Eine Fichtelberger Enklave in Mehlmeisel

Von Gisela Kuhbandner
Aufnahme um 1925: Links sitzt Christof Daubner, der Erbauer des Anwesens Hüttstadl 19, das am Ortsrand von Neugrün liegt. Repro: Josef Wiche Foto: red

Ortsunkundige, die von Fichtelberg oder Mehlmeisel kommen und nach Hüttstadl (Fichtelberg) oder Neugrün (Mehlmeisel) wollen, werden sich da, wo sich die Straßen kreuzen, erst einmal  wundern. Neben dem Wegweiser nach Neugrün steht noch ein weiterer, der nach Hüttstadl 19 führt. Nein, das ist kein Lausbubenstreich mit verdrehten Schildern. Das letzte Haus im Ortsteil Neugrün gehört tatsächlich  zur Gemeinde Fichtelberg, so wie es auch im Ortsplan verzeichnet ist.

 
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Der erst kürzlich verstorbene Forstwirt Franz Daubner hat Josef Wiche vor ein paar Jahren einmal ausführlich erklärt, wie es zu der Ausgrenzung seines Anwesens kam. Der Heimatforscher und Chronist hat die Geschichte notiert und dokumentiert.

Baugrund löst Bruderstreit aus

 „Unser Anwesen geht auf meinen Großvater Christof Daubner zurück“, schrieb Franz Daubner. „Er war Holzhauer wie mein Vater Alois, wie ich selbst und auch mein Sohn Harald ist Forstwirt, nun schon in der vierten Generation.“ Den Daubners liegt die Waldarbeit im Blut. „Und wenn ich auf mein Leben zurückblicke, kann ich heute sagen: Ich würde  jederzeit wieder draußen als Holzhauer arbeiten“, schreibt Daubner.

Sein Großvater war 1882 in Neugrün 7 geboren, und er ist zusammen mit seinem Bruder Wilhelm aufgewachsen, der Steinbrucharbeiter war. Jedenfalls hat der Wilhelm das Elternhaus mit der Landwirtschaft übernommen. Seinem Großvater wurde im Gegenzug ein Baugrund versprochen, doch als er nach dem Ersten Weltkrieg bauen wollte, bekam er von seinem Bruder nichts. Es war damals eine harte Zeit und die Bauern gaben keinen Quadratmeter Grund her. Der Großvater hat damals den Kontakt zu seinem Bruder abgebrochen und zeitlebens kein Wort mehr mit ihm geredet.

Das Baugrundstück dem stein- und wurzelreichen Boden abgerungen

Er wollte dann abseits des Elternhauses beim Hutfleck bauen, doch bekam er keine Baugenehmigung, weil die Gemeinde Mehlmeisel dort ein Spritzenhaus errichten wollte. Schließlich unterhielt er Unterstützung von seinem Arbeitgeber, dem Forstmeister Wilhelm Richard, und konnte 1921 Baugrund erwerben, südwestlich der Neugrüner Gemarkung, auf dem Gebiet des Forstamtes Fichtelberg. Dort musste er mühsam jeden Quadratmeter des stein- und wurzelreichen Bodens roden.

Und schließlich baute er sein Anwesen, zwar innerhalb der Siedlungsinsel Neugrün, die von Wald umschlossen ist, aber eben jenseits der offiziellen Gemeindegrenze Neugrün/Mehlmeisel. Das neue Anwesen lag damit auf dem Gebiet der damaligen Gemeinde Neubau und wurde dem Ortsteil Hüttstadl zugerechnet, mit der Hausnummer 19.

Die beste Ortsstraße gehört gar nicht zur Gemeinde

Heute bemerkt niemand im Ortsbild, dass ein Neugrüner Haus nicht dazu gehört, und die Gemeinde Mehlmeisel hat sogar eine eigene Zufahrtsstraße zu diesem Anwesen bauen lassen. Ironie der Geschichte: Zum einzigen Haus, das nicht zu Neugrün gehört, führte die am besten ausgebaute Gemeindestraße dieses Ortsteils.

Josef Wiche berichtet auch, dass das Haus der Daubners mit aller amtlicher Konsequenz von Fichtelberg vereinnahmt wurde – auch von der Pfarrei. Franz Daubner erzählte ihm, damals: „Mein Vater Alois war während der Kindheit in Mehlmeisel zur Schule gegangen, und er hatte dort all seine Freunde. Nach dem Bau unseres Hauses bekam er die Weisung, in die Fichtelberger Schule zu kommen, und der Mehlmeiseler Lehrer Näger konnte das nur mit Müh und Not verhindern. Den gleichen Streit gab es mit seinen jüngeren Geschwistern Franz und Amalie, die Dank Nägers Einsatz noch ihre Schulzeit in Mehlmeisel absolvieren durften.“

Es gab viele Kleinigkeiten im Alltag, bei denen die Fichtelberger das Anwesen beanspruchten. So durfte vor dem Zweiten Weltkrieg plötzlich der Neugrüner Kaminkehrer nicht mehr den Schlot fegen. Ganz umständlich war es, wenn im Winter nur wegen des Hauses der Fichtelberger Postbote durch den Schnee stapfen musste. Die Post nahm die Sache in den 1960er Jahren ganz genau und ließ das Haus vom Fichtelberger Boten beliefern.

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