Ein Erbe, von dem keiner was weiß

Von Andreas Gewinner
Bisher musste man Ludwig Thoma mit der Lupe suchen in Fichtelberg. Der Busbahnhof trägt seinen Namen, aber ein Schild vor Ort fehlte bir vor kurzem. Dabei ist die Großmutter des berühmten Volksdichters gebürtige Fichtelbergerin. Foto: Gisela Kuhbandner Foto: red

Seit 25 Jahren gibt es den Ludwig-Thoma-Platz in Fichtelberg. Doch bisher wusste kaum jemand, dass es ihn gibt. Wo er ist. Und was der bayerische Volksdichter („Lausbubengeschichten, „Ein Münchner im Himmel“) überhaupt mit dem Ort zu tun hat.

 
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Das wollen einige Fichtelberger ändern. Am Sonntag 15. Oktober, dreht sich im Gasthof Specht alles um Ludwig Thoma. Motto: „Wurzeln und Spuren“. Denn Wurzeln und Spuren von Thoma gibt es in Fichtelberg. Und die möchten eine Reihe von geschichtsbewussten Fichtelbergern ins Bewusstsein rücken – mit einem ebenso unterhaltsamen wie informativen Abend.

Thomas Wurzeln liegen in Fichtelberg

Die erste Hürde haben sie schon genommen. Seit Kurzem steht am Busbahnhof ein Schild, das den Platz als Ludwig-Thoma-Platz ausweist. So heißt der Platz zwar schon seit 25 Jahren, allein: Es fehlte bisher ein Schild. Nur auf einem älteren Ortsplan ist er vermerkt. Google Maps weist den Ludwig-Thoma-Platz zwar aus, verlegt ihn aber zu weit nach Osten, zum einstigen Bahnhof.

Dabei ist Ludwig Thomas Verbindung nach Fichtelberg eigentlich seit Jahrzehnten ein offenes Geheimnis. Schon 1990 hatte der einstige Fichtelberger Forstamtsdirektor Anton Böhm im Magazin des Fichtelgebirgsvereins „Siebenstern“ Thomas familiäre Wurzeln in Fichtelberg beschrieben. Denn Thomas Großmutter kam 1801 in Fichtelberg zur Welt. Deren Vater Caspar von Reiner war bayerischer Staatsbeamter in der Bergwerksverwaltung und um die Jahrhundertwende von 1795 bis 1805 Leiter des Bergamts Fichtelberg – somit zuständig für den Hüttenbetrieb des Bergwerks und für die kurfürstlichen, später königlich-bayerischen Wälder um den Ochsenkopf. Das Geburtshaus steht sogar noch: das ehemalige Forstamtsgebäude an der Bayreuther Straße, heute in Privatbesitz.

Ludwig-Thoma-Platz war eher unbekannt

Doch Thomas Beziehung zumindest zur Region ist eine noch tiefere. Seine Fichtelberger Großmutter heiratete einen gebürtigen Waldsassener. Und Thoma ist weitläufig mit dem bekannten Komponisten Max Reger verwandt, der zwei Orte weiter, in Brand in der Oberpfalz zur Welt kam. Gastwirtin Marianne Specht las seinerseits Böhms Abhandlung im „Siebenstern“. Und schon damals entstand der Gedanke, diesen Umstand auf die eine oder ander Weise zu würdigen: „Wir haben so viel. Da muss man doch was draus machen“, sagt die Wirtin des gleichnamigen Gasthofs.

Doch gut Ding will Weile haben. Fahrt nahm das Thema dann dieses Jahr auf. 2017 ist der 150. Geburtstag Thomas. Bei der Vorbesprechung für das diesjährige Fichtelberger Bürgerfest ergriff Karl Kuhbandner aus Hüttstadl das Wort: „Wir müssen was mit Thoma machen!“ Die Reaktion: „Viele wussten nicht mal, dass es einen Ludwig-Thoma-Platz gibt“, sagt Kuhbandner kopfschüttelnd.

Heimatabend ist am Sonntag

Das weckte den Ehrgeiz, und was so viele Jahre als Wunsch und Wille schlummerte, ging auf einmal ganz schnell, „wie ein Schneeball“, so Gisela Kuhbandner. Bei den Angefragten – für Lesungen, zum Musik machen – rannten sie offene Türen ein. Und in kurzer Zeit war er fertig, der Heimatabend mit Essen, Musik und Lesung.

Deshalb gibt es am Sonntag, 15. Oktober, ab 18 Uhr im Gasthof Specht erst mal Braunfuchsen (eine Art gebackener Kartoffelkloß). Ab 19 Uhr dreht sich bei freiem Eintritt dann alles um Thoma. Verschiedene Leser bringen einen Querschnitt von Thomas Werken zu Gehör, „Bekanntes und Unbekanntes“, so Gisela Kuhbandner. Auch der schwarze Fleck in Thomas Leben – seine Judenfeindlichkeit – soll nicht unter den Tisch gekehrt werden. Für die Musik sorgt der örtliche Trachtenverein D’Fichtlseer. Und der Eigentümer von Oma Thomas Geburtshaus will etwas über seine geschichtsträchtige Immobilie erzählen. Veranstalter sind der Fremdenverkehrsverein von 1886 und die Aktion 365 der katholischen Pfarrgemeinde.

Nach der Veranstaltung ist vor der Veranstaltung

Der Ludwig-Thoma-Abend soll Auftakt einer jährlich wiederkehrenden Veranstaltung sein. Hans-Peter Reichenberger ist nicht nur Gemeinderat, er macht sich auch viel Gedanken, wie die reiche Geschichte Fichtelbergs mehr ins Bewusstsein gehoben und fruchtbar für die Gegenwart und Zukunft des Ortes gemacht werden kann. Er ist in Kontakt mit einer Wissenschaftlerin, die ihre Doktorarbeit über Ludwig Thoma geschrieben hat. Sie soll nächstes Jahr nach Fichtelberg kommen.

Und es gibt noch viel mehr Schätze zu heben in Fichtelberg, wie die Bergwerksgeschichte des Ortes. Und Willi Vogl von den Fichtelseern, der die musikalische Gesamtleitung hat, verspricht schon jetzt, dass „wir, als Heimat- und Volkstrachtenverein, der die Pflege auch des Kulturguts der engeren Heimat in seiner Satzung verankert hat, im Rahmen unserer Möglichkeiten auch bei eventuellen weiteren Veranstaltungen mit Literatur und Musik gerne dabei sein werden.“ Stoff für weitere Heimatabende gibt es also genug.

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