Ein schwieriger Abschied

Von Andreas Gewinner
Verlässt Warmensteinach: Pfarrerin Christine Schlör. Das irritiert manchen. Foto: Andreas Gewinner Foto: red

Im oberen Steinachtal geht bald eine Epoche zu Ende. Pfarrerin Christine Schlör verlässt Warmensteinach nach 20 Jahren. Ein Schritt, den jetzt schon viele bedauern. Und den mancher nicht versteht.

 
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„Wieso? Du gehörst doch zu uns!“ – „Gefällt es Dir bei uns nicht?“ Das sind Reaktionen, die Pfarrerin Schör teils bekam, nach dem sie in einem Sonntagsgottesdienst Ende Oktober mitgeteilt hatte, dass sie Ende Januar Warmensteinach in Richtung Unterfranken verlässt. Das bekümmert die engagierte Pastorin etwas. „Ich will nicht, dass die Menschen meinen beruflichen Weggang als Zurücksetzung empfinden.“

Sie blickt zurück auf den 1. August 1997, als sie mit Ehemann und zwei kleinen Kindern ins Pfarrhaus neben der Dreifaltigkeitskirche einzog. „Schon damals wusste ich, dass ich irgendwann wieder ausziehen muss. Ein Pfarrhaus ist eine Dienstwohnung.“

Freundlicher Brief vom Arbeitgeber

Tatsächlich sieht es die evangelische Kirche gerne, wenn ein Pfarrer nach spätestens 15 Jahren mal die Stelle wechselt. „Dann kommt ein freundlicher Brief mit der Bitte, mal über einen Wechsel nachzudenken“, so Schlör.

Bei ihr kam der Brief vor fünf Jahren. Und nun, fünf Jahre später, war der Zeitpunkt richtig. Beide Söhne sind erwachsen, sie ist 55 Jahre alt. Und die neue Stelle in Giebelstadt bei Würzburg ist ganz in der Nähe der Eltern ihres Mannes. Ihr Wechsel ist keine Entscheidung gegen Warmensteinach, sondern beruflich und familiär bedingt.

Giebelstadt – wenig Wälder, keine Berge, sondern weite, rollende Landschaft mit Äckern. Den Blick aus ihrer Küche oder vom Friedhof aus auf den Ort und die Königsheide gehört zu den Dingen, die sie vermissen wird. „Als ich kam, hat es mir gleich hier gefallen, weil die Landschaft ähnlich wie in Ludwigsstadt ist, wo ich herstamme.“ Sie fand „tolle, engagierte“ Menschen, deren Türen immer aufgingen – „wenn ich sie fand“, sagt Schlör schmunzelnd mit Blick auf ihren anfänglichen Kampf mit den unorthodoxen Warmensteinacher Hausnummern.

Nähe, die zu nah sein kann

20 Jahre in Warmensteinach, das sind unter anderem 285 Taufen, 280 Konfirmanden und 78 Trauungen, über 400 Beerdigungen. Und unzählige Begegnungen mit den Menschen in Warmensteinach, Fichtelberg und darüber hinaus – bei der kirchlichen Arbeit, bei schönen und traurigen Ereignissen. „In einer Familie habe ich beide Eltern beerdigt, die Töchter getraut. Und deren Kinder getauft.“ Das schafft Nähe. Nähe, die manchmal auch zu nah sein kann. Etwa wenn junge Menschen sterben, deren Familien sie lange und gut kennt. „Das war wie, wenn man eigene Angehörige beerdigt, das bringt einen manchmal dann schon an die Grenzen“, bekennt sie. Auch das sei ein Grund gewesen, nach zwei Jahrzehnten noch mal zu neuen Ufern aufzubrechen.

Doch die positiven Erinnerungen werden überwiegen, bei weitem. An zwei Kirchenjubiläen, an zahlreiche 50-jährige Jubiläen, die Gründung des Gospelchors, Religionsunterricht an der Grundschule, sie hat die Kinder eines amerikanischen Soldaten getauft, dessen Vorvorvorfahr ebenfalls in der Warmensteinacher evangelischen Kirche getauft wurde. Erinnerungen aber vor allem an die einheimischen Menschen und die Begegnungen mit ihnen. Und an ihre geliebten Kirchen: die Warmensteinacher Kirche, nicht zu groß und nicht zu klein, vor über 300 Jahren der damaligen Armut abgetrotzt. Und die Fichtelberger Kirche, kleiner, viel jünger und nüchterner und doch genauso ein Lieblingsort.

Zur Zeit ist das Warmensteinacher Gotteshaus – genauer: der Turm – eine große Baustelle. Aber auch eine Kirchengemeinde, sagt Schlör, ist wie eine Baustelle, die in Bewegung bleiben muss, und wo manchmal auch ein frischer Wind wehen muss.

Bitte besuchen!

Wie geht es weiter? Schlör schätzt, dass es nach ihrem Weggang zum 1. Februar ein paar Monate dauert, bis ein neuer Pfarrer (oder Pfarrerin) kommt, der sich zuvor auf die Stelle bewerben muss. Auch bei der evangelischen Kirche sind die Hirten nicht mehr im Überfluss vorhanden wie vielleicht noch vor 20 Jahren. Die Vertretung in dieser Zeit werde auf mehrere Schultern im Dekanat verteilt.

Auf Besuch aus Warmensteinach an ihrer neuen Wirkungsstätte unweit von Würzburg würde sie sich jedenfalls freuen: „Wir sind ja nicht aus der Welt.“

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