Dirigent Mariss Jansons wird 75

Von Georg Etscheit,
Der Dirigent Mariss Jansons beim Neujahrskonzert 2015 der Wiener Philharmoniker. Archivfoto: Hans Punz/APA/dpa Foto: red

Mariss Jansons führte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu Weltruhm. Seine Interpretationen der Symphonien von Gustav Mahler und Dimitri Schostakowitsch sind legendär. Doch seine größte Liebe gilt der Oper.

 
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Im vergangenen Sommer war Mariss Jansons wieder ganz in seinem Element. Bei den Salzburger Festspielen dirigierte der lettische Maestro eine seiner Lieblingsopern: Dmitri Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk». Jubel war dem Stardirigenten danach gewiss. Denn allzu oft erlebt man Jansons, der am Sonntag (14. Januar) 75 Jahre alt wird, nicht bei einer Opernaufführung, obwohl ihm dieses Genre eingestandenermaßen am meisten liegt.

Könnerschaft, Kultiviertheit und Intensität

Eine Oper mit Jansons zu erleben, ist eine emotionale Grenzerfahrung. «Könnerschaft, Kultiviertheit und Intensität» strömen in seinen Interpretationen zusammen, wie ein österreichischer Musikkritiker schrieb. Auch für den Dirigenten selbst verbindet sich mit der Oper eine Grenzerfahrung. 1996 erlitt er bei einer Aufführung von Giacomo Puccinis «La Bohème» einen Herzinfarkt, den er nur knapp überlebte. Beinahe hätte er das Schicksal seines Vaters geteilt: Arvids Jansons, ein in der Sowjetunion gefeierter Dirigent, war 1984 einem am Pult erlittenen Herzinfarkt erlegen.

Erinnerungen an dieses einschneidende Erlebnis wurden im vergangenen Oktober wieder wach, als Jansons bei einem Auftritt mit den BR-Symphonikern in Regensburg einen Schwächeanfall erlitt. Doch im November leitete er schon wieder eine umjubelte Aufführung von Anton Bruckners monumentaler 8. Symphonie in München.

Jansons, der künstlerische Workaholic

Jansons gilt als Detail versessener Arbeiter, als künstlerischer Workaholic, den kaum etwas hinter seinen Partituren hervorzuholen vermag. Manchmal gelingt es seiner Frau Irina, die ihn stets begleitet, und neuerdings seinem kleinen Hund. «Einen Hund zu haben ist fantastisch», gestand er jüngst. Starallüren, Eitelkeit, arrogante Selbstbespiegelung sind Jansons fremd. Dafür liegt ihm der Dialog mit seinen Musikern und auch mit der Öffentlichkeit am Herzen. Zu seinen wichtigsten Themen abseits des Musikmachens zählte in den vergangenen Jahren sein nimmermüder Einsatz für einen neuen Konzertsaal in München.

Der 1943 im lettischen Riga geborene Jansons zählt unbestritten zu den bedeutendsten Dirigentenpersönlichkeiten weltweit. Nach Studien unter anderem bei Herbert von Karajan in Salzburg machte der legendäre russische Dirigent Jewgeni Mrawinski 1973 den gerade 30-jährigen zu seinem Assistenten. Der damalige Chef der Leningrader Philharmoniker und große Orchestererzieher prägte Stil und Repertoire des jungen lettischen Sowjetbürgers entscheidend. Seither wird Jansons der «russischen Schule» zugerechnet. Auch seine Vorliebe zu Dmitri Schostakowitsch rührt her von seinem großen Lehrer, der mehrere Werke des Komponisten uraufgeführt hatte.

Jansons führt Provinzorchester zu Weltruhm

1979 trat Jansons die Stelle eines Leiters der Osloer Philharmoniker an. In gut 20-jähriger Aufbauarbeit formte er aus dem Provinzorchester einen weltbekannten Klangkörper und machte auch durch vielfach gelobte CD-Einspielungen auf sich aufmerksam. 1997 übernahm er zudem aus den Händen von Lorin Maazel die musikalische Leitung des Pittsburgh Symphony Orchestra. 2003 wechselte er, wieder als Nachfolger Maazels, zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem er einen bis heute andauernden Höhenflug bescherte. Die 2004 zusätzlich übernommene Leitung des Amsterdamer Concertgebouw Orchesters hat er 2015 abgegeben.

Vor zwei Jahren hätte Jansons wohl die Möglichkeit gehabt, Chef der gloriosen Berliner Philharmoniker zu werden. Doch er blieb in München, wo sein Vertrag mit den BR-Symphonikern bis 2021 läuft. Ob Jansons «seinen» neuen Münchner Konzertsaal noch als Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters eröffnen wird, ist ungewiss. Dafür steht er in diesem Sommer erneut bei den Salzburger Festspielen am Opernpult. Diesmal gibt es Peter Tschaikowskys «Pique Dame», noch eines seiner Leib-und-Magen-Stücke.

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