Die Russhütte bei Auerbach ist seit 1889 im Besitz der Familie Haberberger – Bei der Kirwa hilft die ganze Familie zusammen Im Reich des Rußbrenners

Von Sarah Bernhard

Vor den Toren Auerbachs, dort, wo heute die Gaststätte Russhütte steht, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts Ruß gebrannt. Deshalb wird Michael Haberberger bis heute von vielen Auerbachern „der Rußbrenner“ genannt. Ob diese Tradition einmal fortgesetzt wird, ist ungewiss. Aber es gibt Hoffnung.

 
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Vielleicht wird er der letzte sein. Der letzte Rußbrenner. „Schön wäre das nicht“, sagt Michael Haberberger. Schließlich ist die Russhütte seit 1889 im Besitz seiner Familie. Aber ändern könne er daran wohl nichts, sagt der 54-Jährige.

Rund drei Kilometer sind es von Auerbach zu seinem Anwesen, das idyllisch am Waldrand liegt. Ruß wird dort aber schon lange nicht mehr gebrannt. Schon 1809 wurde die Produktion von Kienruß, das man damals etwa für Schuhpolitur verwendete, eingestellt. Nach nur 14 Jahren. Und obwohl der Auerbacher Landrichter Simon Andreas von Grafenstein, der die Fabrik 1795 genehmigt hatte, große Hoffnungen darauf gesetzt hatte, dass die Russhütte Auerbach in der ganzen Welt bekannt machen würde. 1955 wurden schließlich die letzten Reste der Fabrik abgerissen.

"Wenn jemand kommt, bin ich da"

Da hatte sich Familie Haberberger schon längst ein besseres Standbein gesucht: eine Gastwirtschaft. In der werkelt gerade Karoline Haberberger. „Ich bin ganz froh, wenn unter der Woche nicht so viel los ist, dann kann ich die Hausarbeit machen“, sagt die 51-Jährige. „Aber wenn jemand kommt, bin ich natürlich da.“

Sie ist in Weidlwang aufgewachsen, Michael Haberberger lernte sie in der Disko kennen. Dass er so weit draußen wohnt, störte sie nicht. „Wenn man verliebt ist, denkt man nicht viel.“ 1985 heiraten die beiden, vier Jahre später kamTochter Sabrina zur Welt, 1994 die zweite Tochter Julia. Eigentlich sei der Plan gewesen, „irgendwo ein Haus zu bauen und es sich dann gutgehen zu lassen“, sagt Michael Haberberger. Doch als 1990 sein Vater stirbt, übernimmt er den Gasthof. „Das ist mein Elternhaus, da hängt man sich eben rein“, sagt er.

Drei Stammtische und das Wochenende reichen nicht

Seitdem hat der Rußbrenner ziemlich viel zu tun. Denn vom Wirtshaus allein kann die Familie schon lange nicht mehr leben. „Am Wochenende ist es schon gut besucht und es gibt drei Stammtische. Aber das reicht eben nicht“, sagt Karoline Haberberger.

Also arbeitet ihr Mann nebenher beim Forst. Und er kümmert sich um die rund 50 Schweine im Stall. Wenn sie groß genug sind, bringt er sie seinem Bruder zum Schlachten. Und Karoline Haberberger hat für die Gäste immer genug frisches Fleisch aus der Region.

Überhaupt hilft bei den Rußbrennern die ganze Familie mit: Mutter, Schwiegermutter, Bruder, Schwester. „Und selbst wenn sie am Samstag weg waren, die beiden Mädchen stehen am Sonntag auf der Matte“, sagt Karoline Haberberger.

"Papa, fahr mich zum Diskobus"

Es ist vielleicht der Dank dafür, dass die beiden jahrelang von ihren Eltern herumkutschiert wurden. „Jetzt haben sie ja einen Führerschein, aber früher mussten wir immer fahren.“ In die Realschule. In die Disko. Oder zumindest zum Diskobus nach Auerbach. Und nachts wieder zurück.

Meist fuhr Michael Haberberger, „weil ich Angst habe, nachts über den dunklen Hof zur Garage zu laufen“, sagt Karoline Haberberger. Der Rußbrenner lacht nur. „Das hat mich überhaupt nicht genervt“, sagt er. „Es sind doch die Kinder. Da gehört sich das halt.“

Die ganze Familie hilft mit

Anfang August, wenn auf der Russhütte Kirwa ist, reichen ein paar zusätzliche Hände aber nicht mehr. „Da kommen alle, sogar die Freundinnen von unseren Neffen haben wir schon eingespannt“, sagt Karoline Haberberger. „Wir sind ein richtiges Familienunternehmen. Und da muss ich sagen: Das ist einfach schön.“

Und trotzdem könnte es sein, dass Michael Haberberger der letzte ist. Der letzte Rußbrenner. „Ich weiß nicht, ob eine von den Mädchen das Haus nimmt, ich kann keine zwingen.“ Immerhin: Nach  mehr als 30 Jahren Ehe haben er und seine Frau vor einiger Zeit eingeführt, dass sie ab und zu für einige Tage in den Urlaub fahren. „Die Kinder kümmern sich dann ums Gasthaus und die Tiere“, sagt Karoline Haberberger. Und hätten Freude daran. Vielleicht wird die Tradition also doch weiterleben. Mit einer Rußbrennerin.