Drama einer Bewährungshelferin

Von Manfred Scherer
Foto: Daniel Karmann dpa/lby Foto: red

Eine Unachtsamkeit? Schlamperei? Stress? Eine junge Frau kassiert eineinhalb Monate zulange Elterngeld. Die Folgen sind drastisch: Sie ist ihren Job als Bewährungshelferin los. Das Landgericht hatte nun quasi in einem Fall im eigenen Hause zu urteilen.

 
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Bewährungshelferin, sagt die Angeklagte, das sei ihr "Traumberuf" gewesen. Und sie sagt: "Ich bin doch keine Betrügerin." Keinesfalls habe sie die etwas mehr als 800 Euro Elterngeld, die sie noch bezog, obwohl sie nach der Geburt ihres Kindes wieder angefangen hatte zu arbeiten, absichtlich für sich behalten. Ihre Tochter war krank damals zum Jahresende 2016. Und die jungen Eltern hatten Stress. Dann kam das Schreiben vom Zentrum Bayern für Familie und Soziales, der Behörde, die das Elterngeld auszahlt. Bei der Beantragung von Elterngeld wird man belehrt: Fällt die Grundlage für den Bezug der Leistung weg, ist das sofort zu melden. Ihr Ehemann sagt, mit Tränen in den Augen: "Wir sind selbst erschrocken, dass wir das vergessen haben und haben das sofort zurückgezahlt."

"Ich bin doch keine Betrügerin"

Das Erschrecken sollte sich steigern. Wegen Betruges bekam die junge Frau einen Strafbefehl. Doch sie wollte nicht als Betrügerin dastehen und legte gegen diesen Strafbefehl Einspruch ein. Der zuständige Amtsrichter urteilte Mitte Juni: Betrug ist das schon, zumindest mit bedingtem Vorsatz. Es reichte allein, dass die Frau ihre Kontoauszüge nicht gewissenhaft geprüft habe. Im Amtsgerichtsprozess wurde aber keine Strafe ausgeworfen - das Gericht wandte eine seltene Vorschrift an und sprach nur eine Verwarnung unter Strafvorbehalt aus. Das Hauptargument hierfür lautete in erster Instanz: Besondere Umstände rechtfertigten diese mildeste aller strafrechtlichen Sanktionen. Denn der 29-Jährigen drohten berufliche Konsequenzen. Und die kamen: Ihr Arbeitgeber, das Landgericht, kündigte ihr den Job als Bewährungshelferin. Hinter der Entlassung steht der besondere Anspruch der Justiz an einen besonderen Beruf: Ein Bewährungshelfer, der selbst straffällig geworden sei, sei nicht mehr geeignet, anderen Verurteilten zurück auf den rechten Weg zu helfen.

Staatsanwalt wollte härtere Strafe

Die Staatsanwaltschaft legte jedoch gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung ein, so dass der Fall nun vor dem Landgericht verhandelt wurde. Hier erklärte die Angeklagte: "Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich wollte niemand bewusst schaden oder täuschen." Der Vorsitzende der Berufungskammer, Werner Kahler, skizzierte im Berufungsprozess die Hauptargumente zugunsten und zuungunsten der Angeklagten: Reicht der Arbeitsplatzverluste im "Traumberuf" für besondere Umstände? Oder müssten dann einem Berufskraftfahrer, der betrunken gefahren ist und so zwangsläufig seinen Führerschein los wird, auch besondere Umstände eingeräumt werden? Oder habe die Angeklagte mit dem Einspruch gegen die ursprünglich vorgesehenen Strafe von 25 Tagessätzen nicht ohnehin schon eine "ausgestreckte Hand" ausgeschlagen? Kahler: "Es ist ständige Rechtsprechung, dass Sozialbetrug, der auf Kosten der öffentlichen Kassen geht, eigentlich schärfer bestraft wird, als ein anderer Betrug."

Berufungskammer sah keine besonderen Umstände

Staatsanwalt Florian Losert bejahte für sich besondere Umstände, um der Angeklagten eine milde Strafe zu geben, jedoch keine derart besonderen, um nur eine Verwarnung auszusprechen. Verteidiger Stephan Schultheiß dagegen bezeichnete die Folgen für die Angeklagte als "dramatisch". In der Region habe seine Mandantin bei öffentlichen Arbeitgebern keine guten Karten mehr - ihr Fall habe sich bereits herumgesprochen. Und deshalb sei die Verwarnung gerechtfertigt.

Die Berufungskammer sah die geforderten besonderen Umstände nicht. Der Vorsitzende Kahler erklärte: "Man darf nicht die Augen davor verschließen: Gerade wer in der Position eines Bewährungshelfers ist, hat eine besondere Vorbildfunktion. Und die Folgen der Tat sind hier die Folgen des eigenen Tuns." Das Landgericht änderte das Urteil der ersten Instanz ab und verhängte 25 Tagessätze zu je 40 Euro Geldstrafe, also 1000 Euro.

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