Flussmeister im Berufsleben Von der Renaturierung des Roten Mains

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Das Wasser plätschert durch Schleife drei. Kleine Strudel glitzern im Sonnenlicht. Der Rote Main umspielt Steine, ändert immer wieder die Geschwindigkeit hinter großen Baumstämmen, die wie zufällig im Wasser liegen. Hauptflussmeister Ludwig Schmidt dreht am kleinen Kiesstrand Steine um und sucht nach Köcherfliegenlarven. „Urkies“, sagt er. „Steine wie Handschmeichler. So rund geworden. Abgeschliffen vom Main in Tausenden von Jahren.“

 
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Den Kies, sagt Oberflussmeister Rudi Leidner, hat man gefunden, als man den Auensee ausgehoben hat. „Der Main ist ja gewandert im Lauf der Jahrtausende in der Aue. In zweieinhalb Metern Tiefe lag der Kies. Eine dicke Schicht. All den Kies, den wir hier eingebaut haben, haben wir von dort gewinnen können.“ Schmidt lächelt: „Und er bleibt auch dort liegen. Man hat es mir nicht glauben wollen. Aber er bleibt, wird nicht fortgetragen. Er bewegt sich vielleicht ein bisschen durch die Strömung. Aber er bleibt.“

Der Urkies ist eines von unendlich vielen, kleinen Mosaiksteinchen, das sich zu einem Gesamtbild eines renaturierten Roten Mains fügt, das man wahrscheinlich erst nach Ende der Landesgartenschau im Oktober kommenden Jahres so richtig wird ermessen können. Von sämtlichen Emotionen befreit, könnte man sagen, der Rote Main hat vier Schleifen – vier Mäander, wie die Flussmeister des Wasserwirtschaftsamtes Hof, das den Umbau des Mains geplant und umgesetzt hat, sagen – bekommen. Doch die Wilhelminenaue, wie die Aue jetzt heißt, hat wesentlich mehr gewonnen: Artenvielfalt, natürlichen Lebensraum für Tiere, ein neues Gesicht mit dem alten Main. Und die Menschen können jetzt wieder Wasser erleben. Was seit Anfang der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts schlicht nicht möglich war, weil der Main ein zugewachsener, fast gerader Strich mit einer steilen Uferböschung war.

Wie ein Sechser im Lotto

Ludwig Schmidt steht am Ufer des Mains, schaut übers Wasser und sagt: „Das ist der schönste Beruf der Welt.“ Einen Fluss neu zu gestalten, Impulse zu geben, dass die Natur ihn sich selber bauen kann, wie sie möchte, sei „wie ein Sechser im Lotto. Das gibt es im Berufsleben nur einmal“. Bis auf ein paar wenige Restarbeiten und Pflanzungen ist fertig, was im Winter 2012/13 begann. „Mit dem Abholzen am Ufer, wo wir mit den Mäandern raus sind. Das war viel Holz“, sagt Schmidt. „Aber fast alles haben wir wieder eingebaut.“ Als Stämme, die wie zufällig, aber sehr gut geplant am Ufer oder im Wasser liegen. Vor allem als Schutz und Unterstand für Fische. Oder für die Vögel. „Ohne die Renaturierung wäre zum Beispiel der Flussregenpfeifer nicht wieder hier“, sagt Leidner. Zwei bis vier Paare sind schon wieder am Roten Main. Der Eisvogel, der vorher schon am Roten Main war, ist "rausgekommen aus dem sozialen Wohnungsbau, für den haben wir eine Eisvogelwand geschaffen. Mit Brutröhren, richtigen Appartements", sagt Schmidt. „Ziel war, aus einem relativ einfachen Gewässer einen Fluss zu machen, der eine große Artenvielfalt im und am Wasser zulässt“, sagt Schmidt.

Was wollen Tier und Mensch?

Allem voran stehen dabei zwei Fragen: „Was wünscht sich das liebe Vieh? Und was der Mensch?“ Der Fisch, sagt Schmidt, braucht wechselnde Fließgeschwindigkeiten, flache und tiefe Bereiche, Unterstände und Bereiche hinter Wurzelstöcken oder Steinen, „hinter denen er sich ausruhen kann, wenn er müde ist“. Wichtig ist „ein hoher Totholzanteil, der Leben reinbringt durch die Oberfläche und die Besiedelung mit Mikroorganismen“, wie Schmidt es formuliert. Das Leben im Wasser braucht „Habitate – Lebensräume, die sich wiederholen“. Schmidt nennt als Beispiel die Nase, ein stark gefährdeter Fisch, der im Oberlauf des Mains lebt. Die Nase braucht Riffles - Kiesbänke unter Wasser - zum Ablaichen. Die Larvenfische lassen sich abtreiben in nährstoffreiche Laubablagerungen, als Wintereinstand braucht der Fisch Pools, tiefe Bereiche. All das findet er in den vier neuen Schleifen.

Mit der Strömung bauen

"Man muss mit der Strömung bauen", sagt Schmidt. Was gar nicht so einfach war, denn die Strömung mussten sich die Planer des Wasserwirtschaftsamts vorstellen, als sie die Schleifen gebaut haben. Dazu kommt, "dass der Main alles andere als einfach ist, weil er eine sehr große Abflussdifferenz hat". Von 500 Liter (einem halben Kubikmeter) pro Sekunde im Normalzustand bis zu 165000 Liter (165 Kubikmeter) pro Sekunde bei hundertjährlichem Hochwasser - das dann so schon nicht mehr in der Stadt ankommen darf. "Wir bringen maximal 90 Kubik durch die Stadt. Dann wird die Aue über das Wehr aufgestaut", sagt Schmidt.

Wassererlebnis Roter Main

Und der Mensch? "Der kann das Wasser erleben. Kann hingehen über flache Böschungen. Kann sich auch mal hinlegen am Kiesstrand", sagt Schmidt. Rudi Leidner hat seinen Lieblingsplatz schon gefunden. Ein Stamm in der ersten Schleife, der am Ufer liegt wie eine Bank. Dort kann man stundenlang sitzen. Zuschauen, wie das Wasser plätschert. Und den Stress des Alltags mitnimmt. Irgendwie ganz natürlich. 

Mehr zur Landesgartenschau 2016 finden Sie hier.

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