Ein Oldtimer-Bus für die Gartenschau

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Du ziehst unwillkürlich den Kopf ein, wenn die Äste eines Baumes oder eine der wenigen Brücken im Stadtgebiet auf dich zukommen. Knappe vier Meter hoch ist er, der im Oberdeck üppig verglaste Berolina-Bus. Vier Meter steht auf der Brücke in der Königsallee als Warnhinweis. Ein bisschen Nervenkitzel auf einer Fahrt, die den Horizont weitet. Die einen neuen Blick auf Bayreuth eröffnet. Ein Drohnenflug in der Zeitmaschine, die dem Alltag die Hektik nimmt.

 
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Denn der blaue Oldtimer ist nicht gemacht für die flotte Fahrt. Er ist gebaut dafür, dass man Eindrücke sammeln kann. In aller Ruhe. Jetzt in Bayreuth. Früher in Berlin. Zum Blick über die Mauer. Dafür hat Konrad Auwärter (75) den Bus gebaut.

Ein Einzelstück

„Ein Einzelstück“, sagt Konrad Auwärter im Gespräch mit unserer Zeitung. „Der Bus war damals meine Abschlussarbeit bei meinem Studium an der Wagenbauschule in Hamburg. Ich habe ihn konstruiert und habe selber mitgebaut.“ Obwohl Doppeldeckerbusse damals gerade in Berlin zum Straßenbild gehörten, fast wie in London, nannte der „Berliner Verkehrsspiegel“ den Bus der Karosseriefirma Gottlob Auwärter (Stuttgart) ein „Paradestück des deutschen Fahrzeugbaues“. Auwärter, schreibt der Autor in dem Sonderdruck, habe den Mut beweisen, „Neuland im Karosseriebau zu betreten“. Knapp einen halben Meter niedriger als normale Doppeldecker ist der Bus mit 3,80 Meter Höhe. Und das, was Auwärter im Oberdeck entworfen hat, gab es auch noch nicht: „Die Sitze angeordnet wie eine Fischgräte“, sagt Auwärter. Schräg versetzt, Rücken an Rücken. Damit keiner den Kopf verdrehen musste, um einen Blick über die Mauer von West- nach Ost-Berlin zu erhaschen. „Der Bus ist ja die gleiche Strecke hin und zurück gefahren. Jedes Seite konnte somit etwas sehen.“

Vor 25 Jahren hat Auwärter den Bus zurück gekauft

Lange fuhr der 1965 gebaute Bus in Berlin und in anderen Städten. „Vor 25 Jahren habe ich ihn erworben und in mein Museum in Pilsting gestellt, wo 25 Busse stehen“, sagt der Konstrukteur über den Berolina-Bus. „Einmal wurde er bislang generalüberholt. Wir restaurieren jedes Jahr einen der Busse. In rund 4000 Arbeitsstunden.“ In Busse, die unter dem Namen Neoplan weltbekannt sind. „Von Auwärter spricht kein Mensch, dabei ist Neoplan ein reiner Fantasiename. Den hat 1963 ein griechischer Vertreter ins Spiel gebracht, als wir einen Namen für die Busse suchten. Der sagte: ,Nennt ihn doch Neoplan, das steht im Griechischen für neues Menschenbeförderungsmittel.’ Also nannten wir die Busse Neoplan.“  

Eine große Runde um die Stadt

Auwärters Berolina-Bus war vor zwei Jahren schon im Einsatz, fuhr die Besucher der Deggendorfer Landesgartenschau. Der Stadtrat und Landtagsabgeordnete Christoph Rabenstein (SPD) hat sich dafür stark gemacht, dass der Bus auch auch in Bayreuth rollt. „Ich sehe ihn ein bisschen als den Außenminister der Gartenschau“, sagt Auwärter. „Mit der Schau an sich hat er nichts zu tun, kreist aber als ihr Botschafter durch die Stadt.“ Vom Haupteingang zur Uni, zur Stadthalle, zur Tourist-Info, zu den Eingängen West und Nord der Gartenschau, zur Eremitage und zurück. Ein- und aussteigen geht immer.

Der Bus fordert den ganzen Mann

Übersehen kann man ihn schließlich nicht, den großen Bus, der von vier Fahrern im sechstägigen Wechsel gefahren wird. In dieser Woche ist Andreas Frank (25) dran. Frank ist eigentlich Dienst- und Umlaufplaner, „so etwas wie Disponent“, für die Busse im Landkreis Passau. Aus Leidenschaft fährt er Oldtimer-Busse. „Eher durch Zufall hab ich mal bei Konrad angefragt, ob ich einen seiner Busse für eine Sonderfahrt haben kann.“ Auwärter hat ihn gleich eingespannt. Als Fahrer für seine Rarität. Der Bus verlangt nach körperlichem Einsatz. Denn so gemütlich er im Verkehr mitschwimmt, so sehr fordert er den Chauffeur. „Keine Servolenkung, keine Druckluftunterstützung bei der Kupplung. Da ist man noch Kraftfahrer“, sagt Frank. Die Kupplung geht in die Knie. Und er muss oft kuppeln, muss die fünf Gänge oft wechseln, wenn der den dicken Diesel bei Laune halten will. „Sieben Liter Hubraum, 150 PS. Ist recht sparsam“, sagt Frank. „25 bis 28 Liter wird er brauchen.“ Spitze läuft der Berolina 65 Stundenkilometer. An den Steigungen im Stadtgebiet: „Bisschen über Schrittgeschwindigkeit im zweiten Gang. Wenn er voll besetzt ist.“ 76 Fahrgäste passen rein. Sitzplatz für jeden.

Der Außenminister, der raucht

„Manche hupen schon mal oder sind ungeduldig, wenn sie hinter mir her fahren. Aber so kann ich über die Bayreuther nichts sagen. Die lassen einen auch mal raus, wenn man an der Kreuzung steht“, sagt Frank. „Aber mich kann nichts aus der Ruhe bringen. Ich hatte meine Ausbildung im Münchner Stadtverkehr.“ Auwärter sagt, dass der Außenminister schwarz raucht – so wie die qualmenden Politiker der 60er Jahre – habe schon „zu ein paar Reklamationen geführt. Aber da braucht man sich keine großen Sorgen machen. Die Rußpartikel, die der ausstößt, werden von der Nase noch gefiltert. Nicht so wie die Partikel der modernen Motoren, die lungengängig sind“.   

Der Bus hat viele Fans

Der Bus hat viele Fans, sagen Auwärter und Frank. Gut über 4000 Fahrgäste sind damit schon durch Bayreuth gerollt, sagt Manuel Becher, der Geschäftsführer der Bayreuth Marketing und Tourismus GmbH (BMTG). Die treuesten Fahrgäste sind die Kleinsten. Jeden Montag, vor Beginn der ersten Tour, die um 12 Uhr – und danach stündlich – am Haupteingang der Gartenschau startet, dockt der Berolina am Eingang Nord an. Um die Kinder des Kinderhauses Windrad abzuholen und zur Rollwenzelei zu fahren. „Die Kinder lieben es“, sagt Kindergärtnerin Heike Steinlein. „Und die Perspektive von oben ist wirklich toll.“ Auwärter hat gleich zugestimmt. „Das schenk ich denen. Ich hab ja selber neun Enkel. Es freut mich, wenn ich den Kleinen einen Gefallen tun kann.“  

Um den Einsatz des Busses war in der Stadt lange gerungen worden

 

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