Die Zinsen bleiben im Keller

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Die Bundesbank-Filiale Bayreuth ist Geschichte, doch ihren Bayreuther Bankenabend will die Notenbank nicht sterben lassen. Rund 50 Bankchefs aus Oberfranken kamen, um Franz Josef Benedikt, den obersten bayerischen Bundesbanker, zu hören. Das Megathema der Branche war sein Thema: die Niedrigzinsen.

 
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Nachrichten über eine Entspannung an der Zinsfront hatte Benedikt nicht im Gepäck. „Ich kann keine Hoffnung machen, dass die Zinsen explodieren.“ Explodierende Zinsen wird wohl niemand erwartet haben. Aber vielleicht eine zaghafte Trendumkehr, die sich am Horizont auftut?

Für höhere Zinsen braucht es mehr Wachstum und mehr Inflation, sagt Benedikt, Präsident der Hauptverwaltung der Bundesbank in Bayern mit Sitz in München. Doch die Perspektiven dafür seien relativ verhalten. Zwar lebe Deutschland quasi auf einer Insel der Glückseligen. Doch Deutschland sei eben auch in den Geleitzug Europa eingebunden. „Es gibt keine nationale Geldpolitik für uns.“ Gemessen am Gesamtzustand der Eurozone sei das Niedrigzinsniveau „absolut angemessen“.

Ein Hauch von Hoffnung

Ein bisschen Hoffnung machte Benedikt dann aber doch. Die Preise würden im kommenden Jahr wohl stärker steigen, die Statistik wachse aus dem Ölpreisrückgang heraus. Vielleicht wird die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Anleihekäufe im kommenden Jahr einen Hauch zurückfahren, deutete Benedikt am Rande der Veranstaltung im Gespräch mit dem Kurier an. Dies könnte Signalwirkung auf langfristige Zinsen haben.

Null- und Negativzinsen sind nicht einfach vom Himmel gefallen. Ihre Ursache reicht zurück in die Finanzkrise 2008. Damals hätten die Notenbanken die „Dysfunktionalität“ des Marktes ausgleichen müssen, um den Totalabsturz zu verhindern. Mit dem Rückenwind der ultralockeren Geldpolitik sei die Wirtschaft relativ schnell aus der Rezession gekommen.

Religion ohne Sünde

Die Schattenseiten der Geldschwemme sieht Benedikt auch: Völlig unrentable Unternehmen werden durchgeschleppt, vor allem in Südeuropa. Ein Markt ohne Pleiten sei aber letztlich „wie eine Religion ohne Sünde“.

Wenn Geld nichts mehr kostet, schafft das falsche Anreize. Staaten fragen sich, warum sie sparen sollten. „Wenn ein Renzi (italienischer Ministerpräsident) sagt, jetzt muss Schluss sein mit dem Sparen, dann frage ich mich schon: Hab‘ ich da was versäumt in den letzten Jahren?“ Die nationalen Notenbanken sind zu den größten Gläubigern ihrer Staaten geworden.

Sparer haben kein Rendite-Grundrecht

Ja, auch die Sparer leiden, aber es habe schon schlechtere Realzins-Jahre gegeben als heute, so  Benedikt. „Es gibt kein Grundrecht auf auskömmliche Renditen für Sparer.“ Die Sparquote liege mit über neun Prozent vom verfügbaren Einkommen weiter hoch, die Deutschen seien gleichzeitig konsumfreudig wie selten zuvor. „Die Stimmung ist vielleicht sogar besser als die Lage. Früher war’s immer umgedreht.“

Für die Nullzinsen mit all ihren negativen Folgen ist allein die EZB verantwortlich? Stimmt nicht, sagt Benedikt. „Die EZB kann nicht die Lösung des Problems sein. Da müssen Andere aufs Feld.“ Die Anderen, das sind Regierungen, Parlamente, Finanzpolitiker, die über Haushalte, Schulden, Steuern entscheiden. Der Ball sei im Feld der Politik.  

Wie in einer Ehe

Die Politik zeigt sich davon bislang wenig beeindruckt. Müsste die EZB also nicht endlich die Daumenschrauben anziehen, Druck machen, mit höheren Zinsen die Politik zum Sparen zwingen? Das wäre, meint Benedikt, keine gute Idee. Denn, erstens, würde die EZB damit außerhalb ihres Mandats agieren und, zweitens, die Konjunktur abwürgen.

Ein Abend ohne greifbare Lösungen, den man gleichwohl schmunzelnd beschließen durfte. In der Europäischen Währungsunion sei es halt manchmal wie in einer Ehe, resümiert Benedikt. Man versuche, gemeinsam Probleme zu lösen, die man alleine gar nicht hätte.